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Wie Ilkay Gündogans Zukunft aussehen könnte

kicker & DAZN - die Story

Das letzte Stück zum Glück: Wie Ilkay Gündogans Zukunft aussehen könnte

Glänzt auch als Torschütze: Ilkay Gündogan.

Glänzt auch als Torschütze: Ilkay Gündogan. imago images

Aus der himmelblauen ManCity-Präsentationsjacke wird ein gelbes Trikot mit grünen Farbtupfern. Die Frisur wandelt sich, bis vom schwarzen Haarschopf nur noch ein kleiner "Halbkreis" oberhalb der Stirn übrigbleibt, oder wie immer man das geometrisch bezeichnen möchte: Ganz so neu ist die Verwandlung von Ilkay Gündogan in den einstigen Top-Torjäger, den Brasilianer Ronaldo, nicht. Doch seit vergangenem Samstag geht diese kurze Videosequenz von Tiktok wieder vermehrt viral.

Die eigentliche Botschaft: In der heißen Saisonphase ist es der deutsche Nationalspieler, der für die titelbringenden Treffer sorgt, so wie 2022, als sein Doppelpack zum 3:2-Sieg am letzten Premier-League-Spieltag gegen Aston Villa den Skyblues die Meisterschaft bescherte. Doch seit seinem Tor zur 1:0-Führung am vergangenen Sonntag im Goodison Park beim FC Everton sollen sich Ahnenforscher auf die Suche nach brasilianischen Wurzeln in Gündogans Stammbaum gemacht haben. Viel brasilianischer, mit dem Rücken zum Tor und nach vorheriger Oberschenkel-An- und Mitnahme inklusive Vollendung mit der Spitze, geht's wirklich nicht.

Vier der jüngsten fünf Liga-Treffer ManCitys gingen nicht auf das Konto Erling Haalands, sondern Gündogans, fünf von sechs hätten es sein können, doch mit seinem Elfmeter-Pfostenschuss gegen Leeds brachte er sich selbst um den ersten Dreierpack im Profibereich.

Sein Trainer Pep Guardiola sagt über ihn: "Er ist so intelligent, so clever. Auch unter Druck hat er keine Probleme. Er ist einer der besten Spieler, die ich je trainiert habe in meiner Karriere, wenn ich das Gesamtpaket betrachte. Er ist top, Extraklasse."

Nun hat gerade dieser Coach schon viele Spieler in den fußballerischen Adelsstand gehoben, die dort vielleicht aus Motivations-, aber nicht aus Leistungsgründen hingehörten. Doch bei Gündogan sind das keine leeren Worte, dessen kann sich der Kapitän des Teams sicher sein.

Was macht Gündogan nach der Saison?

Guardiola ist natürlich auch erfahren genug, um zu wissen, dass dieses Lob den linken Achter zwar freut, aber dass es keine finale Auswirkung auf die Entscheidung hat, die bald ansteht: Verlängert er seinen auslaufenden Vertrag noch mal bei City, unterschreibt er seinen letzten großen Kontrakt bei dem Klub, zu dem er 2016 von Borussia Dortmund als erster Transfer, als erster Wunschspieler Guardiolas stieß? Oder wechselt er noch mal? Und wenn ja, innerhalb der Premier League? Oder außerhalb?

Zunächst die Fakten: Gündogan hat sich noch nicht entschieden, zumindest nicht öffentlich. Vor dem Saisonende, und das kann sich angesichts des möglichen Finals in der Königsklasse auch bis zum 10. Juni oder darüber hinaus hinziehen, wird er sich wohl nicht entscheiden. Er ist ablösefrei, wird im Oktober 33 Jahre.

Wenn ein deutscher Nationalspieler zwar nicht umsonst, aber zumindest ohne Transfersumme zu haben ist, wird man sich in Deutschlands Spitzenvereinen zumindest mal gedanklich mit diesem Namen befasst haben. Doch beim FC Bayern passt er nicht ins Profil, der Rekordmeister fahndet fürs Mittelfeld eher nach einem zweikampfstarken Sechser, wie ihn Javi Martinez verkörperte. Und in den Überlegungen seines Ex-Klubs Borussia Dortmund spielt er ebenso keine Rolle.

Wohin der Weg führen könnte - und warum

Wenn also keine Rückkehr in die Heimat zu erwarten ist, bleiben zwei Optionen: weiterhin die Premier League oder noch mal der Sprung ins Ausland abseits der Insel. In Englands Oberhaus hat Gündogan als langjähriger City-Star bereits Liverpool ausgeschlossen, eine Wiedervereinigung mit Jürgen Klopp wird es also nicht geben. Manchester United ist ein No-Go für einen Cityzen. Arsenal und Tottenham bedeuten für einen Spieler des Spitzenreiters letztlich keinen sportlichen Fortschritt, und Chelsea mag finanziell lukrativ sein, doch die Außendarstellung des Vereins inklusive orientierungslos wirkender Eigner hat vielleicht aktuell auch keine große Anziehungskraft.

Ergo: City oder Ausland? PSG könnte ihn bezahlen, aber ob der ehrgeizige Gündogan dorthin passt? Und ob die Ligue 1 eine größere Herausforderung darstellt als La Liga? Dann Italien vielleicht? Die Gerüchte, dass es seine Ehefrau Sara Arfaoui dorthin zieht, sind so nicht richtig, vor allem aber ist das Ehepaar eher genervt davon, wenn sie, Sara, als Grund für einen Wechsel vorgeschoben wird.

Und so landen wir in Spanien, beim FC Barcelona. Angeblich schon länger ein Wunschziel Gündogans. Sportlich würde das passen. Doch die Frage ist, ob Barças Zukunft wirklich so gesichert ist, dass ein Spieler da für die nächsten drei Jahre unterschreibt. Abgesehen vom Titelgewinn in Spanien beherrschen ja eher finanzielle und juristische Negativschlagzeilen den katalanischen Klub.

City, Gündogan und die Vertragslaufzeit

Oder bleibt alles, wie es ist? Bleibt der gebürtige Gelsenkirchener in Manchester, bei City? Wenn er so lange zögert, behaupten manche, werde er gehen. Aber: Abgeneigt soll er nicht sein, zu bleiben, auch finanziell soll man sich bereits verständigt haben, doch während Gündogan den letzten großen Vertrag seiner Karriere lieber für drei Jahre unterschreiben möchte, soll City bei der Laufzeit eher zwei Jahre im Sinn haben, Insider behaupten gar nur zwölf Monate. Ob es daran scheitert oder daran, dass City angesichts angeblicher finanzieller Verstöße gegen die Premier-League-Regeln sogar ein Ausschluss aus der Liga droht? Mit Manchester verbindet ihn nicht nur die große gegenseitige Wertschätzung mit Guardiola (Pep: "Ich hoffe, dass er bleibt"), sondern unabhängig davon auch mehr als Fußball: In seiner Zeit dort hat er geheiratet, ist Papa geworden, engagiert sich für soziale Projekte vor Ort.

Vorschau

Mittelfristig ist dieser nächste Vertrag ein Puzzlestück zur Vollendung von Gündogans Glück. Doch auch sportlich ist er, trotz der nun bevorstehenden fünften Meisterschaft in sieben City-Jahren, noch nicht rundum zufrieden. 2013 verlor er mit Dortmund das Champions-League-Finale gegen Bayern, 2021 mit ManCity gegen Chelsea. Sind nun aller guten Dinge drei? Dazu muss zunächst mal an diesem Mittwoch der Titelverteidiger Real Madrid, so eine Art Phänomen der Königsklasse, ausgeschaltet werden. Nach dem 1:1 im Hinspiel möglich, aber knifflig allemal.

Reals Innenverteidiger und Gündogans Kumpel Antonio Rüdiger - wird er seinen Nationalmannschaftskollegen vielleicht sogar am Ende nach Madrid lotsen? - sagt über ihn: "Ilkay schafft es, seine Mitspieler vor, neben und hinter sich besser zu machen." Als Abwehrspieler wisse man immer, dass der Ball mit einem Pass zu Gündogan gut aufgehoben ist, weil er stets Lösungen parat habe. Im Hinspiel stießen die beiden einmal zusammen, Rüdiger hatte zuvor angekündigt, dass er auf dem Platz keine Freunde kenne. Auch im Etihad Stadium werden sich ihre Wege mutmaßlich kreuzen, wenn Gündogan als torgefährlicher Achter in den Sechzehner eindringt.

In dem Kontext ist seine Torquote umso beachtlicher: Denn der Deutsche hat sich quasi von seinem Achter-Pendant Kevin De Bruyne emanzipiert. Der Belgier spielt ebenso überragend, doch auf dem Weg nach vorne ist Gündogan nicht mehr so zurückhaltend, wenn er mit dem Belgier auf dem Platz steht. Zudem besetzt Haaland die Sturmmitte, ist klarer Zielspieler für alle, sodass auch "KDB" in seinem Offensivdrang zuweilen auf natürliche Weise eingebremst wird. Wie man sieht, treffen aber alle drei: Haaland, De Bruyne - und eben Gündogan.

Trainer Gündogan?

Das ist die Gegenwart: spannend, unvorhersehbar. Und die Zukunft? Wenn Gündogan dann irgendwann seine Karriere beendet, scheinen ihm alle Türen geöffnet. Erst in dieser Woche sagte der 32-Jährige im Interview mit dem "Manager-Magazin": "Ich habe einige Eigenschaften, die man als Führungskraft gut gebrauchen kann." Beziehen kann man das beim City-Kapitän auf einen Job als Manager im Fußball, aber auch als Trainer, die B-Plus-Lizenz hat er bereits.

Ob als Strippenzieher im Büro oder Dirigent an der Seitenlinie - die Verwandlung des Fußballers Gündogan in einen dieser Protagonisten ist nicht minder naheliegend als die Metamorphose zu Ronaldo. 

Thomas Böker