Bundesliga

René Adler: "Jeder Spieler sollte Chef seiner Karriere sein"

App soll für besseren Marktüberblick sorgen

Adler: "Jeder Spieler sollte Chef seiner Karriere sein"

Will das Transfergeschäft mit einer App erleichtern: René Adler.

Will das Transfergeschäft mit einer App erleichtern: René Adler. Getty Images

Herr Adler, wann hatten Sie Ihren ersten Spielerberater?
Direkt mit 15, als ich von Leipzig nach Leverkusen wechselte. Vor dem Wechsel klingelte jeden Abend zehnmal das Telefon, immer waren Spielerberater oder Scouts dran, von Nottingham Forest bis hin zu Top-Bundesligisten. Wir fühlten uns überfordert und entschieden uns für meinen damaligen Berater, bei dem ich lange blieb.

Warum hatten Sie sich damals für ihn entschieden?
Um ehrlich zu sein, objektive Gründe gab es nicht, außer dass er schon mit einigen Spielern zusammenarbeitete und auch aus der ehemaligen DDR kam. Da hatte er ein paar Credits bei meinen Eltern. Messbar vergleichen zwischen Beratern können Profis bis heute nicht. Es gibt keine Berater-Bibel, in der steht, was man einen Berater vorher fragen muss und woran seine Tätigkeit bemessen wird. Am Ende des Tages war es ein Bauchgefühl.

Tauschen sich Profis nicht in der Kabine über ihre Erfahrungen aus?
Doch, das ist kein Tabuthema wie der Gehaltsscheck. Es ist manchmal sogar ein bisschen Empfehlungsmanagement, einige Spieler sind fast schon Vertriebler für ihre Agenturen. Viele Spieler sind aber auch einfach überzeugt von ihren Beratern und erhalten eine entsprechend gute und seriöse Betreuung.

Die 11Transfair-App: Der Spieler legt ein Profil an und kann Wünsche hinterlegen. Passen diese mit der Suche eines Klubs zusammen, dann können beide Seiten auf Wunsch entanonymisierten Kontakt aufnehmen.

Die 11Transfair-App: Der Spieler legt ein Profil an und kann Wünsche hinterlegen. Passen diese mit der Suche eines Klubs zusammen, dann können beide Seiten auf Wunsch entanonymisierten Kontakt aufnehmen. 11Transfair-App/kicker

Sie haben zuletzt fehlende Transparenz im Markt bemängelt und wollen nun mit Ihrer neuen Plattform für ebendiese mitsorgen. Warum?

Weil viele Profis alles wegdrücken, was außerhalb des Platzes passiert. Auch auf meine frühere Bequemlichkeit und teils naiv akzeptierte Hingabe zu Dritten hat mich mein Mitgründer Daniel Schollmeyer über Jahre als Rechtsanwalt immer wieder aufmerksam gemacht, wobei er oft einen roten Kopf bekam (lacht). Ich und viele Kollegen wären damals sofort auf eine 11Transfair-App gegangen. Daniel hat etwas Ähnliches in der anspruchsvollen und schwierigen Branche "Juristen" aufgezogen, diese Klientel fordert täglich Transparenz, Seriosität und Kontrolle ein. Unsere langjährige Erfahrung aus Profifußball, Personalwirtschaft, Unternehmensführung und Juristerei haben wir optimal zusammengeführt, um auch im Fußballtransfergeschäft bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.

Warum sollen diese nötig sein?
Spieler haben ansonsten kaum Möglichkeiten, eigenständig anonym den Markt abzuklopfen, und tappen oft im Dunkeln. Nun kann man sich die Frage stellen, ob es Sinn ergibt, seine Karriere nur in fremde Hände zu legen und Optionen zu limitieren, oder offen mit seinem Beraterteam zusammenzuarbeiten und vervollständigten Optionen nachzugehen. Wir wollen Hilfestellungen geben, für des Spielers wichtigstes Gut: seine Karriere.

Warum agieren Fußballer in Ihren Augen derart unselbstständig?
Das liegt ein bisschen am System, womit sich auch meine Masterarbeit bei der UEFA zum Thema Persönlichkeitsentwicklung befasst. Wir haben in Deutschland viel richtig gemacht mit den Nachwuchsleistungszentren, leider hat sich das in einigen Teilsegmenten jedoch ein wenig in die falsche Richtung entwickelt. Im Werben um die Toptalente wird den Jungs alles abgenommen. Du wirst dahin erzogen, dich nicht mit Alltagsproblemchen auseinanderzusetzen. Ich verfolge eher die Philosophie "Hilfe zur Selbsthilfe" und hätte mir gewünscht, dass ich das schon früher erkannt hätte.

War das zu Ihrer Zeit anders?
Nein, ich nehme mich da komplett mit rein. Auch für mich war es eine Challenge, trotz aller Privilegien, die man als Ex-Fußballer hat, nach der Karriere den nahtlosen Übergang zum normalem Leben zu vollziehen. Wer sich als Mensch entwickelt, entwickelt sich auch als Fußballer. Wahrscheinlich denken viele: Den Reisepass verlängert man beim Teammanager (lacht).

Aber letztlich sind doch auch U-17-Spieler gefühlt Vollprofis, die noch dazu die Schule bewältigen müssen und fürs Drumherum keine Zeit haben ...
Es ist Wahnsinn, wie eng man als Talent eines Bundesligavereins getaktet ist. Und mal ehrlich, so ein Top-Nachwuchsspieler hat mit Schule und Training einen stressigeren Tag als ein Profi. So ist es nachvollziehbar, dass Vereine den Jungs möglichst viel abnehmen wollen. Wir brauchen jedoch eine gute Balance, denn die wenigsten werden wirklich Berufssportler. Immerhin arbeitet der ein oder andere Verein daran, den Spielern ihre Privilegien aufzuzeigen, etwa durch karitative Tätigkeiten. Grundsätzlich sollte jeder Spieler den Überblick behalten und Chef seiner Karriere sein. Er muss Entscheidungen selbst treffen und auch verstehen. Die Eigenverantwortung der Spieler zu schärfen ist maßgeblicher Treiber für die Entwicklung unserer App.

Das impliziert, dass Spieler nicht immer eigenverantwortlich handeln ...
Mit 15 zerren alle an dir, aber du und deine Eltern haben keine Ahnung, was zu tun ist. Die Situation ist prädestiniert für falsche Entscheidungen. Ich möchte dafür sensibilisieren, dass sich Spieler mit ihrer Persönlichkeit, mit ihren Chancen und auch mit den Risiken auseinandersetzen.

Manche Vereine setzen auf Mentoren bei jungen Spielern, um ein Steuerungschaos zu vermeiden. Was halten Sie davon?
Per se finde ich Mentoren super, die Frage ist, inwiefern bei Klubs angestellte Mentoren neutral und objektiv handeln können. Werden sie einem Jungprofi sagen, dass eine Vertragsverlängerung schlecht für ihn ist, wenn der Verein den Spieler halten möchte? Da ist er aufs eigene Beraterteam angewiesen, das Mentoring abdecken sollte. Jedoch ist die reine Vermittlung finanziell betrachtet so breit, dass sie alles quersubventioniert. So sind vielleicht einige Berater zu sehr auf die Säule der Vermittlung statt auf Mentoring fokussiert. Für Spieler ist das nicht transparent.

Wird die Pflicht, dass ein Spieler das Honorar für seinen Berater abzeichnen muss, denn auch wirklich gelebt?
Ich kann das nicht beurteilen. Seit das eingeführt wurde, habe ich nur einen neuen Vertrag unterschrieben. Ich weiß nicht, wie viele Spieler das blind unterschreiben oder sich das genau ansehen. Aber warum gibt es diese Gegenzeichnungspflicht? Wäre das Vertrauensverhältnis zwischen Spieler und Berater optimal, wäre das überflüssig. Jedenfalls werden Spieler im Glauben gelassen, dass sowieso der Verein den Berater bezahlt.

Was faktisch oft so ist.
Ja, aber das hinkt ja. Der Verein hat nur einen Kuchen zu verteilen. Was der Verein also mehr zahlt, geht indirekt zulasten des Spielers. Es wäre schon hilfreich, wenn der Spieler sieht: Es gehen X Euro an meinen Berater. Das schärft das Bewusstsein für die Dienstleistung. Wenn der Verein zahlt, heißt es ja auch steuerrechtlich, dass der Berater für den Verein und nicht den Spieler arbeitet. Deswegen ergibt der FIFA-Ansatz Sinn, wonach Spieler den Teil des Beraterhonorars zahlen, der die Beratung zu seinen Gunsten betrifft.

Ihre App will Vereinen und Spielern ermöglichen, weltweit anhand von Daten, Gehaltswünschen und anderen Parametern zunächst anonym zueinanderzufinden. Warum glauben Sie, dass das funktioniert?
Weil wir über diskreten Weg diese Transparenz zu den eigenen Möglichkeiten schaffen und weil die neue Spielergeneration enorme Akzeptanz für Apps und Matchingplattformen hat. Auch Tinder erfreut sich ja größter Beliebtheit (lacht). Fußball findet global statt und Daten spielen auch in unserer Branche eine entscheidende Rolle.

Also wollen Sie die Berater rausdrücken - was den Vereinen doch letztlich sehr helfen würde bei individuellen Verhandlungen ...
Klares Nein! Beratung ist wichtig, bei Verhandlungen, Karriereplanung, Geldanlage, Absicherung, etc. Aber der Spieler muss zumindest einen validen Überblick über seine theoretischen Möglichkeiten haben. Keine Agentur deckt den kompletten Weltmarkt ab. Zudem kann der Profi in der App einen Berater oder eine relevante Vertrauensperson angeben. Wenn Spieler und Klub ein Match haben, können sie die Anonymisierung aufheben. Dann können auch andere die Verhandlung führen. Wir sind ein weiteres Tool, den größtmöglichen Markt aufzuzeigen und Optionen über bestehendes Netzwerk hinaus zu liefern für alle Stakeholder im Transfergeschäft: Spieler, Berater und Familienmitglieder, Vereine.

Und um Geld zu verdienen, denn gratis wird das auch nicht sein, oder?
Für Spieler ist das kostenlos! Für Vereine ist erst, wenn es zu einem Vertrag mit "gematchten" Spieler kommt, ein faires, transparentes Honorarmodell angedacht, was sich an den jüngst eingereichten Veränderungsvorschlägen zur Deckelung der Beraterhonorare orientiert. Am Honorar wird bei uns kein Deal scheitern.

Haben Sie denn schon Vereine, die mitmachen?
Klar, haben wir. Wir können ja nur Mehrwert bieten und Mitmachen bedeutet keinen Nachteil. Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten und hier und dort noch Ansätze für Verbesserungen, die wir einarbeiten. Der Bedarf ist absolut da. Umsonst fragt doch ein Uli Hoeneß nicht, warum ein Spieler des FCB bei Verhandlungen nicht selbst mit am Tisch sitzt. Auch Profis, die keinen Top-Star-Status haben, können nur profitieren. Vereine, die jeden Euro umdrehen müssen oder ohne große Scouting-Abteilung, haben ebenfalls direkt eine gute Vorsortierung und Marktüberblick.

Interview: Benni Hofmann