Bundesliga

Timo Horn im Interview: "Gibt auch interessante Zweitligisten"

Neuanfang nach 21 Jahren Köln

Vereinsloser Horn im Interview: "Es gibt auch interessante Zweitligisten"

Verließ den 1. FC Köln nach über 20 Jahren: Timo Horn.

Verließ den 1. FC Köln nach über 20 Jahren: Timo Horn. IMAGO/Revierfoto

kicker: Mittwochmorgen, kurz nach zehn, Sie kommen im Trainingsoutfit zum Treffpunkt. Wie hält sich Timo Horn momentan fit?

Horn: Ich will vor allen Dingen für den Fall der Fälle bereit sein. Fünfmal die Woche wird trainiert, die Intensität ist sehr hoch. Wenn etwas kommt, will ich auf dem Stand sein, dass ich direkt einsteigen kann. Ich mache Kraft- und Laufeinheiten, aber auch spezielles Torwarttraining, dass ich jetzt mit Michael Kraft bei der Kölner Viktoria absolviere. Es wird alles abgedeckt. Vorher habe ich dort mit Alex Bade gearbeitet, bevor er das Angebot aus Saudi-Arabien annahm. Ich bin beiden sehr dankbar, dass sie so intensiv mit mir arbeiten und mich so auf einem guten Stand halten.

Stichwort Saudi-Arabien. Ist das wegen der Popularität des Galopp-Sports eher für den Pferde-Rennstall-Besitzer Timo Horn interessant oder auch für den Fußballer?

Sie werden immer mehr Spieler holen in den kommenden Jahren und aus meiner Sicht kann man keinem Profi verübeln, wenn er ein solches Angebot wahrnimmt. Grundsätzlich bin ich offen für alles. Aber ich bin auch vor vier Monaten Vater geworden und dann überlegt man schon, was das Beste für die Familie ist. Es ist eine Sache, die man abwägen müsste, sofern etwas käme. Stand heute ist es nicht interessant. Aber grundsätzlich ausschließen würde ich es nicht.

Läuferisch ist Horn so fit wie nie

Jonas Hector hat am vergangenen Wochenende einen Triathlon absolviert. Ist das nichts für Sie?

Läuferisch bin ich wahrscheinlich fit wie nie (lacht). Im Ernst: Für mich ist das eher nichts. Jonas hat sich schon immer damit beschäftigt, auch durch seine Bekanntschaft zu Jan Frodeno, dem Olympiasieger von 2008 im Triathlon. Für mich käme das wohl eher nicht in Frage. Aber Jonas war ja immer ein Lauftalent, konditionell sehr gut unterwegs.

Zurück zum Alltag: Gibt es Momente, in denen Sie Frust schieben?

Frust nicht. Ich wünsche mir, dass sich die Situation wieder verändert. Dass ich endlich zeigen kann, was ich draufhabe. Ich bin fit und gesund, mit 30 im besten Torwartalter, ich war - Gott sei Dank - selten verletzt. Ich fühle mich gut. Und deshalb ist mein erstes Ziel, noch einmal anzugreifen, wieder Fußball zu spielen. Deshalb hoffe ich, dass sich die Situation schnellstmöglich ändert.

Infos zu TImo Horn

  • Timo Horn wurde am 12. Mai 1993 in Köln geboren
  • Mit neun Jahren schloss er sich nach drei Jahren beim SC Rondorf dem 1. FC Köln an
  • Sein Profi-Debüt feierte er unter Trainer Holger Stanislawski am 1. Spieltag der Zweitliga-Saison 2012/13 beim 0:1 in Braunschweig
  • Erstmals in der Bundesliga spielte Horn unter Trainer Peter Stöger am 1. Spieltag 2014/15 beim 0:0 gegen den HSV
  • Bei seiner offiziellen Verabschiedung am 27. Mai 2023 blickte Timo Horn auf 329 Pflichtspiele für den FC zurück
  • Horn deckte beim Effzeh die komplette Palette ab: 201-mal in der Bundesliga, 98-mal in der 2. Liga, 22-mal im DFB-Pokal, sechsmal in der Europa League und 29-mal in der Regionalliga West
  • Seinen letzten Einsatz für den FC bestritt er am 30. Juli 2022 im DFB-Pokal beim 3:4 im Elfmeterschießen beim Drittligisten Regensburg
  • Von der U 15 bis zur U 21 absolvierte er 33 Länderspiele für den DFB-Nachwuchs.
  • 2016 holte er als Stammtorwart olympisches Silber bei den Spielen in Rio - im Finale verlor Deutschland im Maracana gegen Brasilien im Elfmeterschießen 4:5
  • In der kicker-Rangliste wurde Horn dreimal in der Internationalen Klasse eingestuft (Winter 2015/16 und 2016/17 sowie im Sommer 2017)

Wohin?

Ich habe 21 Jahre beim FC gespielt, knapp zehn Jahre als Nummer eins. Deshalb soll es eine Aufgabe sein, die einen noch einmal herausfordert, aus der man Motivation zieht. Es soll etwas von Format sein, mit dem man sich voll identifizieren kann. Was zu dieser Karriere nach dem Weggang vom 1. FC Köln passt.

Was ziehen Sie für sich als Mensch aus dieser Situation?

Die letzten eineinhalb Jahre waren schon nicht immer leicht, das muss man offen zugeben. Ich denke, ich habe es mir, so gut es ging, nicht anmerken lassen. Egal, ob im täglichen Training oder im Umgang mit den Mitspielern. Aber für einen persönlich war es schon eine große Belastung, nicht mehr zu spielen und sich hinten anstellen zu müssen. Die aktuelle Situation ist völlig neu, eine, in der ich mich noch nie befunden habe. Einen neuen Arbeitgeber zu suchen, das ist eine neue Herausforderung, die ich versuche, bestmöglich anzunehmen. Dabei hilft mir vor allen Dingen meine Familie, die mich auffängt, mir jede Unterstützung gibt.

Packen Sie vor Spielen gedanklich die Tasche?

So würde ich es nicht beschreiben. Aber ich verfolge den FC natürlich nach wie vor.

In der Situation war ich Teamplayer. Und das bereue ich ganz sicher nicht.

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Aber nicht im Stadion?

Nein, das noch nicht. Ich wollte mich nicht den Fragen, die sicher kommen, aussetzen. Ich schaue mir das entspannt zuhause auf der Couch an. Aber klar, ich verfolge das intensiv und bin auch in Kontakt und im Austausch mit den Jungs.

Sie haben erwähnt, Sie hätten wenig Verletzungen erlitten. Am Ende war es dann doch eine zu viel, die Sie den Job im Tor gekostet hat. Sie haben sich nach der Entscheidung für Marvin Schwäbe sehr ruhig und solidarisch dem Verein gegenüber verhalten. Würden Sie heute möglicherweise auf einer anderen Ebene kämpfen?

Das wäre das Letzte gewesen, was ich mir hätte vorwerfen lassen wollen. Es gab keine Alternative dazu, jeden Tag Vollgas zu geben im Training und gute Stimmung in die Kabine zu bringen. Ein Torwart ist immer irgendwo ein Einzelgänger. Aber in der Situation war ich Teamplayer. Und das bereue ich ganz sicher nicht.

Die Schwierigkeit, eine gute Nummer zwei zu finden

Mussten Sie häufig die Faust in der Tasche ballen?

Manchmal. Wenn du Kölner bist, und du läufst im Stadion nicht zum Mittelkreis, sondern Richtung Ersatzbank, dann sind das richtig harte Momente. Unter der Woche konnte man das gut verdrängen. Aber am Wochenende ist das nicht leicht, weil ich es ja auch anders gewohnt war, all die Jahre.

Der FC hat sich nach Ihrem Abgang schwergetan, eine Nummer zwei zu finden. Wie haben sie das beobachtet?

Nicht nur die Kölner, viele Klubs haben sich da schwergetan. Du musst einen finden, der bereit ist, diese Rolle anzunehmen. Das will nicht jeder Torwart und deshalb habe ich ja auch letztlich entschieden, dass ich das nicht mehr möchte. Obwohl ich Kölner bin und dem Verein eng verbunden bleibe. Das habe ich klar abgelehnt bei der Geschäftsführung, weil ich gemerkt habe, was das menschlich mit mir macht, dass es einfach eine zu große Herausforderung gewesen wäre, dies über die eineinhalb Jahre noch länger zu machen. Insofern kann ich gut nachvollziehen, dass es nicht so leicht ist, sich mit dieser Situation zufriedenzustellen.

Frank Lußem, Timo Horn

kicker-Reporter Frank Lußem (li.) im Gespräch mit Timo Horn. kicker

Sehen Sie die Gefahr, dass sich Ihr Status länger hinzieht und Sie möglicherweise Entwicklungen im Spiel verpassen?

Aus mir wird man keinen anderen Torwart mehr machen, das ist völlig klar. Auf der anderen Seite habe ich immer die Dinge, die mein Trainer von mir forderte, angenommen und versucht, umzusetzen. Sonst hätte ich nicht über ein Jahrzehnt hinweg unter verschiedenen Trainern gespielt und mich durchgesetzt. Ich denke, diese Anpassungsfähigkeit ist eine meiner großen Stärken. Ich kann in jede Mannschaft viel einbringen, viele Erfahrungen mit Aufstiegen, Abstiegen, internationalen Spielen. Von daher verfüge ich über eine großen Erfahrungsschatz und kann jeder Mannschaft weiterhelfen.

Ihr ehemaliger Trainer Andreas Menger, heute bei der Hertha tätig, sagte mal, Sie seien einer bester Torhüter gewesen, mit dem er gearbeitet hat. Mal durch die Blume gefragt: Ist Berlin nicht eine schöne Stadt?

(lacht)… Ich bin mit Andy im Austausch. Unser Verhältnis ging weit über das Sportliche und den Verein hinaus. Aber es kam keine Anfrage von dort. Mal schauen, was noch kommt. Wir werden sehen, was sich ergibt.

Interesse aus dem Ausland

Sie sind vereinslos, können auch außerhalb der Transferperiode unterschreiben. Was muss kommen, damit Sie sagen: 'Das klingt interessant!'?

Gar nicht so viel. Es gab zwei, drei Angebote aus dem Ausland, die ich abgelehnt habe. Einfach, weil es mir bei den vorliegenden Anfragen schwergefallen wäre, meine Motivation zu finden. Aber, wie gesagt, bin ich grundsätzlich offen für alles.

Was würde Ihren neuen Arbeitgeber erwarten?

Ich bin unkompliziert und bereit, ein Torwartteam zu komplettieren, mich im Training zu zeigen und durchzusetzen. Es soll eine schöne Aufgabe sein, von der ich sagen kann, dass ich zu einhundert Prozent hinter ihr stehe.

Wenn man den Stellenwert hat, den ich hatte, dann ist das klar, das solche Entwicklungen etwas mit einem machen.

Timo Horn über das Ende in Köln

Kommt nur die Bundesliga in Frage?

Nein, es gibt auch interessante, ambitionierte Zweitligisten. Dass man mit mir aufsteigen kann, habe ich ja bewiesen. Ich bin Realist. Nach eineinhalb Jahren, in denen man nicht gespielt hat, ist es nicht so, dass man es sich aussuchen kann. Obwohl ich persönlich glaube, dass ich schnell wieder meinen Rhythmus finden würde. Dafür habe ich lange genug im Tor gestanden. Aber diese Praxis hat gefehlt, ich kann einschätzen, wie die Klubs darüber denken.

Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken. Ist alles korrekt gelaufen aus Ihrer Sicht?

Ich bin kein Typ, der nachtritt. Aber es ist schon so, dass mir ein bisschen die Wertschätzung abgegangen ist. Wenn man den Stellenwert hat, den ich hatte, dann ist das klar, das solche Entwicklungen etwas mit einem machen. Und dann fühlt man sich eben nicht immer zu einhundert Prozent gut behandelt. Aber ich glaube, das war auch dem Trainerteam klar. Sie haben das Bestmögliche versucht, auch kommunikativ haben sie mich immer versucht zu unterstützen. Aber dass einem da immer etwas fehlt, das ist selbstredend.

Interview: Frank Lußem

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