Bundesliga

Bayern Münchens Sextuple - das sind die Gründe

Flick hat klaren Plan und gewährt dennoch künstlerische Freiheit

Bayerns Sextuple - das sind die Gründe

Ein halbes Dutzend Titel - der FC Bayern ist auch Klub-WM-Sieger.

Ein halbes Dutzend Titel - der FC Bayern ist auch Klub-WM-Sieger. imago images

Hansi Flick wirkte etwas müde auf der Pressekonferenz nach dem gewonnenen Finale der FIFA-Klub-WM. Müde, ausgelaugt oder erschöpft nach einem außergewöhnlichem Jahr, das hinter ihm und seiner Mannschaft liegt. Dieser sechste Titel, mit dem der FC Bayern in Katar das Erfolgsmaximum erreicht hat, war letztlich die logische Konsequenz. Ja. Aber auch "ein hartes Stück Arbeit", wie beispielsweise Joshua Kimmich zurecht sagt. Schließlich war dieser Triumphzug, der zuvor nur dem FC Barcelona im Jahr 2009 gelang, vollgepackt mit Ungewissheiten, Neuerungen und Strapazen. Und mit personellen Überraschungen.

Blickt man zurück in den September 2019, als die Bayern in die Champions-League-Saison gestartet waren, war Niko Kovac noch Trainer; wurde Thomas Müller zwischenzeitlich nicht mehr berücksichtigt; galt Jerome Boateng als Innenverteidiger Nummer 4; war David Alaba noch Linksverteidiger und Thiago ein Schattenkünstler. Außerdem wurde über Manuel Neuers Zukunft diskutiert.

Trainersteckbrief Flick
Flick

Flick Hans-Dieter

Bayern München - Vereinsdaten
Bayern München

Gründungsdatum

27.02.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

mehr Infos
Bayern München - Die letzten Spiele
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Das 1:5 in Frankfurt als Wendepunkt

Was sich nach Gerüchten aus einer anderen Dekade anhört, ist gerade einmal etwas mehr als ein Jahr her. Es war auch eine Zeit, in der sich die Bayern durch die Liga wurschtelten; in der sie der Tabellenführung hinterherhinkten; in der sie 1:5 in Frankfurt untergingen. Mit diesem Auswärtsspiel änderte sich vieles. Flick formte aus einer Ansammlung von Fußballstars, bei der einzig Neuer und Robert Lewandowski Weltklasse-Niveau praktizierten, ein Team. Einen verschworenen Haufen, der der Liga den Kampf ansagte und der das größtmögliche Ziel ausgab. Es dauerte ein wenig, bis die Abläufe und Automatismen griffen; zwei Niederlagen vor Weihnachten gehörten dazu; der völlig unbekannte Joshua Zirkzee musste zudem zwei Bayernsiege retten, um den Puls an der Säbener Straße ruhig zu halten. Zumindest über die Feiertage.

Denn im Trainingslager in Katar, also da, wo die Reise quasi am Donnerstagabend geendet hat, begann sie mehr oder weniger auch. Damals, im Januar 2020, holte der FC Bayern nämlich keinen neuen Trainer. Die Münchner Führungsetage vertraute Interims-Coach Flick, der fortan in der Liga - bis auf das 0:0 gegen Leipzig - Sieg um Sieg holte. Das Achtelfinal-Hinspiel bei Chelsea sollte ein Gradmesser sein - auch für den Trainer. Mit 3:0 fegte ein bayerischer Wind über London hinweg - an Flicks 55. Geburtstag. Von Karl-Heinz Rummenigge gab's ein Geschenk mit Symbolcharakter: einen Kugelschreiber, mit dem man Papiere unterzeichnen könne, so sagte der Vorstandsboss im Februar 2020. Ein klares Signal an Flick und eine längerfristige Zusammenarbeit. Denn die Spieler, gerade die Führungsfiguren, hatten sich ja ohnehin schon für ihn ausgesprochen.

Klarer Plan und dennoch künstlerische Freiheiten

Warum? Weil er ihnen einen klaren Plan vorgab und ihnen zugleich alle künstlerischen Freiheiten überließ. Weil der Fußball des FC Bayern wieder nach FC Bayern aussah. Dominant, selbstbewusst, offensiv. Weil Werte in den Verein zurückkehrten, die Spieler wertgeschätzt wurden. Selbst die Führungsetage, die bei Kovac nicht immer derselben Meinung war, in Flick einen gemeinsamen Nenner fand. Mia san wieder mia, hatte man oft gehört.

Diese Bayern waren wild entschlossen, fokussiert, zielstrebig. Kein Lockdown, kein Cybertraining, kein Home-Office, keine Beschränkungen, keine Unterbrechungen - nichts davon konnte die Münchner verunsichern oder aus dem Konzept bringen. Es gab - unabhängig vom Wettbewerb - nur noch Siege. Liga? Nur Siege! Pokal? Ausschließlich Siege! Champions League? Einzig und allein Siege! Eine solche Serie gab es noch nie.

Davies' Entwicklung, Neuers und Lewandowskis Konstanz

Auch hausintern hat sich in dieser Zeit vieles verändert. Alphonso Davies, von Niko Kovac einst als Notlösung zwecks Mangel an Alternativen eingesetzt, entwickelte sich zum Shooting-Star; Thiago war nicht mehr nur Tänzer, sondern Gestalter, Leader und absolut prägend fürs Bayernspiel; Müller war wieder wichtig; Alaba wurde zum Abwehrchef befördert, Kimmich ins Mittelfeld; Boateng arbeitete an seinem Körper und sich in die Startelf zurück; Leon Goretzka baute Muskeln auf, sein Körper ist seither deutlich stabiler und weniger anfällig. Was gleichblieb: Neuer und Lewandowski waren und sind Neuer und Lewandowski.

Dass mit dieser Mannschaft Großes möglich sei, habe Kimmich spätestens beim Endturnier der Königsklasse in Lissabon gespürt. "Als wir dann gegen Barça 8:2 gewonnen haben, wusste ich, dass das ein Statement war", erklärt er: "Das hat uns sehr viel Vertrauen gegeben - gerade in die Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben." Bayern veredelte seine Saison mit dem Triple, holte in den Wochen darauf die beiden Supercups und jetzt in Katar eben die Klub-WM. "Es ist herausragend, was die Mannschaft geleistet hat", schwärmt Flick: "Sie hat was Historisches geschafft mit den sechs Titeln." Und Weltfußballer Robert Lewandowski freut sich: "Das bleibt für lange, lange Zeit."

Pavard meldet sich zu Wort - Guardiolas Vorschlag

Passend sind auch die beiden Geschichten rund um die Finals: Kingsley Coman, der sich vier Jahre hinter Franck Ribery und Arjen Robben anstellen musste, erzielte das entscheidende Tor in Lissabon. Und Benjamin Pavard, der dort verletzt fehlte und aufgrund der herausragenden Auftritte von Thiago, Goretzka und Kimmich (rechts hinten) kaum vermisst wurde, machte jetzt den Siegtreffer bei der Klub-WM.

Diese wegen der Pandemie 2019er-2020er-2021er-Bayern haben sich verewigt. Und erhielten noch am Abend Glückwünsche ihres Ex-Trainers. Pep Guardiola, dem mit den Katalanen als erstes dieses Kunststück gelang, gratulierte via Videobotschaft und forderte seine Bayern heraus. Er würde Lionel Messi und Co. anrufen, die Münchner sollen Zeit und Ort nennen - Guardiola und sein 2009er-Team stünden bereit. Für ein Spiel um "Titel Nummer 7", wie der aktuelle Coach von ManCity sagt, also um die imaginäre Krone. Eine charmante Idee, die womöglich auch einen ausgepowerten Trainer Flick reizen könnte ...

Georg Holzner