Bundesliga

"Wenn es konkret wird, spielt Corona plötzlich keine Rolle mehr"

Transfers im Zeichen der Krise

"Wenn es konkret wird, spielt Corona plötzlich keine Rolle mehr"

Im Gespräch mit dem kicker: Michael Zorc, Oliver Ruhnert und Max Eberl (v.li.).

Im Gespräch mit dem kicker: Michael Zorc, Oliver Ruhnert und Max Eberl (v.li.). imago images (Montage)

Die Corona-Pandemie hat den Transfermarkt im Fußball in weiten Teilen zum Erliegen gebracht - und viele Klubs in die Defensive gedrängt. Die Branche ist darauf eingestellt, dass der Sommer 2021 für sie noch schwieriger wird als der vor einem Jahr. Und schon da waren - ebenso wie im Winter 2020/21 - die Auswirkungen der Krise auch in Transferdaten abzulesen.

In Summe kommen die Vereine der fünf Topligen Europas in den beiden Wechselperioden der gerade abgelaufenen Saison auf Transferausgaben für Neuzugänge von rund 3,45 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor lagen die Transferausgaben der Erstligisten aus England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland zusammen noch bei etwa 6,44 Milliarden Euro.

Auf die Bundesliga bezogen sank der Wert von 930 Millionen Euro 2019/20 auf 369 Millionen Euro 2020/21. Die jeweils höchsten Ausgaben tätigten die Premier-League-Klubs mit 1,72 Milliarden Euro 2019/20 und 1,45 Milliarden Euro 2020/21.

Die englischen Vereine finden die grüne Wiese vor

Max Eberl

Max Eberl, seit 2008 Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach, kennt den Transfermarkt mit all seinen Facetten. Im kicker-Interview (Montagsausgabe) sagt er zur generellen Marktsituation: "Ich sehe einen sehr kleinen Käufermarkt. Und einen extrem großen Verkäufermarkt." Und dabei sieht der 47-Jährige die englischen Vereine "klar im Vorteil". Eberl sagt: "Der Käufermarkt wird aus England kommen."

Und: "Die englischen Vereine finden die grüne Wiese vor. Sie können auf fast jeden Verein zugehen in der Annahme, dass dieser Verein verkaufen muss und nicht groß pokern kann." Mit ihrem "mächtigen Fernsehvertrag" seien "die Engländer das Zünglein an der Waage". England werde "letztendlich der Markt sein, der entscheidet, wann und in welchem Umfang es losgeht".

Viele Klubs werden abwarten müssen, bis sie Einnahmen generieren.

Michael Zorc

Dass das Personalkarussell im anstehenden Transfer-Sommer früher oder stärker in Schwung kommt als vor Jahresfrist, glaubt in der Branche dabei niemand. "Es ist noch immer sehr ruhig auf dem Transfermarkt - und zwar nicht nur, was Vollzugsmeldungen angeht, sondern auch, was die üblichen Anbahnungsprozesse von Wechseln betrifft", sagt Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc im Gespräch mit dem kicker.

Er rechnet für diesen Sommer nur mit "wenigen wirklich großen Transfers" und erklärt: "Viele Klubs werden abwarten müssen, bis sie Einnahmen generieren, um dann selbst zu investieren. Dadurch fällt die Planung schwerer. Es dürfte länger dauern, bis die Vereine ihre Kader final zusammengestellt haben."

Alle warten, dass das Ganze in einer Art Domino-Effekt losgeht.

Oliver Ruhnert

Oliver Ruhnert, Geschäftsführer Profifußball bei Union Berlin, sagt: "Alle warten darauf, dass der erste große Transfer über die Bühne geht, damit das Ganze in einer Art Domino-Effekt losgeht." Und er konstatiert: "Man merkt eindeutig, dass weniger Geld für Spieler im Topf ist und ausgegeben wird."

Auch Eberl sagt: "Es wird für sehr viele Spieler kleinere Verträge geben. Und weil die Klubs die Kader verkleinern, wird es auch mehr arbeitslose Spieler geben." Dabei macht Eberl die Erfahrung, dass die Auswirkungen der Pandemie noch nicht von allen stets mit eingerechnet werden.

"Was die Spieler- und Beraterseite angeht, ist mein Eindruck: Bei allen Spielern und allen Beratern ist noch nicht komplett durchgedrungen, was Corona für den Fußball wirklich bedeutet. Klar, in den Gesprächen ist Corona immer ein Thema. Aber wenn es dann konkret an die Zahlen geht, dann merke ich plötzlich nicht mehr, dass Corona noch eine Rolle spielt."

In unserer Printausgabe am Montag (hier ab Sonntagabend auch als eMagazine erhältlich) lesen Sie im neunseitigen Titelthema, wie der Transfermarkt im Zeichen der Corona-Krise eingebrochen ist, welche Probleme und Lösungen die Bundesliga-Klubs haben und wie die Macher reagieren. Und Max Eberl spricht im ausführlichen Interview über die Folgen der Pandemie auf die Branche, über kreative Transfermodelle, über Ausstiegsklauseln für Trainer - und auch über Borussia Mönchengladbach, Marco Rose und Adi Hütter.

jan, md, hunz, dr

Das sind die Bundesliga-Sommerneuzugänge 2021/22