2. Bundesliga

1. FC Nürnberg: Ein sattes Plus und die Grethlein-Frage

Der Club erwartet rund 8000 Mitglieder bei seiner virtuellen Jahreshauptversammlung

1. FCN: Ein sattes Plus und die Grethlein-Frage

Nürnbergs Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Thomas Grethlein bewirbt sich um seine Wiederwahl.

Nürnbergs Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Thomas Grethlein bewirbt sich um seine Wiederwahl. imago images

Der Club rechnet damit, dass gut 8000 seiner insgesamt rund 24 400 Mitglieder der Versammlung via Bildschirm beiwohnen werden. Zum Vergleich: Zuletzt waren es rund 1500 Mitglieder, die der Jahreshauptversammlung beiwohnten.

18 Bewerber für den neunköpfigen Aufsichtsrat

Was auch bereits so gut wie sicher ist: Es wird ein langer Abend. Zehn Tagesordnungspunkte stehen auf der Agenda, darunter die Wahl von drei Mitgliedern für den neunköpfigen Aufsichtsrat mit insgesamt 18 Bewerbern. Hinzukommt der eine oder andere Antrag, der für kontroverse Diskussionen sorgen wird. Zum Procedere der Versammlung: Die Vorstände, Dieter Hecking für den Sport und Niels Rossow für die Finanzen, die Aufsichtsräte und der Versammlungsleiter treffen sich an einem geheimen Ort, um 18.30 Uhr erfolgt der Anstoß zum Geisterspiel auf höchster vereinspolitischer Ebene. Jedes Mitglied hat wie bei der Präsenzveranstaltung die Chance, sich zu Wort zu melden. Die 18 Bewerber für den Aufsichtsrat stellen sich mit einem vorher gedrehten, maximal dreiminütigen Video vor, die Stimmabgabe der Mitglieder erfolgt im Anschluss, die Auszählung ebenso.

Trainersteckbrief Klauß
Klauß

Klauß Robert

1. FC Nürnberg - Vereinsdaten
1. FC Nürnberg

Gründungsdatum

04.05.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Wird die Wahl verschoben?

Wobei es noch gar nicht sicher ist, dass die Wahl überhaupt stattfindet. Professor Dr. Fritz Sörgel, der bundesweit als Anti-Doping-Experte bekannte Pharmakologe, hat den Antrag gestellt, dass die Wahl verschoben wird. Der glühende Club-Fan begründet dies damit, dass aufgrund der seiner Meinung nach viel zu spät erfolgten Festlegung des Vereins auf eine virtuelle Versammlung die Kandidaten für den Aufsichtsrat zu wenig Zeit gehabt hätten, sich und ihre Ziele entsprechend vorzustellen. Er zielt dabei nicht auf die bekannten Bewerber wie den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Thomas Grethlein oder die Ex-Profis Martin Driller, Marc Oechler wie Chhunly Pagenburg ab, sondern auf die Kandidaten, die für die breite Öffentlichkeit mehr oder minder ein unbeschriebenes Blatt sind. Im Sinne einer fairen, weil unter gleichen Voraussetzung stattfindenden Wahl fordert Sörgel deswegen eine Verschiebung. Sollte die einfache Mehrheit der teilnehmenden Mitglieder dies ebenso sehen, würde dies den Abend deutlich verkürzen - als wahrscheinlich ist dies aber nicht anzusehen.

Koch und Müller kandidieren nicht mehr

Überhaupt ist die Wahl das emotionale Thema der Veranstaltung schlechthin, auch wenn nur drei Sitze in dem Gremium zur Wahl stehen. Mit den langjährigen Aufsichtsräten Günter Koch und Stefan Müller verliert das Gremium zwei seiner prägendsten Figuren. Koch hat als kritischer Zeitgeist nicht davor gescheut, oftmals gegen den Strom zu schwimmen und so wichtige Themen kontrovers anzustoßen. Müller hat als stellvertretender Vorsitzender wertvolle Kontakte zur Wirtschaft geknüpft, fungiert mit seinem Unternehmen auch weiterhin als Sponsor.

Nachdem beide nicht mehr kandidieren, Koch aus Altersgründen und Müller aufgrund des Ausbaus seines Unternehmens, ist Dr. Grethlein der einzige, der sich um eine Wiederwahl bewirbt. Dass der FCN-Fanverband e.V., dem über 250 Fanklubs angehören, nun an seine rund 6000 Mitglieder eine Wahlempfehlung für Grethlein und den ebenfalls kandidierenden Ex-Vizepräsidenten Sigfried Schneider ausgesprochen hat, ist mitunter als unlautere Einflussnahme harsch kritisiert worden.

Ultras als das Zünglein an der Waage?

Wobei so ein Vorgehen nicht neu beim Club ist, darauf haben sich in der jüngsten Vereinsgeschichte selbst Vorstände verstanden. So hat der langjährige Sportvorstand Martin Bader bei den Ultras schon mal die Werbetrommel für Grethlein gerührt - bei einer "normalen" Jahreshauptversammlung sind bislang die Stimmen der Ultras mehr als nur das Zünglein an der Waage gewesen. Bader selbst machte daraus nie einen Hehl und konnte darin auch nichts Verwerfliches entdecken. Ansichtssache eben.

Grethlein spaltet die Gemüter

Letzteres trifft auch auf Grethlein zu, der in seiner Funktion als Aufsichtsratschef sehr zwiespältig gesehen wird. Das beginnt bereits bei Nebensächlichkeiten. Dass er bei jedem Spiel kurz vor Schluss von der Tribüne an die Seitenlinie eilt, übrigens in diesem Maß als einziger Aufsichtsrat im deutschen Profifußball, finden die einen angemessen, andere als das genaue Gegenteil davon. Oder sein Auftritt im Relegationshinspiel gegen Ingolstadt, als er als einer der ranghöchsten Vertreter des FCN bundesweit mit einer Zigarre und einer Bierflasche über die Bildschirme flimmerte und sich in der Halbzeitpause ein Wortgefecht mit dem Gästetrainer Tomas Oral lieferte. Für die einen war dies finsterste Kreisklasse und dem FCN nicht würdig, andere wiederum sahen darin den Beleg, wie sehr er als Ober-Clubfan mit der Mannschaft mitfiebern würde.

Viel entscheidender ist aber die Frage, was er bewegt hat. Er selbst betont, dass das Gremium unter seiner Führung einen großen Anteil daran habe, dass der Verein wieder wirtschaftliche Stabilität erreicht habe. Bedenkt man, dass er in den Endzügen der Bader-Ära seinen Posten antrat, und der FCN nach dem verpassten Wiederaufstieg 2015 geradewegs auf eine Insolvenz zusteuerte, kann man ihm da nicht widersprechen - auch wenn es in erster Linie die damaligen Vorstände Michael Meeske (Finanzen) und Andreas Bornemann (Sport) waren, die den Club vor dem GAU bewahrten. Musste ja auch so sein, denn der Aufsichtsrat soll sich ja nicht um das Tagesgeschäft kümmern, sondern im Hintergrund das große Ganze kontrollieren.

Bei Letzterem setzen die Kritiker Grethleins und des Aufsichtsrats mit Blick auf die vergangenen zwei Jahre den Hebel an. Sie werfen dem Gremium vor, dass er seiner Kontrollaufgabe schlecht nachgekommen sei, oftmals zu spät eingegriffen und schlicht die falschen Entscheidungen getroffen habe. Fakt ist, dass der Club viel von dem wieder eingerissen hat, was er sich selbst zuvor mühsam aufgebaut hatte - und auch das hat der Aufsichtsrat ein Stück weit mit zu verantworten.

Zuversicht und Perspektive sind zurückgekehrt

Das beginnt mit dem Bundesliga-Abstieg. Der war zwar einkalkuliert, aber aufgrund der Schwäche der Konkurrenz mitnichten so unausweichlich, wie es der FCN darstellte. Und über die vergangene Katastrophensaison muss man wohl keine Worte mehr verlieren. Unterm Strich hat der FCN in den vergangenen zwei Jahren zwei Sportvorstände und vier Cheftrainer verschlissen, etliche millionenschwere Kurswechsel vollzogen und dabei mitunter gelinde formuliert nicht immer die beste Figur nach außen abgegeben. Siehe alleine die bizarre Pressekonferenz zum Aus von Robert Palikuca als Sportvorstand. Grethlein attestierte ihm da "sehr gute Arbeit", zeigte vielmehr mit dem Finger auf das Umfeld wie auch die Medien, als hätten sie daran Schuld gehabt, dass der FCN mit dem drittgrößten Etat auf Platz 16 landete. Dass man das Wirken Palikucas so sehen kann, keine Frage. Nur, dann muss man zu seiner Überzeugung stehen und darf keine Entlassung aussprechen. Andererseits hat es der Aufsichtsrat nun im Sommer mit der Personalie Dieter Hecking geschafft, dass beim Club nach zwei düsteren Jahren Zuversicht und Perspektive zurückgekehrt sind.

Rossow wird ein positives Ergebnis verkünden

Wie die Mehrheit der FCN-Mitglieder all dies bewerten wird, wird sich bei der Wahl zeigen, sofern sie nicht verschoben wird. Was indes bereits jetzt feststeht. Der für die Zahlen beim Club zuständige Niels Rossow wird ein positives Ergebnis verkünden. Der FCN dürfte das vergangene Geschäftsjahr zum Stichtag 30. Juni 2020 mit einem Plus von rund einer Million Euro abgeschlossen haben - die genauen Zahlen erhalten am Dienstag zunächst die Mitglieder. Dies ist angesichts des Abstiegs, der Corona-Krise wie auch des steten Wechsels von leitendem Personal einerseits erstaunlich, andererseits auch einfach erklärbar. Der Club hat im vergangenen Sommer hohe Transfererlöse erzielt, er dürfte dabei ein Plus von rund fünf bis sechs Millionen erwirtschaftet haben. So ist ihm nun ein schöner, wichtiger Erfolg gelungen, Bestand wird er allerdings nicht haben. Da der FCN nun keine nennenswerten Transfererlöse eingestrichen hat und durch das schlechte sportliche Abschneiden im TV-Geld-Ranking abgerutscht ist, droht ihm nicht nur Corona-bedingt im laufenden Geschäftsjahr ein happiger Millionenverlust.

Christian Biechele

Die Trikots der Zweitligisten für die Saison 2020/21