Bundesliga

"Er hat alles": Das ist BVB-Neuzugang Jude Bellingham

Der Teenager im Porträt

"Er hat alles": Das ist BVB-Neuzugang Jude Bellingham

Hochgehandelt: Jude Bellingham setzte sich schon mit 16 in der beinharten Championship durch.

Hochgehandelt: Jude Bellingham setzte sich schon mit 16 in der beinharten Championship durch. imago images

Nach dem Medizincheck in Dortmund ging es erst mal wieder zurück in die Midlands. Schließlich gilt es für Jude Bellingham noch, im Saisonendspurt mit Birmingham City in der Championship den Klassenerhalt zu sichern. Alleine schon für die Fans des Klubs, zu dem er einst im Alter von sieben Jahren kam. "Wir bekommen so viel Unterstützung. Die Leute können nicht bei uns sein. Das ist ihr Leben, und wir müssen das zurückzahlen. Ich denke, dessen ist sich jeder bewusst", sagte Bellingham am Mittwochabend im TV-Interview nach dem 1:1 gegen Charlton Athletic, bei dem er den Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit mit einer flachen Hereingabe von der linken Seite einleitete.

Vom Kopf her unglaublich weit

In dem Interview macht Bellingham, am 29. Juni 2003 in Stourbridge, einem Vorort von Birmingham, geboren einen ruhigen, aufgeräumten Eindruck. Das passt zu dem, was viele über den erst 17-Jährigen sagen, dessen Dienste sich der BVB 25 Millionen Euro kosten lässt: Vom Kopf her ist Bellingham unglaublich weit. "Der Junge hat eine unglaubliche emotionale Intelligenz und Reife für sein Alter", sagte Birminghams Nachwuchskoordinator Kristjaan Speakman der BBC. City-Torhüter David Stockdale befand: "Sein Geist arbeitet wie der eines 25-Jährigen." Bellingham, so heißt es, sei frei von Allüren, nehme Ratschläge der älteren Spieler immer gerne an.

Bellingham vorn dabei: Teure Teenies in der Bundesliga

Speakman, seit 2010 Nachwuchskoordinator bei den Blues, erinnert sich an den kleinen Jude: "Es gibt viele Jungs, die Talent haben. Aber es wurde schon sehr schnell deutlich, dass er sich von anderen abhob, weil er früh das Spiel verstand, weil er Informationen aufnehmen konnte und wollte."

Er ist mindestens so gut wie alles, was ich bisher gesehen habe.

FA-Nachwuchsscout Daniel Dodds

Der so beschriebene Neunjährige gilt längst als das größte Talent des englischen 2003er-Jahrgangs, dem auch Spieler wie Harvey Elliott (FC Liverpool) oder Jamal Musiala (Bayern München) angehören. "Er hat alles", sagte Daniel Dodds, früherer Nachwuchsscout beim englischen Verband, im Dezember gegenüber "The Athletic": "Die Art, wie er sich bewegt, seine technischen Fähigkeiten. Er hat eine unglaubliche Spielintelligenz, taktische Fähigkeiten und taktisches Wissen: Er weiß, was er machen muss, wo er sein muss. Er ist mindestens so gut wie alles, was ich bisher gesehen habe."

Jude Bellingham

Jüngster Torschütze der Klubhistorie: Jude Bellingham nach seinem Premierentreffer gegen Stoke City. Getty Images

Der "Mirror" nannte Bellingham einst das "vielversprechendste Talent seit Wayne Rooney", bei Vergleichen fällt oft auch der Name Frank Lampard. Vom Spielertyp her könnte das passen. Auch wenn er bei City öfter auch auf den Flügeln eingesetzt wurde, fühlt sich Bellingham im Zentrum am wohlsten. Als physisch sehr robuster, aber auch trickreicher Box-to-Box Player, der sich zwischen den Linien bewegt. Als Achter mit feiner Technik, viel Schnelligkeit und Vorwärtsdrang.

Mit 16 in der beinharten Championship etabliert

Bellingham lernte früh, sich zu behaupten - auch als Profi. In der Championship, dieser knallharten 24er-Liga, in der der feine Spielstil von Tabellenführer Leeds ganz klar die Ausnahme ist, fasste der englische U-17-Nationalspieler schnell Fuß. Im Alter von 16 Jahren und 38 Tagen gab er im Ligapokal sein Debüt - als jüngster Spieler der Vereinsgeschichte. Einige Wochen später brach er einen weiteren Rekord von Klublegende Trevor Francis, als er durch das Siegtor gegen Stoke City auch zum jüngsten Torschützen der Blues avancierte. "Er ist ein sehr moderner Spieler", beschrieb ihn Ex-Coach Pep Clotet.

Ein Anführer im Mittelfeld eines Championship-Klubs - mit 16. Da muss man sich behaupten können. Und das tat Bellingham (39 Saisoneinsätze, vier Tore, drei Vorlagen). Nicht nur mit Härte (auch wenn er physisch sicher noch zulegen kann, gehört er in der Championship zu den Spielern mit den meisten Tacklings), sondern vor allem auch mit viel Spielintelligenz und Handlungsschnelligkeit - als unermüdlicher Antreiber gegen den Ball.

Familie als großer Rückhalt - und nun auf Sanchos Spuren

Die von vielen Seiten gepriesene Charakterstärke des Teenagers rührt vor allem von dessen sicherem Umfeld her. "Man kann sich nicht so schnell im Profifußball zurechtfinden wie er, ohne dass man wirklich gute Unterstützung um sich herum hat", betont Speakman. Bellingham, dessen jüngerer Brude Jobe auch schon für die englische U 15 aufgelaufen ist, ist eng mit seiner Familie verbunden. Vater Mark, gelernter Polizist und früher gefürchteter Amateurfußball-Torjäger, berät seinen Sohn. Er dürfte eine gewichtige Rolle bei der Entscheidung für Borussia Dortmund gespielt haben. Immerhin buhlten auch andere Schwergewichte um den Filius. Anfang März hatte Bellingham schon Manchester Uniteds Trainingsgelände in Carrington besichtigt. Auch Bayern München war interessiert.

Doch der BVB profitiert am Ende von dem guten Ruf, den er sich bei der Entwicklung von Talenten längst erworben hat. Den hat ManUnited in England zwar auch mehr als andere Topklubs. Doch viel Einsatzzeit hätte es für Bellingham vermutlich nicht gegeben, womöglich hätte man den Rechtsfuß gar noch einmal verleihen wollen. In Dortmund hofft Bellingham auf bessere Einsatzchancen - und eine womöglich ähnlich spektakuläre Entwicklung wie bei seinem Landsmann Jadon Sancho. Probleme mit Friseurbesuchen dürfte der BVB bei Bellingham aber wohl eher nicht bekommen.

André Dersewski

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