Bundesliga

Breite Rückendeckung für torlosen Mainz-Stürmer Ajorque

"Zuerst andere in Szene setzen zu wollen, zeichnet ihn aus"

Breite Rückendeckung für torlosen Ajorque

Warten auf den ersten Treffer: Ludovic Ajorque.

Warten auf den ersten Treffer: Ludovic Ajorque. IMAGO/HJS

Wie sich Ludovic Ajorque unmittelbar nach seiner vergebenen Großchance kurz vor der Pause gefühlt haben dürfte, konnte Teamkollege Stefan Bell im Spiel gegen Augsburg (3:1) bestens nachempfinden. Schließlich hatte der Verteidiger selbst nur wenige Minuten zuvor eine wohl noch größere Gelegenheit liegen lassen. Völlig frei war Bell zum Kopfball gekommen, sein Aufsetzer aus kurzer Distanz ging aber am Kasten vorbei. "Das war wirklich bitter, sauschlecht geköpft", blickt der Routinier erfrischend ehrlich zurück. Zugleich liefert er diese kurios klingende, aber absolut nachvollziehbare Analyse: "Ich hatte zu viel Zeit und war zu frei. Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass mich noch ein Gegenspieler stören will." Doch diesen "Gefallen" blieb ihm der eigentlich zuständige FCA-Angreifer Dion Beljo schuldig.

"Wir messen Stürmer weniger an Toren als an den Vorteilen, die sie insgesamt bringen"

Danach beschlich Bell "ein richtig beschissenes Gefühl. Jetzt weiß ich, wie es einem Stürmer manchmal ergehen muss". Eine allgemeine Aussage, die überhaupt nicht auf Ajorque gemünzt war. Die aber Zuhörer sofort den Kontext zum neuen 05-Angreifer herstellen ließ, der auch nach fünf Pflichtspielen im neuen Trikot noch auf seinen ersten Treffer wartet. Was öffentlich natürlich allmählich zum Thema wird bei der Bewertung des Ende Januar von Racing Straßburg verpflichteten Sechs-Millionen-Euro-Manns.

Und intern? "Ich denke schon, dass es ihn selbst nervt und er ein Tor für sein gutes Gefühl braucht", sagt Bell. "Aber wir als Mannschaft und auch das Trainerteam sehen das entspannter. Wir messen Stürmer weniger an Toren als an den Vorteilen, die sie insgesamt bringen. Und die sehen wir bei Ludovic."

"Er zieht viel Aufmerksamkeit des Gegners auf sich, gibt dadurch Räume für die anderen"

Konkret zählt Bell mit Blick auf den 1,96 Meter großen Hünen im Sturmzentrum auf: "Er hält Bälle, beschäftigt die Abwehr. Karim (Onisiwo, Anm. der Red.) profitiert von den Räumen, in die er dadurch laufen kann, statt sich direkt in Zweikämpfen mit den Verteidigern aufzureiben." Diese Einschätzung, Ajorque bringe bislang auch ohne selbst erzielte Tore einen Mehrwert, fällt einhellig aus. Dass die Nebenleute Onisiwo und Jae-Sung Lee zuletzt derart glänzten, habe viel mit der Präsenz des knapp 29-jährigen Neuzugangs zu tun, argumentiert Sportdirektor Martin Schmidt. Auch Coach Bo Svensson zeigt sich mit Blick auf Ajorque "nicht besorgt. Er zieht viel Aufmerksamkeit des Gegners auf sich, gibt dadurch mehr Räume für die anderen."

"Das sieht vielleicht nicht so attraktiv aus, aber so gewinnt Union Berlin auch die Spiele"

Was Onisiwo aus eigenem Empfinden bestätigt: "Ludovic ist noch nicht lange da, aber schon sehr wichtig. Er macht enorm viel für die Mannschaft, wir können viele hohe Bälle spielen. Das sieht vielleicht nicht so attraktiv aus, aber so gewinnt man Spiele. So gewinnt Union Berlin auch die Spiele." Den Eindruck, Ajorque müsse "vielleicht als Neuner vorne drin noch einen Tick egoistischer werden", will Onisiwo nicht von der Hand weisen. Aber: "Zuerst andere in Szene setzen zu wollen, zeichnet ihn doch auch aus." Ganz sicher sei, so der Österreicher: "Wenn Ludovic erstmal ein Ball da vorne reingepurzelt ist, dann geht der Knoten auf."

Wovon er redet, weiß Onisiwo schließlich zweifelsfrei: Ihm selbst wurde jahrelang eine zu geringe Torquote vorgehalten, gegen Augsburg erzielte der 30-Jährige nun seinen achten Treffer in der laufenden Spielzeit. Für Onisiwo bereits jetzt persönlicher Saisonrekord (nach sieben Toren 2018/19) - und schon drei Treffer gelangen ihm dabei an der Seite von Ajorque.  

Thiemo Müller

Vier Profis im Einserbereich, Bestnote in Köln: Die kicker-Elf des 20. Spieltags