Bundesliga

Kolo Muani siegt dreist, Krösche spielt Vabanque

Kommentar

Kolo Muani siegt dreist, Krösche spielt Vabanque

Einige Fans haben sich im Fall Randal Kolo Muani schon klar positioniert.

Einige Fans haben sich im Fall Randal Kolo Muani schon klar positioniert. IMAGO/Rene Schulz

Es wird ein freudiges Wiedersehen, jetzt da die drei französischen Nationalspieler Kylian Mbappé, Ousmane Dembelé und Randal Kolo Muani endlich auch im Verein Seite an Seite spielen. Die drei werden prächtig miteinander auskommen, immerhin stehen sie in der Hitliste der Egomanen des Weltfußballs ziemlich weit oben. Dembelé etwa weiß schon länger, dass so ein Streik eine dufte Sache ist. 2017 drückte er auf diese Weise seinen Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Barcelona durch - ein Geniestreich. Felsenfest an seiner Seite: Berater Moussa Sissoko, der nun rein zufällig auch Kolo Muani berät.

Nachdem sich der Nationalstürmer bei der WM in Katar in den weltweiten Fokus gespielt hatte, sägte er kurzerhand seine damalige Berateragentur ab. Mit deren Unterstützung kam er zwar groß raus, aber was spielt das schon für eine Rolle? Dankbarkeit? Gibt es nicht. Zugegeben, das ist keine umwerfende Erkenntnis in diesem Business, das heutzutage so romantisch ist wie ein erstes Date auf einer Autobahnraststätte. Eintracht-Ikone Karl-Heinz Körbel, der Inbegriff von Vereinstreue und Fußballromantik, schrieb am Donnerstag bei Facebook treffend: "Die Geschichte mit Kolo Muani macht mich fassungslos. Gerade vor so einem wichtigen Spiel (gegen Levski Sofia, Anm. d. Red.) lässt er seine Mannschaftskameraden im Stich. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht oder ob sich sein berüchtigter Berater mal wieder durchgesetzt hat. Unser Vorstand darf sich das nicht gefallen lassen und muss klare Kante zeigen. Entweder Paris bezahlt die geforderte Ablöse oder er muss bleiben."

Es entsteht der Eindruck: Du musst bloß einen kleinen Streik anzetteln, schon bekommst du in Frankfurt deinen Willen.

kicker-Reporter Julian Franzke

100 Millionen Euro Ablöse hatten die Eintracht-Bosse im Kaugummi-Poker stets als Ablöse aufgerufen. Etwas weniger ist es geworden. Laut Vereinsmitteilung fließen für den Transfer 95 Millionen Euro, wobei nicht kommuniziert wurde, ob Bonuszahlungen darin bereits enthalten sind. "L'Equipe" berichtet von 90 Millionen Euro, Bonuszahlungen inklusive. Auch das wäre ein marktgerechter Preis für einen 24 Jahre alten Stürmer, der erst ein herausragendes Jahr gespielt hat. Es wäre kleinkariert, den Verantwortlichen vorzuwerfen, dass sie ihre Ablösevorstellungen um fünf oder zehn Millionen Euro reduziert haben.

Nichtsdestotrotz ist das Signal, das von diesem Wechsel ausgeht, fatal. Es entsteht der bleibende Eindruck: Du musst bloß einen kleinen Streik anzetteln, schon bekommst du in Frankfurt deinen Willen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, und man darf gespannt sein, wie sich wechselwillige Eintracht-Profis in künftigen Wechselperioden verhalten werden, wenn Verhandlungen stocken.

Borrés Abschied setzt der Posse die Krone auf

Was erstaunt: In Hintergrundgesprächen betonten die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen stets, dass Kolo Muani erst dann gehen darf, wenn nicht nur die Ablöseforderung erfüllt, sondern auch ein adäquater Nachfolger gefunden ist. Ein Bluff zulasten der Glaubwürdigkeit. Dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei Wunschlösung Hugo Ekitike, der ausgerechnet bei PSG spielt, kaum zu erfüllen sind, war längst abzusehen. Ekitike hätte das Gehaltsgefüge in der Mannschaft pulverisiert. Auch Elye Wahi, mit dem sich Sportvorstand Markus Krösche intensiv beschäftigt hatte, war nach seinem Wechsel von Montpellier zu Lens nicht mehr auf dem Markt.

Auch Europa-League-Held Rafael Borré trägt nicht mehr das Frankfurter Trikot.

Auch Europa-League-Held Rafael Borré ist gegangen. imago images

Was der Transferposse die Krone aufsetzt, ist die Entscheidung, Europa-League-Held Rafael Borré auf den allerletzten Drücker an Werder Bremen zu verleihen. Den Kolumbianer hätte Trainer Dino Toppmöller jetzt gut gebrauchen können. Normalerweise wird ein Manager nach einem Rekordverkauf gefeiert, Krösche geht aus dem absurden Schauspiel rund um Kolo Muanis Wechsel jedoch nicht als Sieger hervor. Die Frage muss erlaubt sein: Warum war er auf einen Last-Minute-Abgang des besten Frankfurter Spielers nicht besser vorbereitet?

Toppmöller trat unter anderen Voraussetzungen an

Mit Kolo Muani, Daichi Kamada (27, Lazio Rom, ablösefrei) und Jesper Lindström (23, SSC Neapel, 30 Mio.) verlor die SGE ihre drei besten Torschützen der vergangenen Saison. Allein der Franzose sammelte wettbewerbsübergreifend 43 Scorerpunkte - mehr als jeder andere Frankfurter Profi, seit der kicker die Vorlagen erfasst (1988/89). Kamada kam auf 25 Scorerpunkte, Lindström auf 13. Die Neuzugänge Omar Marmoush (24, Wolfsburg, ablösefrei) und Jessic Ngankam (23, Hertha BSC, 4 Mio.) bringen zwar viel Tempo und Entwicklungspotenzial mit, noch stellen sie aber Bundesliga-Durchschnitt dar.

Lucas Alario (30) erwies sich schon in der vergangenen Saison als teurer Fehlgriff, mit seiner Lethargie völlig ungeeignet für Pressing-Fußball. Weitere Stürmer gibt es nicht. Wie passt das zusammen mit den großen sportlichen Ambitionen? Genau, gar nicht. Krösche spielt Vabanque. Toppmöller wird sich freuen. Unter diesen Voraussetzungen trat er seinen Job nicht an. Hinter den Spitzen ist Neuzugang Fares Chaibi (20, FC Toulouse, 10 Mio.) zwar einiges zuzutrauen, doch der Trainer mahnte bereits zur Geduld mit dem jungen Mann.

Markus Krösche

Steht nicht als Sieger da: Markus Krösche. IMAGO/HMB-Media

Natürlich kann und wird Krösche im Winter auf dem Transfermarkt nachlegen. Doch da jetzt alle Welt weiß, dass er mit einem vollen Geldkoffer umherreist und Handlungsdruck besteht, wird er auf der Suche nach einem Kolo-Muani-Nachfolger wahrscheinlich mit abenteuerlichen Preisvorstellungen konfrontiert werden. Vorher könnte er allenfalls auf dem Markt der vertragslosen Spieler zuschlagen. Kronjuwelen wird er dort aber nicht finden.

Die 9 kommt in die Mottenkiste

Die Gruppenphase in der Conference League muss die Eintracht auch mit dem vorhandenen Personal souverän meistern. Der FC Aberdeen, HJK Helsinki und PAOK Saloniki stellen keine hohen Hürden dar. In der Liga geht es darum, bis Weihnachten zumindest in Schlagdistanz zu den internationalen Plätzen zu bleiben, um im neuen Jahr einen Angriff starten zu können. Verpasst Frankfurt den Europapokal, weil vorne die Durchschlagskraft fehlt, hätte der Klub den Verkauf seines wertvollsten Spielers teuer bezahlt - trotz Rekordablöse.

Den Fans wurde der emotionale Abschied von Kolo Muani leicht gemacht. Sie werden dem dreisten Egomanen keine Träne nachweinen. Das Trikot mit der Rückennummer 9 verschwindet in der Mottenkiste im Keller.

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