Bundesliga

Bayerns Halbjahresfazit: Pokal-Aus, Platz 2 und Fortschritt

Tuchel, Kane, viel Kreativität und Neuers Comeback

Bayerns Halbjahresfazit: Pokal-Aus, Platz 2 und dennoch Fortschritt

Gesichter der Bayern-Hinrunde: Manuel Neuer, Leroy Sané, Harry Kane (v. li.).

Gesichter der Bayern-Hinrunde: Manuel Neuer, Leroy Sané, Harry Kane (v. li.). imago images (3)

Das erste Halbjahr ist rum für den FC Bayern. Aufgrund der wegen heftigen Schneefalls in München verschobenen Partie gegen Union Berlin mit einem Ligaspiel weniger als die Konkurrenz. Es wird am 24. Januar, Mittwochabend um 20.30 Uhr, in der Allianz Arena nachgeholt. Derzeit rangieren die Bayern nach für sie 15 Spielen auf Platz 2 - mit vier Zählern Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen.

Wenn sich die Münchner Verantwortlichen in den kommenden Tagen und nach ein bisschen Weihnachtsruhe zusammensetzen, um die vergangenen Monate zu analysieren, werden sie in ihrer Aufarbeitung unterschiedlich gewichten. Das 0:3 im Supercup gegen Leipzig wird nicht sehr in die Wertung einfließen; das 1:2 in der zweiten Runde des DFB-Pokals bei Saarbrücken dafür umso mehr, ähnlich wie das 1:5 in Frankfurt. Weil die Niederlagen, wenngleich es sich um völlig unterschiedliche Spiele handelte, nach beinahe denselben Mustern erfolgten. Unkonzentriertheiten, Ballverluste, krasse individuelle Patzer.

Gerade die Fehler einzelner Spieler sind es, die Magenschmerzen bereiten. Weil dadurch die Qualitätsfrage gestellt werden muss. Wenig überraschend also, dass - wie schon im Sommer - einmal mehr der Kader im Detail durchleuchtet wird; dass selbst große Namen hinterfragt werden. Auch die Diskussion um die Führungsspieler wird geführt an der Säbener Straße. Beantworten die Entscheider diese Frage ehrlich, bleiben Manuel Neuer und Thomas Müller als Leader, mit Abstrichen Harry Kane, der in Wolfsburg sein 21. Ligator erzielte (Robert Lewandowski hält mit 22 Treffern in einer Hinserie den Rekord); Matthijs de Ligt war einst für die Defensive dafür vorgesehen, ist aber zu oft verletzt.

Rekord-Kane und Aussprache zwischen Nagelsmann und Neuer

Das herausragende Duo dieses ersten Teils der Saison waren Kane und Leroy Sané (mit einem Schnitt von 2,27 notenbester Bayern-Spieler), das sich in Windeseile gefunden und begeistert hat. Der Engländer sammelte schon 26 Scorerpunkte - Liga-Topwert; wettbewerbsübergreifend sind es 33. Der Partner auf dem Flügel hat schon jetzt mehr direkte Torbeteiligungen als in der gesamten vergangenen Spielzeit, kommt national auf acht Tore und neun Assists. Die beiden machen Bayerns Offensive unberechenbar. Vor allem Neuzugang Kane zieht die Massen an. Noch nie wurden von einem Spieler in einer ganzen Saison so viele Trikots verkauft, wie das von Kane nur bis Weihnachten. Die 100.000er-Marke soll er als erster Bayern-Profi im kommenden Halbjahr knacken.

Zum Thema

Erfreulich für den FC Bayern darüber hinaus: die Leistungen von Sven Ulreich, der Manuel Neuer verlässlich vertrat - und natürlich das Comeback der Nummer 1. Nach zehn Monaten kehrte der Kapitän in einem Pflichtspiel zwischen die Pfosten zurück. Seither läuft es für ihn, er fühlt sich zunehmend wohler, gewinnt mehr und mehr an Rhythmus. Auch das Nationalmannschafts-Comeback bahnt sich für die Länderspiele im Frühjahr an. Etwaige Differenzen mit Bundestrainer Julian Nagelsmann, auch wegen des Aus von Bayerns ehemaligem Torwarttrainer Toni Tapalovic im vergangenen Januar, sollen ausgeräumt sein, die beiden in gutem Kontakt stehen.

Tel erzielte als Joker drei wichtige Siegtreffer

Ulreich, Neuer, Kane und Sané prägten die erste Hälfte der bayerischen Saison 2023/24. Nicht zu vergessen: Youngster Mathys Tel, der mit nur 18 Jahren die Verantwortlichen mit seiner Mentalität überzeugt, mit dem Bestreben nach täglicher Verbesserung - und nicht zuletzt mit seinen Torbeteiligungen. In elf Bundesliga-Einsätzen und sechs in der Champions League bei insgesamt nur 323 Minuten stehen wettbewerbsübergreifend acht Scorerpunkte zu Buche. Darunter spielentscheidende wie beim 2:1-Siegtreffer in Mönchengladbach, dem 4:2 beim 4:3 gegen Manchester United, dem Tor zum 2:1 in Kopenhagen oder seinem Assist zum zwischenzeitlichen 2:1 beim 2:2 gegen Leverkusen. Wertvolle Momente dieses so jungen Angreifers, der mitverantwortlich ist, dass Bayern gerade zu Saisonbeginn die knappen Spiele für sich entscheiden konnte.

Mathys Tel

Jung und vielversprechend: Sturm-Talent Mathys Tel. IMAGO/Philippe Ruiz

Spieler müssen kritikfähiger werden

Ohnehin befindet sich der deutsche Rekordmeister mit Chefcoach Thomas Tuchel, dessen öffentliche Aussagen oft kritisch betrachtet werden, auf dem Weg zurück zur Stabilität. Mit seiner schonungslos offenen Art haben einige - in den vergangenen Jahren zu weich in Watte gepackte - Profis ihre Probleme. Andere Spieler indes schätzen den fußballerischen Ansatz Tuchels enorm, sie sagen, es sei der genau richtige Weg und für manche Kollegen an der Zeit zu lernen, mit der sachlich-inhaltlichen Kritik des sehr fordernden Cheftrainers umzugehen.

Nun überwintert der Rekordmeister eben auf Platz 2. Im Vorjahr, als die Hinserie hochgelobt wurde, grüßten die Bayern nach 15 Partien zwar von der Tabellenspitze, allerdings mit nur 34 Zählern, bei vier Remis und einer Niederlage. Jetzt haben die Münchner vier Punkte mehr. Es ist die beste Ausbeute seit acht Jahren. In der Champions League haben sich die Münchner souverän und ohne Niederlage - mit 16 Zählern - für die K.-o.-Phase qualifiziert. Nur der DFB-Pokal tut extrem weh, vor allem auch deshalb, weil sich der FCB bereits in den drei Vorjahren nicht sonderlich gut geschlagen hatte.

Bislang musste der FC Bayern all seine Spiele mit einer dünnen Abwehr bestreiten, viele Verletzte waren zu beklagen, Zeit für Rotations- oder Belastungssteuerungsmaßnahmen gab es nicht. Doch jetzt im Winter wird nachgelegt. Was die Münchner grundsätzlich nicht verschlechtern sollte.

Georg Holzner