Bundesliga

Collina mahnt zu mehr Nachspielzeit - auch in der Bundesliga

Nettospielzeit ist bei der WM in Katar deutlich gestiegen

Collina mahnt zu mehr Nachspielzeit - auch in der Bundesliga

FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina fordert die Verbände zu mehr Nachspielzeit auf.

FIFA-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina fordert die Verbände zu mehr Nachspielzeit auf. picture alliance / empics

10 Minuten und 11 Sekunden hätten die WM-Schiedsrichter in Katar durchschnittlich nachspielen lassen gegenüber nur 6:30 Minuten bei der WM 2018. Die Nettospielzeit sei gegenüber dem Turnier vier Jahre zuvor von 55:41 Minuten auf 59:47 Minuten angestiegen, obwohl mehr Auswechslungen möglich waren, was immer Verzögerungen nach sich zieht. "Das Vorgehen in Katar ist ein Erfolg", sagte Collina, die Landesverbände seien nun aufgefordert, die Richtlinien des International Football Association Board (IFAB) stringenter umzusetzen.

In der Fußball-Regel 7 ist definiert, wonach der Schiedsrichter in jeder Halbzeit die Nachspielzeit kalkulieren soll. Dort ist von "Auswechslungen, verletzten Spielern, Zeitschinden, Disziplinarmaßnahmen, Trinkpausen und Videosichtungen und Videoüberprüfungen" die Rede. "Wir hatten uns vorgenommen, die Unterbrechungszeiten besser zu kalkulieren, das ist gelungen", betonte Collina.

Bundesliga hinkt anderen Ligen in Sachen Nachspielzeit hinterher

Was die Nettospielzeit von knapp 60 Minuten betrifft, hinkt die Bundesliga deutlich hinterher. Nach Berechnungen der Fifa beträgt sie in Deutschlands höchster Spielklasse nur 53:16 Minuten, die La Liga liegt auf einem ähnlichen Niveau (53:42), in der Premier League sind es 54:49 Minuten, in der Ligue 1 55:20 Minuten. Den zweithöchsten Wert nach der WM in Katar weist die Champions League mit 58:07 Minuten auf. Dabei kommt sie sogar mit einer Nachspielzeit von nur 6:09 aus, sie profitiert wohl auch davon, dass der Ball auf diesem Niveau tendenziell häufiger rollt und seltener weggeschlagen wird. Die Bundesliga hat mit 6:12 Minuten den zweitniedrigsten Wert, was die Nachspielzeit betrifft.

Wir wollen keine Spielzeit on top hinzuzufügen, sondern Unterbrechungen nachholen.

Pierluigi Collina

"Wir wollen keine Spielzeit on top hinzuzufügen, sondern Unterbrechungen nachholen. Es geht nicht darum, die Nettospielzeit von 70 auf 75 Minuten auszudehnen, wir wollen verhindern, dass der Ball nur 43 Minuten rollt wie in dieser Saison bei Aston Villa gegen FC Brentford der Fall", argumentierte Collina. "Die FIFA hofft auch auf eine erzieherische Wirkung, dass die Spieler wissen, Zeitschinden bringt nichts", sagte DFB-Regelexperte Lutz Wagner.

Spielergewerkschaft Fipro kritisiert Ausweitung der Nachspielzeit

Die Spielergewerkschaft Fifpro hat das Vorgehen der FIFA, die Nachspielzeit auszudehnen, kritisiert und sieht darin eine zusätzliche Belastung der Profis. Wenn sich der Trend in weiteren Länderspielen und den Klubwettbewerben fortsetze, bedeute das in der Summe eine Zusatzbelastung von zwei weiteren Partien pro Saison. Wissenschaftliche Untersuchungen, inwieweit zum Beispiel eine höhere Intensität während der Spiele dazu geführt habe, dass während der 90 Minuten häufiger als früher der Ball ruht, habe es nicht gegeben. Von 1990 bis 2022 ist die Nachspielzeit bei Weltmeisterschaften laut Fifpro von 3:08 auf 10:11 Minuten angewachsen.

Für den Höchstwert in Katar sorgte die Partie England gegen Iran (6:2), in der in beiden Halbzeiten insgesamt 24 Minuten nachgespielt wurden. 11:15 Minuten entfielen dabei laut FIFA-Aufschlüsselung auf die Behandlung des verletzten iranischen Torhüters Alireza Beiranvand. Weitere 3:20 Minuten verstrichen durch den Torjubel der Iraner nach dem Treffer zum 1:4-Zwischenstand sowie der Verletzung und Auswechslung von Harry Maguire. Jeder Treffer in der torreichen Partie verursachte übrigens mehr als eine Minute Unterbrechung. Was dazu führen kann, dass trotz eines klaren Zwischenstands lange nachgespielt wird.

Michael Ebert