Bundesliga

Rummenigges Warnung: Aus "Football first" wurde "Finance first"

Bayerns früherer Vorstandsboss sieht Premier League als "Treiber"

Rummenigges Warnung: Aus "Football first" wurde "Finance first"

Blickt kritisch auf den Fußball: Karl-Heinz Rummenigge.

Blickt kritisch auf den Fußball: Karl-Heinz Rummenigge. picture alliance/dpa

Die Stadien der Bundesliga und 2. Liga werden wieder voll, Borussia Dortmund meldet 81.365 Zuschauer für das Duell mit Leipzig am kommenden Samstagabend, das Zweitliga-Spiel zwischen Dresden und Schalke werden 30.000 Zuschauer im Stadion der Sachsen miterleben. Nach etwas mehr als zwei Jahren Pandemie dürfen die deutschen Profi-Klubs wieder auf die Normalität hoffen, die für viele auch eine wesentliche Grundlage ihrer Existenz bedeutet.

Der Fußball und das Problem des Konsequenzen-Ziehens

Nun könnte man gespannt sein, ob der Profifußball aus dieser zweijährigen Leidenszeit gewisse Lehren gezogen hat. Hört man Karl-Heinz Rummenigge zu, dann fällt dessen Antwort mit einem klaren Nein aus. "Das große Problem des Fußballs ist, dass er nicht bereit ist, aus diesen Dingen (wie der Corona-Pandemie, d. Red.) Konsequenzen zu ziehen", sagte der 66-Jährige im Podcast "TOMorrow".

Der frühere Vorstandschef des FC Bayern dürfte mit dieser Aussage vor allem den Fokus auf jene europäischen Klubs richten, deren Finanzquellen üppiger sprudeln als jene der DFL-Klubs, sprich die Konkurrenz der Münchner in der Champions League aus Paris, England oder Spanien. "Die Gehälter steigen nach wie vor, die Ablösesummen steigen nach wie vor und jede Industrie, die während einer Krise ihre Budgets hochfährt, wird dafür irgendwann eine Rechnung zahlen müssen."

Die Gehälter steigen nach wie vor, die Ablösesummen steigen nach wie vor und jede Industrie, die während einer Krise ihre Budgets hochfährt, wird dafür irgendwann eine Rechnung zahlen müssen.

Karl-Heinz Rummenigge

Rummenigges Warnung passt zum aktuellen FC Bayern

Es ist eine Warnung, die wunderbar in die Landschaft der derzeitigen oder etwas zurückliegenden Vertragssituationen beim deutschen Rekordmeister passt. David Alaba ließ der FC Bayern schweren Herzens zu Real ziehen, weil die Münchner dessen Gehaltsvorstellungen nicht erfüllen wollten. Niklas Süle erhielt ein Vertragsangebot, das beim Innenverteidiger nicht die entsprechende Wertschätzung auslöste, so dass er zum BVB weiterziehen wird. Und auch bei den Vertragsverhandlungen mit den "Großen Drei" (Lewandowski, Müller, Neuer) wird es spannend zu beobachten sein, wie ob die Bayern-Bosse ihre finanziellen Schmerzgrenzen verschieben. 

Financial Fair-Play: Rummenigge nimmt UEFA in die Pflicht

Rummenigge, einst Weltklasse-Stürmer und selbst einer der ersten Millionen-Transfers der Bundesliga-Historie (1984 von Bayern zu Inter), sieht in Sachen Verschuldung von Fußballklubs vor allem die UEFA in der Pflicht. "Es könnte, glaube ich, jetzt der große Wurf sein, in dem man den Klubs Werkzeuge an die Hand gibt, was seriöseres Finanzieren betrifft, was zum Beispiel Verschuldungsgrade betrifft. Nicht mehr ausgeben als man einnimmt. Das ist der Sinn vom Financial Fairplay", so der Europameister von 1980 mit Blick auf die Schuldenberge beispielsweise beim FC Barcelona oder Real Madrid.  

Die Premier League treibt im Moment den Fußball, insbesondere in Europa, vor sich her.

Karl-Heinz Rummenigge

Doch nicht in Spanien sieht er das hauptsächliche Problem, dieses sei eher in England zu verorten. "Die Premier League treibt im Moment den Fußball, insbesondere in Europa, vor sich her. Sie sind zwar auf Top-Niveau, aber das kann der UEFA nicht recht sein, dass eine Liga eine solche Dominanz mittlerweile ausübt", urteilt Rummenigge und ergänzt: "Der einzige Klub, der noch mithalten kann, ist ein französischer Klub namens Paris."

Von dieser finanziellen Schieflage im europäischen Klub-Fußball führt der Weg direkt zur Diskussion um die 50+1-Regel in Deutschland. Für Rummenigge sei diese "ein Riesen-Riesen-Handicap". Die große Frage, die man sich in der Bundesliga stellen müsse: "Wie lange können wir uns mehr Tradition als Wettbewerbsfähigkeit leisten?" 

50+1 "ein Relikt alter Tage": Der Wettbewerb wird auf dem Transfermarkt entschieden

Laut Rummenigge sei "die Tradition ein hohes Gut in unserem Land, das von gewissen Fans auch sehr geschätzt wird. Aber wenn wir 50+1 nicht irgendwann in eine Passform bringen, so dass trotzdem Investoren in die Bundesliga investieren dürfen, dann stellt sich die Frage, wie lange die Bundesliga die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht erhalten kann." In der Wahrnehmung Rummenigges sei es "kein Zufall, dass der Transfermarkt rein netto gerechnet nur noch von einem Land, nämlich England, betrieben wird. Selbst Real und Barcelona und alle anderen können unter diesen Bedingungen die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht erhalten."

Für Rummenigge ist die 50+1-Regel in Deutschland ein "Relikt alter Tage", das der DFB im Jahr 2000 bei der Gründung der DFL der Liga mitgegeben habe. Für Rummenigge sind Änderungen an dieser Regel dringend notwendig. "Das ist jetzt 22 Jahre her, aber irgendwann muss man darüber nachdenken, ob es nicht besser, moderner und wettbewerbsfähiger wäre, diese Regel für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Liga aber auch für den internationalen Vergleich anzupassen. Denn der internationale Wettbewerb wird nur auf dem Transfermarkt entschieden und da können wir mit den Engländern nicht mithalten", so Rummenigge. 

Aus "Football first" wurde "Finance first"

Der frühere Bayern-CEO sieht den heutigen Profi-Fußball auf einem gefährlichen Weg. Es gelte nicht mehr "Football first", sondern "Finance first", so Rummenigge. "Wir laufen dem Geld hinterher, um noch mehr Einnahmen zu generieren, aber diese Mehreinnahmen wandern von der rechten Tasche der Klubs in die linke Tasche der Spieler und ihrer Berater." Hier sieht der 66-Jährige die großen Verbände wie UEFA und FIFA in der Verantwortung, um den "Fußball zu analysieren" und ihn dann "wieder seriöser und fairer zu machen".

bst

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