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Bode und Baumann handeln höchst verantwortlich

Kommentar

Bode und Baumann handeln höchst verantwortlich

Gehen gemeinsam in die Zukunft bei Werder: Frank Baumann (l.) und Marco Bode, hier nach der Relegation gegen Heidenheim.

Gehen gemeinsam in die Zukunft bei Werder: Frank Baumann (l.) und Marco Bode, hier nach der Relegation gegen Heidenheim. imago images

Gewiss hat Baumann ab Sommer 2019 bei seiner Kaderpolitik kein glückliches Händchen mehr gezeigt. Die in diesem Zeitraum getätigten "Königstransfers" wie Niclas Füllkrug, Leo Bittencourt, Ömer Toprak oder Davie Selke erwiesen sich allesamt als überteuert, sei es aufgrund von Verletzungsanfälligkeit oder schlicht aus Leistungsgründen.

Davy Klaassen, der im Sommer zu Ajax wechselte, wird nicht der einzige Notverkauf bleiben, zu dem die Bremer gezwungen sind. Zur fairen Beurteilung gehört aber auch, den Anteil der Corona-Krise zu berücksichtigen. Ohne die Auswirkungen der Pandemie hätten die genannten Spieler zwar auch keine besseren Leistungen gebracht - in wirtschaftliche Schieflage wäre Werder aber nach menschlichem Ermessen nicht geraten.

Baumanns Bilanz weist etliche Pluspunkte auf

Dazu kommt: Mit seiner Personalauswahl hat Baumann seit Amtsantritt im Sommer 2016 die Skeptiker auch häufig genug eines Besseren belehrt. Ob mit der Verpflichtung von Max Kruse, der Rückholaktion von Claudio Pizarro, der Rekrutierung des bis dato unbekannten Jiri Pavlenka oder dem Aufspüren heißer Aktien wie Thomas Delaney und Milot Rashica. Dass Letztgenannter im vergangenen Sommer nicht ähnlich wie zuvor Delaney mit sattem Gewinn weiterverkauft wurde, dürfte allein der unabsehbaren Branchenkrise in Folge von Corona geschuldet sein.

Generell zeigt der Blick auf die genannten Personalien: Baumann die nötige Kompetenz als Kaderplaner grundsätzlich abzusprechen, wäre hanebüchen. Die im Sommer 2019 vorgenommene, vorzeitige Verlängerung mit Trainer Florian Kohfeldt bis 2023 wirkt im Nachhinein zwar arg euphorisch, wurde seinerzeit aber, auch vom kicker, als "starkes Signal" gewertet.

Kohfeldt 2017 überhaupt vom U-23-Coach zum Chef der Profis befördert zu haben, bleibt unstrittig ein ebenso mutiger wie gelungener Griff, stand damit doch auch Baumanns Zukunft auf dem Spiel. Ebenso wie mit der letztlich erfolgreichen Entscheidung, trotz lange Zeit desolater Entwicklung in der Fast-Abstiegssaison 2019/20 an Kohfeldt festzuhalten.

Parallel zum Bremer Absturz hat Baumann an Statur gewonnen

Was Baumann am augenfälligsten gerade als Krisenmanager qualifiziert, ist seine Persönlichkeit. Parallel zum Bremer Absturz vom Europa-League-Aspiranten zum Abstiegskandidaten hat Baumann sogar an Statur gewonnen. Der Mann, der sich in erfolgreichen Zeiten am liebsten im Hintergrund gehalten hat, stellt sich inzwischen merklich entschlossener in den Wind. Etwa, wenn er seine Geschäftsführerkollegen gegen Kritik von Altvorderen wie Jörg Wontorra verteidigt. Oder wenn er die geschrumpften Ambitionen öffentlich bar jeder Schönfärberei auf den Punkt bringt. Wohltuend realistisch, selbstkritisch, unaufgeregt und uneitel zugleich.

Dass er sich ohne Diskussion auf die Verlängerung seines Vertrags um nur ein Jahr bis 2022 eingelassen hat, sagt einiges aus. Schließlich stehen im kommenden Frühjahr die pandemiebedingt verschobenen Aufsichtsratswahlen an. Ein dann eventuell neu besetztes Kontrollgremium könnte andere Vorstellungen haben und soll in seiner Handlungsfreiheit durch die Laufzeit des Baumann-Vertrags möglichst wenig eingeschränkt sein.

Vorbildliche Unternehmensführung

Diese Überlegung zeugt nicht von mangelndem Vertrauen, sondern von maximalem Verantwortungsbewusstsein - sowohl Baumanns als auch des aktuellen Aufsichtsrats um Chef Marco Bode. Rein sportlich scheint für Bremen womöglich auf Jahre hinaus Mittelmaß das höchste der Gefühle. Baumann muss nachweisen, dass unter seiner Leitung zumindest diese Perspektive sichergestellt wird. Und dass darüber hinaus auch wieder mehr Begeisterung entsteht, etwa durch die Entwicklung hin zu einem mitreißenden Talenteschuppen. In puncto Unternehmensführung, neudeutsch "Corporate Governance", erweist sich Werder mit den selbst gewählten Rahmendbedingungen des Baumann-Deals aber auch aktuell als Vorzeigeklub.

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