2. Bundesliga

HSV: Baumgart zwischen Brandrede und Selbstanklage

HSV-Trainer beklagt fehlende Mentalität: "Mir haben viel Herz und Leidenschaft gefehlt"

Baumgart zwischen Brandrede und Selbstanklage

Er bemängelte Mentalität bei seiner Mannschaft: Steffen Baumgart.

Er bemängelte Mentalität bei seiner Mannschaft: Steffen Baumgart. imago images

Unter Tim Walter hatte der einstige Bundesliga-Dino für mitreißende Spektakel gestanden, allerdings auch für einen Fußball, der letztlich nicht aufstiegstauglich war. Unter Steffen Baumgart steht der HSV, bei Licht betrachtet, für noch nichts.

Der 52-Jährige hat den Ansatz seines Vorgängers, die Gegner durch lange Ballstafetten und ständige Positionswechsel bis hin zur Unordnung in den eigenen Reihen aus nachvollziehbaren Gründen eingemottet. Das Problem zumindest gegen das Schlusslicht aus Niedersachsen war: Gegen einen tiefstehenden Gegner lief der Versuch, frühe Pressing-Momente auszulösen, komplett ins Leere. Baumgart will naturgemäß nach zwei Wochen im Amt keine Systemdebatte führen und sagt: "Wir hatten Ballgewinne, es ging eher darum, was machen wir danach daraus?" Seine Antwort: "Es ging um die richtigen Lösungen. Was mir fehlt, ist die Klarheit im Spiel."

Doch der gebürtige Rostocker vermisste zumindest an diesem schlimmen Sonntag noch weitaus mehr. Einige Auszüge aus seiner Analyse klingen wie eine Brandrede, andere wie eine Selbstanklage. "Mir haben viel Leidenschaft und viel Herz gefehlt. Es ist jetzt meine Aufgabe, die Dinge zu hinterfragen. Wir brauchen eine Mentalität, die allen Menschen zeigt, dass wir aufsteigen wollen. Die habe ich nicht immer gesehen. Wir müssen bei der Mentalität einen gewaltigen Schritt machen."

Das nehme ich dann auf mich.

Steffen Baumgart

Gegen einen Widersacher, der am Sonntag das Messer zwischen die Zähne nahm, hätte Baumgart von den Seinen erwartet, "dass wir auch das einbringen, was der Gegner einbringt". Dass dies ausgeblieben ist, findet er "einfach enttäuschend". Das letztlich völlig verdiente Ergebnis gegen am Ende nur noch zehn Lila-Weiße "eine Katastrophe".

Baumgart bezieht sich in die Generalkritik aber ganz ausdrücklich auch selbst mit ein. "Wenn wir sagen, dass Osnabrück bei Standards gefährlich ist, und wir dann beide Gegentore nach Standards kassieren, dann ist es meine Arbeit, das klarer zu machen. Das nehme ich dann auf mich."

Diese Selbstkritik übt er auch bezüglich der fehlenden Klarheit im Spiel. "Es ist meine Arbeit, den Jungs die Ruhe und Klarheit zu geben. Das ist mir noch nicht gelungen." Tatsächlich wirkt Baumgarts neue Mannschaft in diesen ersten Tagen und Wochen nach Walter gefangen zwischen zwei Ideen: Sie spielt nicht mehr dominant Fußball, sie attackiert aber auch noch nicht mit voller Überzeugung.

Van der Brempt als Sinnbild

Gegen den VfL mündete das in einem Auftritt, der ideen- und streckenweise gar leidenschaftslos dahinplätscherte. Und bei dem Verunsicherung, die in den letzten Wochen unter dem alten Trainer um sich gegriffen hatte, nicht nur noch nicht verschwunden ist, sondern gar noch zuzunehmen scheint.

Beispielhaft dafür steht Ignace van der Brempt, der im Sommer vergangenen Jahres in Hamburg loslegte, als sei er zu gut für diese Liga, sich aber mittlerweile zur Fehlerquelle entwickelt hat. Sein tölpelhaft verursachter Strafstoß eine Minute vor dem bitteren Ende gegen den VfL, ist Ausdruck und Tiefpunkt einer seit Wochen sichtbaren Fehl-Entwicklung.

Zumindest während seiner ersten Wochen an seinem Sehnsuchtsort Hamburg hat der einstige HSV-Fan Baumgart noch weit mehr Probleme als Lösungen. "Ich bin überzeugt davon, dass sie es können", sagt er über seine neuen Spieler, "es geht für mich darum, sie dahin zu kriegen, wo sie stark sind." Dass dies nicht durch Handauflegen gelingen wird, ist allerspätestens seit dem Sonntag für jedermann ersichtlich geworden und auch ihm selbst klar: "Es ist ein hartes Stück Arbeit." Womöglich gar das härteste in seiner bisherigen Trainerkarriere.

Sebastian Wolff

Steffen Baumgart wird neuer HSV-Trainer. ARCHIVFOTO; Steffen BAUMGART (Trainer 1.FC Koeln), Gestik,gibt Anweisungen, Einzelbild,angeschnittenes Einzelmotiv,Halbfigur,halbe Figur. Fussball 1. Bundesliga Saison 2022 2023, 27.Spieltag, Spieltag27, FC Augsburg - 1.FC Koeln 1-3 am 08.04.2023, WWK ARENA Augsburg. Â *** Steffen Baumgart becomes new HSV coach ARCHIVE PHOTO Steffen BAUMGART coach 1 FC Koeln , gestures, gives instructions, single image, cropped single motif, half figure, half figure Football 1 Bundesliga season 2022 2023, 27 Matchday, Matchday27, FC Augsburg 1 FC Koeln 1 3 on 08 04 2023, WWK ARENA Augsburg Â

"Der HSV hat Baumgart nicht ausgewählt, weil er HSV-Fan ist"

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