Bundesliga

Angst, Drama, Tränen: Der Abstieg kennt keine Verwandten

Wen erwischt es diesmal?

Angst, Drama, Tränen: Der Abstieg kennt keine Verwandten

Tränen und Trauer sind treue Begleiter nach der Gewissheit eines Abstiegs.

Tränen und Trauer sind treue Begleiter nach der Gewissheit eines Abstiegs. picture-alliance

Der 34. Spieltag - oder: Rette sich, wer kann. Aber: Wer kann? In den letzten 90 Minuten im Keller der Bundesliga spielten sich oft Dramen ab, die manche Klubs bis heute nicht verdaut haben.

An diesem Samstag sieht es so aus: Der 1. FC Köln muss gegen Schalke gewinnen, um überhaupt eine Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Klingt einfach, jedoch: In dieser Saison gewann der FC exakt sieben Spiele. Wieso sollte er eingedenk der psychischen Belastung nun sein achtes Spiel gewinnen? Was für Köln gilt, gilt ebenso für Werder. Auch hier lächerliche sieben Siege. Die Bielefelder durften achtmal jubeln. Verlieren alle drei, steigen die Kölner ab, dies ist das wahrscheinlichste Szenario.

Aber: Der Abstiegskampf am letzten Spieltag hielt häufig Überraschungen bereit. Weil die Angst regierte, Kopf und Beine lähmte. Die Dramen sind programmiert, die Tränen werden fließen. Werden es Tränen der Freude oder der Enttäuschung? Bald wissen wir mehr.

1996: Die Tränen der Weltmeister

Wie kaum ein anderes Bild, das vom Abstieg zeugt, hat sich dieses eingebrannt. Dieser Moment, in dem Rudi Völler seinen Freund Andreas Brehme in den Arm nimmt, der so verzweifelt wie erfolglos versucht, den Tränenbach zu stoppen, der aus seinen Augen strömt. Es ist der 18. Mai 1996, ein Nachmittag, den beide Weltmeister nie vergessen werden.

Hier Völler, der in seinem letzten Spiel als Profi mit Bayer Leverkusen dem Abstieg entrinnt. Dort Andreas Brehme, der mit dem 1. FC Kaiserslautern den Weg in die Zweitklassigkeit gehen muss. Zwei Weltmeister, deren Gefühlslage an diesem Tag nicht unterschiedlicher sein könnte. Zwei Freunde, der eine tröstend, der andere untröstlich. 1996 geschah dies in einem dramatischen Bundesliga-Finale. Der FCK brauchte den Sieg, Bayer einen Punkt. Am Ende stand es 1:1, die Lauterer stürzten über die Klippe, mitten hinein in die Zweitklassigkeit. Der Abstieg kennt keine Verwandten, er verschont nicht, er macht auch nicht vor Weltmeistern halt. Wenn er loslegt, bleibt kein Auge trocken. Dann frisst die Angst die Seele auf.

1999: Nürnbergs Meldung vom Abgrund und Baumanns "schwärzester Moment"

Drei Jahre nach dem Drama in Leverkusen erwischt es den 1. FC Nürnberg eiskalt. Drei Punkte und fünf Tore Vorsprung auf Abstiegsplatz 16, den die Frankfurter Eintracht belegt, zwei Zähler mehr als Rostock, einer mehr als der VfB Stuttgart - was soll da am letzten Spieltag passieren? Als alles stillsteht, fließen in Franken Tränen, Radio-Reporter Günter Koch meldet sich aus Nürnberg vom Abgrund. 1:2 gegen Freiburg, punktgleich mit Frankfurt, aber vier Tore weniger erzielt. Ein Drama!

Dabei hatte Trainer Friedel Rausch Tage vor der Blamage orakelt: "Es wird einer absteigen, der jetzt noch gar nicht daran denkt ..." - und dachte dabei natürlich nicht an seinen Club. Frank Baumann, einer der aktuell Beteiligten, ist auch damals an Bord. Der Mann, der heute in Bremen die sportlichen Geschicke leitet, hätte damals noch alles wenden können. Doch kurz vor Schluss scheitert er mit einer Monsterchance, freistehend, keine fünf Meter vor dem Tor. Einen Tag später sagt er im kicker: "Das war der schwärzeste Moment in meiner Karriere."

Es wird einer absteigen, der jetzt noch gar nicht daran denkt ...

Friedel Rausch

"Der Glubb is a Depp", sagt man in Nürnberg gerne über den ruhmreichen Verein, der es 1969 als erster amtierender Deutscher Meister schaffte, in die Zweitklassigkeit abzusteigen. 38 Jahre später gelang ihm dies auch als Pokalsieger. Was für ein Double!

2006 - dieser Abstieg ist für den FCK fatal

Zehn Jahre nach dem oben erwähnten ersten Abstieg aus der Bundesliga wackelt der 1. FC Kaiserlautern 2006 erneut bedenklich. "Duell am Abgrund" titelt der kicker vor dem Spiel der Roten Teufel beim VfL Wolfsburg, der um einen Punkt besser dasteht und ein Remis braucht. Knapp eine Stunde Hoffnung zerstören dann die Wolfsburger Makiadi und Klimowicz mit ihren Treffern, am Ende reicht es nur zum 2:2 - der FCK steigt ab und von den Folgen soll er sich bis heute nie mehr richtig erholen. Zwar gelingt noch einmal die Rückkehr in die Bundesliga, doch nach dem neuerlichen Abstieg 2012 ist der stolze Klub von Fritz Walter endgültig fester Bestandteil des unterklassigen Fußballs. Der dritte Abstieg war einer zu viel.

Die Frage nach dem Kölner Selbstverständnis

Erwischt es am Samstag die Bielefelder Arminia, wäre dies für die Ostwestfalen der achte Fall in die Zweitklassigkeit, womit man Rekordhalter Nürnberg (neun Abstiege) nah auf die Pelle rücken würde. Der siebte Knockdown wäre es für den 1. FC Köln, allerdings in nur 23 Jahren seit der Premiere 1998. Da sei die Frage erlaubt, warum immer noch viele Menschen in und um diesen Klub herum denken, der FC "gehört einfach in die Liga". In der Realität sprechen wir von einem Fahrstuhlverein, der statistisch gesehen alle drei Jahre absteigt.

Das ist der SV Werder Bremen nicht. Einmal erst stiegen die Grün-Weißen ab, 1980 war das. Davon erholten sie sich formidabel, gehörten lange zum Besten, was der deutsche Fußball zu bieten hatte. Ob sie das noch einmal so hinkriegen würden?

Frank Lußem