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Nach CAS-Urteil: Weiter Streit um FIFA-Beraterregeln

Jurist sieht fehlende Unabhängigkeit des Gerichts

Nach CAS-Urteil: Weiter Streit um FIFA-Beraterregeln

Die FIFA hat im Rechtsstreit um die Regularien für Spielerberater und Transfers vor dem CAS einen Erfolg errungen.

Die FIFA hat im Rechtsstreit um die Regularien für Spielerberater und Transfers vor dem CAS einen Erfolg errungen. IMAGO/ULMER Pressebildagentur

Mit der Transparenz vor dem CAS ist das so eine Sache. Das musste auch Claudi Pechstein in den Prozessen um ihre Dopingsperre erfahren. Zwar verwarf der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beschwerde der deutschen Eisschnellläuferin, wonach es dem Sportgericht an Unabhängigkeit mangele. Allerdings erkannte der EGMR schon ein Problem mangels öffentlicher Verhandlung. Pechstein bekam das bestätigt vom Bundesverfassungsgericht. Seitdem muss der CAS öffentlich prozessieren, wenn Verfahrensparteien das wünschen.

Doch weder die FIFA noch die Klägerin, eine überschaubar bekannte Agentenvereinigung namens PROFAA, stellten einen entsprechenden Antrag auf öffentliche Verhandlung, wie der CAS gegenüber dem kicker bestätigte. "Soll hier, wie das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, etwa 'Geheimjustiz' betrieben werden?" fragt Dr. Gregor Reiter und man darf davon ausgehen, dass die Frage rhetorisch gemeint ist. Bei der gleich selbst gegebenen Antwort durch den ehemaligen Geschäftsführer der deutschen Fußball-Vermittlervereinigung DFVV schwingt eine gehörige Portion Sarkasmus mit: "Angesichts der Tatsache, dass die FIFA doch stets und ständig ihre unglaubliche Transparenz in allen Dingen betont, kaum vorstellbar."

Die PROFAA jedenfalls kassierte in Lausanne eine Niederlage. Der CAS wies ihre Klagen auf Unvereinbarkeit mit dem EU-Wettbewerbsrecht vollumfänglich ab, was der Weltverband per Pressemitteilung feierte: "Mit dem Urteil liegt erstmals eine eingehende rechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit des FIFA-Fußballvermittlerreglements durch ein unabhängiges Gremium von renommierten Experten vor." Dass allerdings ausgerechnet die PROFAA, eine erst im März 2020 ins Leben gerufene Agentenvereinigung, also die Reform der Vermittlerregeln längst in Ausarbeitung war, mit dem Weltverband vor das höchste Sportschiedsgericht zieht, sorgte schon zu Beginn des Prozederes für Gerüchte.

Die Spieleragenten laufen Sturm

Zumal deren Präsident, der Australier Paddy Dominguez, wie Reiter zur Experten-Gruppe der FIFA, der "agents working group", gehört, die sich um die praktische Auslegung und mögliche Weiterentwicklung der FFAR kümmern soll. Über die offenkundig freundschaftliche Beziehung des PROFAA-Vize-Präsidenten Juan de Dios Crespo Perez zu FIFA-Boss Gianni Infantino berichtete zuerst die "Süddeutsche Zeitung". Mit dem Slogan "Wir sind der einzige globale Verband, der die Interessen von Fußballagenten weltweit vertritt" wirbt die PROFAA auf ihrer Webseite. Die wirklich umsatzstarken und für den Markt entsprechend wichtigen Berater jedoch sind in der europäischen EFAA zu finden, die harsche Kritik an dem CAS-Prozedere übte, und im schweizerischen "The Football Forum", das jedoch nicht zuletzt ob seiner obskuren Drohungen gegen FIFA-Räte nicht den allerbesten Ruf in der Branche genießt.

Die Agenten jedenfalls liefen Sturm gegen die FFAR, vornehmlich wegen der Begrenzung der Provisionen auf drei respektive sechs Prozent und die Einschränkung der Mehrparteienvertretung. Was nach einem rein technischen Prozedere klingt, ist in Wahrheit ein Kampf um Milliarden. 2022 etwa flossen knapp 600 Millionen Euro an die Beraterbranche für deren Arbeit mit Blick auf internationale Transfers. Wechsel innerhalb von Landesgrenzen erfasst diese Statistik nicht, also darf man getrost vom Faktor zwei bei den Provisionen ausgehen. Mehrere gerichtliche Verfahren laufen gegen die FFAR, auch in Deutschland, wo das Landgericht (LG) Dortmund in einem Verfügungsverfahren die neuen Regeln fürs Erste aussetzte. Das LG Mainz wiederum hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof EuGH gerichtet.

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Laut Reiter sind diese beiden Verfahren mit Blick auf den CAS-Entscheid spannend: "Dort bestätigt man der FIFA in der Entscheidung die Vereinbarkeit der FFAR mit europäischem Wettbewerbsrecht. Das Landgericht Dortmund hat in seiner Entscheidung vom 24. Mai 2023 genau diese Vereinbarkeit verneint und festgestellt, dass die FFAR als Hardcore-Kartell zu qualifizieren sind. Auch das Landgericht Mainz hatte in seinem Vorlagebeschluss erhebliche Zweifel an der wettbewerbsrechtlichen Rechtmäßigkeit der FFAR geäußert." Doch beide Entscheidungen werden in dem CAS-Urteil nicht erwähnt. "Ein sauber arbeitendes Gericht hätte sich in seiner Entscheidung mit diesen beiden Urteilen auseinandergesetzt", kritisiert Reiter.

Fehlende Unabhängigkeit des Gerichts?

Mit Dr. Martin Stopper hält ein renommierter Sport- und Kartellrechtler, der den DFB im Verfahren gegen die Agentur Rogon zu den alten Vermittlerregularien vertritt, dagegen: "Die neuen Regeln sind ja prinzipiell alle darauf ausgerichtet, die legitimen Ziele eines transparenteren und damit auch unverfälschteren Marktes der Spielervermittlung zu erreichen. Das hier in seiner Besetzung sehr sachkundige CAS-Panel hat sich jetzt sehr umfassend mit dem Parteivorbingen auf beiden Seiten auseinandergesetzt und dann festgestellt, dass die Regeln nicht nur zielgerichtet, sondern auch verhältnismäßig ausgestaltet sind. Der CAS hat dazu klar und sehr ausführlich dargelegt, warum die Argumente der FIFA überzeugender waren als die der Spielervermittler."

Das Urteil ist - anders kann man es nicht formulieren - eine Schande für den CAS.

Dr. Gregor Reiter

Genau jene Ausführungen der FIFA jedoch stören Reiter. Denn obgleich der CAS in Textziffer 252 des Urteils darlegt, dass es der PROFAA nicht gelungen sei, eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung nachzuweisen, gesteht die FIFA diese vier Textziffern weiter sogar zu. "Offensichtlicher kann die fehlende Unabhängigkeit dieser Entscheidung nicht belegt werden: Die FIFA hatte den Fall bereits gewonnen und gesteht dann eine Wettbewerbsbeschränkung ein und eröffnet so dem CAS den Einstieg in den Meca-Medina-Test", kritisiert Reiter.

Der Meca-Medina-Test geht zurück auf ein EuGH-Urteil, das - vereinfacht gesagt - Kriterien festlegt für die Anwendbarkeit von EU-Wettbewerbsregeln auf die Regularien von Sportverbänden. Reiter, rechtlicher Berater der europäischen Agentenvereinigung EFAA, glaubt, dass der Weltverband dem CAS die Steilvorlage nur aus einem Grund gegeben hat: "Die FIFA kannte das Ergebnis des Tests bereits in dem Zeitpunkt, in dem es dem CAS den Weg zu ihm eröffnete." In der Tat sagt das Lausanner Sportgericht, dass die FFAR zwar eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung nach sich zögen, diese aber auf Basis des Meca-Medina-Tests gerechtfertigt sei. "Das Urteil ist - anders kann man es nicht formulieren - eine Schande für den CAS. Die FIFA versucht mit Hilfe willfähriger Parteigänger, sich als Fußballstaat mit Rechtssetzungskompetenz zu etablieren", schimpft Reiter. Nun ist der EuGH am Zug.

Benni Hofmann

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