Bundesliga

Bielefeld vor 50 Jahren: Dem Rausch folgt rasch die Katerstimmung

Arminias skandalöser Klassenerhalt 1971

Bielefeld vor 50 Jahren: Dem Rausch folgt rasch die Katerstimmung

Das Team von Arminia Bielefeld feierte 1971 nur für eine Nacht den Klassenerhalt, dann kam die Manipulation ans Licht.

Das Team von Arminia Bielefeld feierte 1971 nur für eine Nacht den Klassenerhalt, dann kam die Manipulation ans Licht. imago images

An jener Stätte, an der sie knapp ein Jahr zuvor mit dem 2:0-Sieg gegen Tennis Borussia den ersten von inzwischen acht Bundesliga-Aufstiegen der Vereinsgeschichte klargemacht hatten, jubelten die Bielefelder am 5. Juni 1971 erneut. Gegen Hertha BSC gab es am letzten Spieltag der Saison einen entscheidenden 1:0-Sieg, der in der Endabrechnung den Klassenerhalt des Aufsteigers bedeutete.

"Schiebung, Schiebung!"

Doch das Spiel fand unter irregulären Bedingungen statt und war Bestandteil jener verschobenen Begegnungen, die zum großen Bundesliga-Skandal 1970/71 zählten. In den Jubel der Ostwestfalen im Olympiastadion hatte sich unter den 37 000 Zuschauern bereits Zweifel gemischt. Merkwürdig passiv verhielten sich einige der bis dahin zu Hause noch ungeschlagenen Berliner gegen Arminia, die schlechteste Auswärtsmannschaft der Liga. Im Vorfeld hatte es bereits Spekulationen gegeben, das Spiel könnte "gekauft" gewesen sein. "Schiebung, Schiebung!", tönte es von den Rängen.

Sieg für 250 000 D-Mark erkauft

Und tatsächlich. 250 000 D-Mark hatten es sich die Bielefelder kosten lassen, um am Ende als Sieger vom Platz zu gehen. Rechtsaußen Gerd Roggensack spielte überraschend links - und traf dort auf Herthas Nationalspieler Bernd Patzke, der neben Tasso Wild bei den Gastgebern einer der Drahtzieher des Deals gewesen war. Bei Roggensacks Tor des Tages zum 1:0 leistete Patzke nur mäßigen Widerstand… Arminia feierte. Auch Hertha schien glücklich, zuvor eine Offerte von Bielefelds Konkurrent Kickers Offenbach ausgeschlagen zu haben. Dessen Präsident Horst-Gregorio Canellas, eine der Schlüsselfiguren im Skandal, hatte zuvor eine Siegprämie für Berlin geboten - aber nur 140 000 Mark lockermachen wollen.

Ein Tonband wird der Arminia zum Verhängnis

Nach dem Triumph feierten die Bielefelder am Abend im Strandhotel von Travemünde eine große Sause bis in den folgenden Sonntag hinein. Es war der 6. Juni 1971 - jener Tag, an dem Offenbachs Canellas prominenten Gästen aus der Fußball-Szene anlässlich seines 50. Geburtstags ein Tonband mit Telefon-Mitschnitten vorspielte, aus denen erdrückende Beweise für die Spielmanipulationen hervorgingen. Parallel wurde im Bielefelder Lager aus dem Rausch schnell Katerstimmung: Noch in Travemünde wurden Notpläne geschmiedet, wie der systematische Betrug noch zu vertuschen sei.

Letztlich aber landeten beim DFB und vor den Zivilgerichten eine Menge Beteiligte nach und nach unsanft auf der Anklagebank. Arminia wurde im Verlauf der folgenden Saison 1971/72 die Lizenz für die Bundesliga entzogen, ähnlich war es zuvor schon Kickers Offenbach, das in der betreffenden Saison auch sportlich absteigen musste, ergangen. Mit Sperren und Geldstrafen wurden darüber hinaus Spieler von Schalke 04, Hertha BSC, Eintracht Braunschweig, des 1. FC Köln, MSV Duisburg und VfB Stuttgart belegt. Zudem erhielten die Trainer Egon Piechaczek (Bielefeld) und Günter Brocker (Rot-Weiß Oberhausen, das zuvor in der Saison ebenfalls bestochen hatte) mehrjährige Sperren. Außerdem mussten Vereinsfunktionäre aus Offenbach, Oberhausen und Berlin büßen.

Michael Richter