Bundesliga

Bayerns Trainerwechsel: Vor dem Finale, auf der Autobahn, im Flieger

Ein Blick in die Vergangenheit

Bayerns Trainerwechsel: Vor dem Finale, auf der Autobahn, im Flieger

Sie alle mussten ihren Trainerstuhl bei Bayern räumen: Julian Nagelsmann, Louis van Gaal, Jürgen Klinsmann (v.li.).

Sie alle mussten ihren Trainerstuhl bei Bayern räumen: Julian Nagelsmann, Louis van Gaal, Jürgen Klinsmann (v.li.). imago images (3)

Es gibt gute, objektive Gründe für den FC Bayern, den Schnitt auf dem Trainerposten ausgerechnet jetzt vollzogen zu haben. Die gesamte sportliche Entwicklung seit Jahresbeginn 2022 zum Beispiel, oder der Verlust der Tabellenführung samt dem Fakt, seit Januar zehn Punkte weniger als Borussia Dortmund geholt zu haben. Generell gilt: Geraten die sportlichen Ziele in Gefahr und/oder hat ein Bayern-Trainer die Kabine verloren, dann wird es eng.

April 1996, die Bayern sind mit einem Sieg im Rückspiel beim FC Barcelona ins Endspiel des UEFA-Cups eingezogen, der erste internationale Titel seit 20 Jahren winkt. Doch eine Heimniederlage am 27. April gegen Hansa Rostock kostet Otto Rehhagel den Job. Mit viel Brimborium hatte der Rekordmeister den ewigen Gegner vom Erzrivalen Werder Bremen losgeeist, doch schon bald türmen sich die Probleme zwischen Mannschaft und Trainer, "König Otto" passt nicht zum FC Bayern.

Weil Borussia Dortmund in der Bundesliga vorne ist, muss Rehhagel nach nicht mal einer Saison gehen, Präsident Franz Beckenbauer übernimmt. Mit ihm holt die Mannschaft gegen Girondins Bordeaux den UEFA-Cup, Meister wird Dortmund. Und Rehhagel? Der rächt sich zwei Jahre später, indem er mit Aufsteiger Kaiserslautern sensationell den Bayern die Schale wegschnappt.

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Magaths schwere dritte Saison - Klinsmann geht ohne Titel

Felix Magath darf sich Anfang 2007 doppelter Double-Gewinner mit dem FC Bayern nennen, 2005 und 2006 hat er national alle Titel abgeräumt. Doch in seiner dritten Saison läuft es nicht wirklich, die Teilnahme an der nächsten Champions-League-Saison ist in Gefahr, ein 0:0 gegen den VfL Bochum kostet Magath am 1. Februar 2007 den Job. Mit Ottmar Hitzfeld kehrt ein alter Bekannter zurück und verliert gleich mal 0:3 beim 1. FC Nürnberg. Die Champions League verpassen die Münchner zum letzten Mal bis zum heutigen Tag, ein Jahr später geht Hitzfeld - als Double-Sieger.

Jürgen Klinsmann schafft wie Rehhagel keine ganze Saison. Er ist der bislang letzte Trainer, der zu Saisonbeginn kam und ohne Titel wieder gehen muss. Dabei hatte Manager Uli Hoeneß bereits Jürgen Klopp, damals noch in Mainz, für die Hitzfeld-Nachfolge kontaktiert und Verhandlungen in Aussicht gestellt, ehe Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit der Idee Klinsmann um die Ecke kam. Keine gute, wie man heute weiß. Beim FC Barcelona steht es im Viertelfinale der Champions League schon zur Halbzeit 0:4, beim späteren Meister in Wolfsburg wird Klinsmanns Team mit 1:5 gedemütigt, Schluss ist wie bei Rehhagel am 27. April. Jupp Heynckes kehrt ein erstes Mal aus dem Ruhestand zurück und rettet mit vier Siegen aus den letzten fünf Spielen die Qualifikation zu Europas Königsklasse.

Van Gaal baut auf Kraft und fällt - Ancelottis Team ein Staat im Staate

Auf Interimslösung Heynckes folgt Louis van Gaal, der den Bayern Struktur und das 4-2-3-1 implementiert, der Beginn einer neuen Ära beim Rekordmeister. In der ersten Saison verhindert lediglich Inter Mailand im Champions-League-Finale das erste Triple der Vereinsgeschichte, in der zweiten wird das Verhältnis zwischen dem eigenwilligen Coach und den Bossen immer kühler. Dumm für van Gaal, dass es sportlich nicht läuft. Ins Tor stellt er Eigengewächs Thomas Kraft, die Bosse haben derweil längst einen gewissen Manuel Neuer verpflichtet. Konflikte ohne Ende. Am 9. April 2011 patzt Kraft in Nürnberg, nach dem 1:1 fällt schon auf halber Strecke auf der A9 nach München der Entschluss, sich vom Niederländer zu trennen. Assistent Andries Jonker führt das Team wie Heynckes zwei Jahre zuvor mit vier Siegen aus fünf Spielen in die Champions League, Meister wird Klopp mit Dortmund.

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Nach dem Triple 2013 unter Heynckes und drei Jahren Pep Guardiola soll 2016 Carlo Ancelotti eine neue Erfolgsära einleiten, der nachweislich überall auf der Welt erfolgreich gearbeitet hat. Der Trugschluss: Nach dem strengen, mitunter nervigen Guardiola soll Lebemann Ancelotti mit seiner Lockerheit neue Energie freisetzen. Im ersten Jahr wird Ancelotti Deutscher Meister, scheitert aber im DFB-Pokal daheim an Dortmund und in Europa an Real Madrid. Sein italienisches Trainerteam ist ein Staat im Staate, dennoch gehen die Münchner mit ihm in eine zweite Saison. Aber nur bis zum 27. September 2017. Im Champions-League-Spiel bei Paris St. Germain verzichtet Ancelotti freiwillig auf Arjen Robben, Franck Ribery, Mats Hummels und Jerome Boateng und verliert mit 0:3. Als die Münchner am nächsten Tag in der Heimat landen, ist die Entlassung des Italieners besiegelt. Jupp Heynckes übernimmt ein viertes und letztes Mal die Bayern und wird souverän Deutscher Meister.

Kovac übersteht zweite Herbst-Krise nicht - Flick schreibt Geschichte

Weil jedoch Hoeneß, mittlerweile Präsident, zu lange auf eine weitere Saison mit Heynckes hofft und damals noch Thomas Tuchel verhindern will (seine Meinung hat er übrigens längst geändert, heute denkt er positiv über ihn), kommt Niko Kovac 2018 aus Frankfurt - mit der Empfehlung des DFB-Pokalsiegs gegen die Heynckes-Bayern. Den ersten Herbst übersteht Kovac trotz Krise noch, in der Rückrunde raffen sich die Münchner zu einer Energieleistung auf, überholen trotz Neun-Punkte-Rückstand schwächelnde Dortmunder und gewinnen neben der Meisterschaft auch den Pokal.

Trotz Double ist Insidern schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass es mit Kovac nicht mehr lange gutgehen wird. Sein Verhältnis zu weiten Teilen des Teams ist gestört, der Bayern-Fußball nicht gut, die nächste Herbst-Krise kommt 2019 mit Ansage. Ein 1:5 bei Eintracht Frankfurt ist das Ende, am 3. November übernimmt Assistent Hansi Flick und schreibt mitten in der Corona-Pandemie Geschichte: Alle sechs möglichen Titel innerhalb eines Jahres sind Rekord und hat europaweit sonst nur der FC Barcelona 2009 geschafft.

Als Flick amtsmüde wird, übernimmt 2021 Nagelsmann. Und muss nun mit einer Deutschen Meisterschaft im Lebenslauf gehen. Beide Seiten hatten sich mehr versprochen. Tuchel übernimmt mit fünf Jahren Verzögerung. Wie diese Geschichte wohl enden wird?

Frank Linkesch

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