Bundesliga

Borussia Dortmund - Kommentar zu Entlassung von BVB-Coach Lucien Favre

Kommentar

BVB unter Favre: Zu wenig Stabilität und zu viel Stillstand

Nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund: Lucien Favre.

Nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund: Lucien Favre. imago images

19 Punkte, 23:15 Tore - so lautete die Ausbeute des BVB nach elf Spieltagen in der Saison 2019/20. Und exakt so lautet sie auch in dieser Spielzeit nach dem elften Spieltag. Die Zahlen verdeutlichen am plakativsten den Stillstand, der in Dortmund unter Lucien Favre eingekehrt ist - und der am Sonntag die Trennung vom Schweizer zur Konsequenz hatte.

Manch ein Beobachter mag das für falsch halten, bloß weil der als Gruppenerster fürs Champions-League-Achtelfinale qualifizierte Klub in den vergangenen drei Liga-Spielen mal nur einen Zähler geholt hat. Doch diese Betrachtung wäre arg kurzsichtig. Denn dass etwas im Argen liegt in Dortmund, das konnte man seit Wochen, ja, eigentlich seit Monaten sehen. Zwar gab es Phasen, in denen der BVB einen Schritt vorwärts gemacht zu haben schien, doch die nächste Krise war nie weit entfernt. Zu wenig stabil war das Gebilde, zu wenig störresistent und widerstandsfähig. Das peinliche 1:5 am Samstag gegen Aufsteiger Stuttgart machte nur für alle und endgültig ersichtlich, dass eine Trennung nötig ist. Zu krass war der ungebremste und komplette Zerfall dieser mit so hochtalentierten Spielern besetzten Mannschaft binnen einer Partie.

Zu nachsichtig ging Favre mit seinen Spielern um

Kaschierte in der ersten Saisonphase oft noch die individuelle Qualität von Erling Haaland und Co., was mannschaftstaktisch und gruppendynamisch falsch lief, öffnete die Abwesenheit des norwegischen Torgaranten zuletzt auch dem letzten Favre-Verteidiger schmerzhaft die Augen: Alles, was am Samstag exemplarisch der VfB in Dortmund zeigte, ging den Schwarzgelben mehr und mehr ab: Tempo, Kreativität, Wille - und allen voran ein genauer Plan, wie man einen Gegner besiegen möchte. Viel zu wenig davon war in den vergangenen Wochen erkennbar. Und nichts ließ auf baldige Besserung hoffen. Zu nachsichtig ging Favre, dessen menschliche Qualitäten über jeden Zweifel erhaben sind, mit seinen Spielern um, zu wenig nachvollziehbar waren so manche seiner Aufstellungen, zu schwach seine Erklärungen nach dürftigen Auftritten seiner Elf.

Auch die Spieler müssen ihre Einstellung hinterfragen

Alles am Schweizer festzumachen, würde allerdings die Sicht zu sehr einengen. Auch die Verantwortlichen haben eine Teilschuld, weil sie aus Rücksicht auf das nachrückende Sturmtalent Youssoufa Moukoko und - auch das gehört zur Wahrheit - angesichts der harten finanziellen Einbußen durch die Corona-Pandemie auf die Verpflichtung eines weiteren, richtigen Stürmers verzichteten. Und auch die Spieler, die es sich zuletzt in einem freundschaftlichen Miteinander und ohne leistungsfördernde Reibung bequem gemacht hatten, stehen in der Verantwortung, sich und ihre Einstellung zu hinterfragen.

Terzic ist ganz anders als der freundlich-distanzierte Favre

In Edin Terzic setzt der BVB nun auf eine interne Lösung. Dass der 38-Jährige bereits zum Trainerteam Favres gehörte, ist kein Hindernis. Bereits in den vergangenen Monaten hatten Insider den Eindruck, als müsse sich Terzic aus Respekt vor seinem Chef bremsen. Diese Rücksicht muss er nun nicht mehr haben. Terzic, der ein einnehmender und hemdsärmeliger Typ ist - und damit ganz anders als der freundlich-distanzierte Favre -, bekommt nun die Chance, zu zeigen, dass er weit mehr ist als ein Assistent.

Zu seinen ersten Aufgaben dürfte gehören, die Mannschaft emotionaler zu packen als es Favre vermochte und so eine Reaktion auf die bittere Lehrstunde gegen Stuttgart herauszukitzeln. Zu mehr bleibt angesichts des straffen Terminplans bis zur kurzen Weihnachtspause keine Zeit. Bereits am Dienstag ist er mit seinem Team in Bremen gefordert. Denn dass der Kader mehr Potenzial besitzt, als es die vergangenen Auftritte nahelegten, ist unbestritten.

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