Bundesliga

Bela Rethy über Kane, Saudi-Arabien und die guten alten Zeiten

Wen er als Meister tippt, wer absteigt

Der bezahlbare Kane und "keine Sekunde" Saudi-Arabien: Wie Bela Rethy die Bundesliga sieht

Bei der WM in Katar kommentierte Bela Rethy mit dem Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko sein letztes Spiel für das ZDF.

Bei der WM in Katar kommentierte Bela Rethy mit dem Halbfinale zwischen Frankreich und Marokko sein letztes Spiel für das ZDF. picture alliance/dpa

Bei der Winrter-WM in Katar kommentierte Bela Rethy beim Halbfinale zwischen Marokko und Frankreich sein letztes Spiel für das ZDF. Doch ganz zur Ruhe setzt sich der 66-Jährige nicht: Gemeinsam mit Autor Albert Knechtel hat Rethy eine sechsteilige Dokumentation über die Geschichte der Bundesliga gedreht. Und verfolgt das Oberhaus des deutschen Fußballs natürlich auch darüber hinaus.

Wenn man sich so lange beruflich damit beschäftigt hat: Wie schaut man dann Bundesliga, wenn man im Ruhestand ist, Herr Rethy?

Ich bin derzeit im Ausland und musste das Bayern-Spiel gegen Bremen auf dem Handy verfolgen. Ich richte meine Termine nicht mehr danach aus, wann ein Fußballspiel ansteht. Früher hätte ich dafür Termine abgesagt. Ganz lässt es einen ja nicht los.

In der Dokumentation über die Geschichte der Bundesliga wirkt im Rückblick vieles rosarot. War das einfach eine bessere Zeit früher?

Das würde ich nicht sagen. Und das wollen wir mit der Doku auch nicht vermitteln. Sondern vielmehr, wie es wirklich war. Bewerten muss es dann der Zuschauer. Ich fand es früher ein bisschen entspannter. Und natürlich werde ich vielleicht ein wenig nostalgisch, weil ich damals selbst jung war. Der direkte Zugang zu der Szene, am Spielfeldrand ohne Pressesprecher und sonstigen Beratern: Das fand ich sehr schön. Der Fußball selbst ist heute qualitativ besser. Die Atmosphäre, das Herzblut konnte man früher vielleicht eher spüren. Ich hüte mich aber davor, alles von Früher zu verklären. Aber Erinnerungen sind natürlich immer schöner als das Jetzt. Das betrifft das ganze Leben.

Ein Bier, ein Malteser

Stichwort Nahbarkeit: Wie sehen Sie beispielsweise Maßnahmen wie Halbzeit-Interviews oder Verkabelung während des Spiels, die mehr Nahbarkeit herstellen sollen?

Die Gespräche während des Spiels sind ein privater Bereich, das sollte auch so bleiben. Sonst schlägt in den sozialen Medien die Richterskala bis ganz nach oben aus, wenn irgendwo mal das Wort "Arschloch" fällt. Was die Franzosen gemacht haben und ich gut finde: Nach dem Spiel wurden in der Kabine Interviews geführt. Die NFL macht das auch. Zumal es einen Blick in das Innenleben des Teams gewährt. Man zahlt inzwischen so viel Geld für Fußballrechte, dass so etwas das vielleicht rechtfertigen könnte.

In der Doku zeigen sie auch, wie Max Merkel auf der Nürnberger Trainerbank Udo Jürgens begrüßt. War damals nicht sogar mehr Zirkus als heutzutage?

Nein, das war charmant! Es war eine neue Liga, ein neuer Bestandteil der Gesellschaft. Und alle haben mitgemacht. Jürgens war sogar Club-Mitglied und flog dann wieder raus, weil er seine Beiträge nicht bezahlte. Bitte mit Sahne, aber ohne Gebühr. (lacht)

Apropos Zirkus: Über den legendären Ahlenfelder-Vorfall, als Wolf-Dieter Ahlenfelder zu früh zur Halbzeit pfiff, sagt Lothar Matthäus: Solche Geschichten gehören dazu. Gibt es heutzutage zu wenige solcher Skandälchen?

Ja! Weil unsere Soziallkontroll-Instanzen gnadenlos geworden sind. Du kannst nichts Verrücktes mehr machen - ohne, dass du in den sozialen Netzwerken zersägt wirst. Das mindert die Spontaneität. Natürlich ist es nicht gut, wenn ein Schiedsrichter hackevoll ein Spiel pfeift. Er hatte ja eine Gänsekeule gegessen und dann noch die passenden Getränke dazu eingenommen. Und jetzt ist in Bremen eine Kneipe nach ihm benannt. Da habe ich dann vormittags auch einen Ahlenfelder (Ein Bier und ein Malteser. Ahlenfelder gab damals an, diese Kombination vor dem Spiel getrunken zu haben, Anm. d. Red.) getrunken... aber man muss ja belegen, dass es das gibt. (lacht) Da bin ich voll bei Lothar: Jede Geschichte ist gut, das ist ja eine Unterhaltungsbranche.

Keine Sekunde Saudi-Arabien

Auf die Aufsteiger Darmstadt und Heidenheim wird mancherort geschimpft ...

Ich gar nicht! Es klingt halt nicht nach der großen, weiten Welt. Es ist nicht so, dass einem da sofort das Herz aus der Jacke springt.

Wobei Braunschweig früher auch nicht danach geklungen hat.

Spätestens 1967 war das aber egal, weil die Deutscher Meister waren. Der Wuppertaler SV war 1973/74 im UEFA-Cup dabei. Dann bekommst du sofort ein Image. Heidenheim mit Frank Schmidt ist ganz speziell, der ist ja seit Napoleon da Trainer. Das hat auch Charme. Darmstadt finde ich cool, weil ich Hesse bin. Das ist aber mein privates Problem ...

Mit Harry Kanes Wechsel nach München hat jetzt auch die Bundesliga mal 100 Millionen Euro Ablöse für einen Stürmer ausgegeben. Musste das so kommen?

Es musste so kommen. Und gemessen an anderen Summen ist es ja fast noch günstig. Für die Bundesliga ist es aber ein Quantensprung. Ich hätte auch nicht gedacht, dass er in einem fremden Umfeld so schnell zündet. Was die Ablöse angeht, sind wir in der Marktwirtschaft. Wenn es bezahlt wird, wird es genommen. Wir wissen genau, wie das Financial Fair Play funktioniert: Nämlich gar nicht. Gehaltsobergrenzen würden auch nur zu Schwarzgeldzahlungen führen. Wenn man offen kommuniziert: Der Typ ist WM-Torschützenkönig, einer der Stars der Premier League, die Bayern haben das Geld. Wieso dann nicht?

Wo wir bei Ablösesummen sind: Wie viele Spiele der saudi-arabischen Liga werden Sie schauen?

Keine einzige Sekunde. Weniger aus Protest, sondern nur, weil es mich überhaupt nicht interessiert. Da schaue ich lieber Metz gegen Nantes in der französischen Liga. Sollte Saudi-Arabien dann noch eine Wild Card für die Champions League bekommen, dann kündige ich mein Abonnement für die Übertragung.

Ein Herz für die Kleinen

Zum Schluss: Wer wird Meister, wer steigt ab?

Muss das sein?

Es muss.

Ich habe ein komisches Gefühl, dass in diesem Jahr RB Leipzig Deutscher Meister wird. Und das hat mit dem Supercup nichts zutun, sondern der Art, wie sie spielen, den Charakteren und dem Trainer. Der Ex-Hoffenheimer Christoph Baumgartner ist für mich ein Riese, Lois Openda raketenschnell. Das ist eine wunderbare Mischung. Das wird nicht alle erfreuen.

Und im Tabellenkeller?

Die beiden Aufsteiger werden es sehr schwer haben, die müssen direkt wieder runter. Obwohl ich den kleinen Vereinen alles von Herzen gönne. Wir leben ja davon, dass die Bundesliga keine geschlossene Gesellschaft ist, wie beispielsweise in Amerika. Deswegen wünsche ich den Kleinen immer den Klassenerhalt, aber sie müssen auch mithalten können.

Interview: Jim Decker