Bundesliga

Kommentar zum Bundesliga-Abstieg von Arminia Bielefeld

Kommentar zum Bielefelder Abstieg von Michael Richter

Arminias Abstieg: Der Misserfolg hat viele Väter

Für Arminia Bielefeld geht es bereits zum achten Mal zurück in die 2. Bundesliga.

Für Arminia Bielefeld geht es bereits zum achten Mal zurück in die 2. Bundesliga. IMAGO/Sven Simon

Momente wie diese sind langjährige Begleiter der Arminia gewohnt: Ein Abstieg, mittlerweile der achte aus der Bundesliga, zu dem sich seit 2011 auch noch zwei Abstiege aus der 2. Liga gesellten - so etwas gehört ganz offensichtlich einfach immer wieder einmal dazu in diesem Verein.

Im Mai 2022 ist er ärgerlich und frustrierend, weil er unnötig ist und zu verhindern gewesen wäre. Und das nicht nur, weil noch am 23. Spieltag angesichts von sechs Punkten Vorsprung vor jenem Platz, den man jetzt in der Endabrechnung einnimmt, und einem "machbaren" Restprogramm alle Optionen bestanden, die Liga ein zweites Mal in Folge zu erhalten.

Ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase ließ die Mannschaft fast durchweg alle nötigenden Eigenschaften vermissen und den offiziellen Slogan des Klubs - "stur, hartnäckig, kämpferisch" - zum reinen Marketinggag verkommen. Das schmerzt, wenn man nicht viele andere Tugenden in die Waagschale werfen kann.

Bielefeld fehlten die Routiniers, Automatismen und spielerische Klasse

Das schwache Schlussdrittel der Saison ist natürlich ein wichtiger Aspekt bei der Aufarbeitung. Der Misserfolg hat in Bielefeld viele Väter. Bei der Kaderzusammenstellung vor der Saison und in deren Verlauf versäumte man, zusätzlich zum lobenswerten Ansatz, junge, interessante Spieler nach und nach ins Team einzubauen, auch ausreichend routinierte, erstligaerprobte Schlagkraft, vor allem für das Offensivspiel, zu verpflichten.

Dem Trainerstab gelang es nicht, aus dem vorhandenen Potenzial Substanzielles zu generieren, einen tauglichen Plan für den Existenzkampf in der Bundesliga zu entwickeln. Es fehlte nahezu durchweg an Automatismen, an Ideen, an klaren, Sicherheit gebenden Abläufen in der Spielanlage bis hin zu einer Gefährlichkeit bei Standardsituationen, die die fehlende spielerische Klasse vielleicht etwas kompensiert hätte.

Und es fehlte wiederum den Spielern ab einem gewissen Zeitpunkt an der Überzeugung, dass Chefcoach Frank Kramer ihnen genau diese Festigkeit noch würde vermitteln können. So stimmte schließlich nicht mehr viel bei Arminia. Die Führung erkannte dies womöglich, reagierte mit dem Wechsel auf dem Trainerposten zu spät und erst, als das Ruder kaum mehr herumzureißen war.

Das ständige Kleinreden der eigenen Fähigkeiten war kontraproduktiv

So erlebte die Liga eine Arminia, die punktuell mit guten Einzelspielern wie den aufblühenden Patrick Wimmer oder Masaya Okugawa sowie Klasse-Torhüter Stefan Ortega Moreno bestenfalls wie ein Projekt wirkte, selten aber wie ein an sich glaubendes, homogenes Konstrukt. Zumal alte Führungsspieler wie Kultfigur Fabian Klos, der mit der Kapitänsrolle überforderte Manuel Prietl, Abwehrstrategen wie Cedric Brunner und Amos Pieper sportlich, persönlich und auch von Verletzungen geschwächt nicht in der Lage waren, eine eingeschworene Einheit enstehen zu lassen, die verbissen und kompromisslos ein zweites Mal nach 2021 im Oberhaus ihren Weg geht.

Kontraproduktiv in diesem Zusammenhang oft auch die unterschwelligen Verweise darauf, eigentlich vom Zuschnitt ja gar nicht in diese Liga zu gehören. Understatement kann zu einem liebenswerten Image beitragen, ständiges Kleinreden aber den nötigen, unbändigen Willen irgendwann auch unterspülen. So hat Arminia sportlich eine gute Perspektive, sich etwas weiter oben im deutschen Fußball festzusetzen, grandios verspielt.

Bielefelds Gang in die 2. Liga ist ein Abstieg, kein Absturz

Wirtschaftlich wird der Gang in die 2. Liga durch die zuletzt stets sorgfältigen Planungen und die Unterstützung regionaler Unternehmen im "Bündnis Ostwestfalen" trotz der üblichen, notwendigen Einschnitte abgefedert. Ein Fall ins Bodenlose, verbunden mit Angst um die Existenz, droht im Vergleich zu früher somit nicht. Es ist ein Abstieg, kein Absturz.

Und: Es bleiben für die 2. Liga zumindest einige für diese Spielklasse nominell überdurchschnittliche Spieler, ein intaktes Umfeld mit Stadion und Fans. Die Aussicht also, dass es zumindest mittelfristig nach einer Kehrtwende wieder aufwärtsgehen kann, ist in vielerlei Hinsicht gegeben. Zumal mit der überraschenden Vertragsverlängerung von Klub-Ikone Fabian Klos ein Stück Identität der zurückliegenden Erfolgsjahre bewahrt wird. Eine emotional wichtige Weichenstellung, die Mut macht. Nach der jedoch müssen weitere in der anstehenden Trainerfrage, aber auch beim Umbruch der Mannschaft gelingen.

In Bielefeld sollten und dürfen alle nun erst einmal traurig sein. Und dann können sie im Vertrauen auf die Geschichte wieder fest an das glauben, was in diesem Verein ja auch regelmäßig dazugehört: An einen Aufstieg. In diesem Fall dann Aufstieg Nummer neun.

Michael Richter

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