Bundesliga

"Ich hoffe auf die Altersmilde von Herrn Rummenigge und Herrn Watzke"

Rettigs Vorschläge für einen besseren Fußball

"Ich hoffe auf die Altersmilde von Herrn Rummenigge und Herrn Watzke"

Kämpft für einen neuen, besseren Fußball: Andreas Rettig.

Kämpft für einen neuen, besseren Fußball: Andreas Rettig. picture alliance

Die Corona-Krise hat die Kritik an den Auswüchsen im Profifußball noch einmal potenziert, inzwischen regt sich auch in den Verbänden etwas. Andreas Rettig (57) kämpft schon lange für tiefgreifende Reformen. Im zweiten Teil der kicker-Serie "Aufbruch in einen neuen Fußball" stellt der frühere Manager in Freiburg, Köln, Augsburg und St. Pauli sowie in der DFL-Geschäftsführung sein Konzept vor.

"Die ungleiche Verteilung treibt die Klubs Investoren in die Arme"

"Wir müssen wieder zurück zum Schwerpunkt der sportlichen Integrität der Wettbewerbe und zur gesellschaftlichen Relevanz", fordert er und macht konkrete Vorschläge - etwa zur Verteilung der Medienerlöse: "Zu überlegen wäre ein Bonus für die Vereine, die der sportpolitisch gewollten 50+1-Regel Rechnung tragen. Dass diese Klubs bessergestellt werden, da sie bewusst und aus gesellschaftspolitischer Überzeugung auf Möglichkeiten verzichten, Kapital zu generieren, was sportpolitisch gewollt ist."

Die momentane "ungleiche Verteilung" treibe die Klubs "Investoren in die Arme", meint Rettig: "Du kriegst immer mehr Geld aus dem Topf, je besser du dich platzierst. Das führt zu dem Rattenrennen, das wir kennen: Du musst mehr Gelder generieren, damit du an diese Fleischtöpfe kommst ... Das System befördert genau diese falschen Anreize und schafft eine Hasardeur-Mentalität zum Beispiel in der Einkaufspolitik, gerade im Abstiegskampf, sie treiben einen Manager dazu, unvernünftige Dinge zu tun."

Wie sich Rettig die Arbeit der "Task Force Profifußball" vorstellt

Die DFL signalisiert mit der angekündigten "Task Force Profifußball" Gesprächsbereitschaft für einen Wandel im Fußball. Rettig vermisst dabei das Engagement des DFB. "Diese Task Force sollte zuerst auf breiter Basis die Ziele definieren", findet er. "Wollen wir gesellschaftliche Verantwortung und sportliche Integrität überproportional gewichten oder wollen wir Henkelpötte gewinnen?"

Wenn am Ende eine Mehrheit sage, "wir wollen dem Diktat der internationalen Wettbewerbsfähigkeit alles unterwerfen, okay, dann braucht aber auch keiner mehr wehzuklagen. Aber wenn ich als Ziel gesellschaftliche Verantwortung und Integrität des Sports definiert habe, kann ich der Task Force sagen, sie soll sich diese Gedanken machen. Dann muss ich die besten Leute aus allen Bereichen holen, die helfen können, aber kein Eigeninteresse haben."

Rückkehr der Fans: "Es kann sich nur nach dem Schwächsten ausrichten"

Dringlichstes Thema scheint gerade aber die Rückkehr der Fans in die Arenen zu sein. Dabei folgt Rettig DFL-Boss Christian Seifert "nicht in der Frage, dass man es den lokalen Behörden und den Vereinen überlassen sollte, wie viele Zuschauer sie ins Stadion lassen". Es sei nun mal ein Unterschied, "wenn der eine das Stadion vollmachen darf und der andere darf es nicht". Deshalb sei für ihn klar: "Es kann sich nur nach dem Schwächsten ausrichten. Wenn am Ende nur 15 Prozent ins Stadion dürfen, dann ist es halt für alle so, auch wenn woanders mehr Zuschauer ins Stadion dürften."

Bislang scheinen die Klubs zu Diskussionen über Reformen bereit zu sein. Doch wird es nach den jüngsten Bekundungen tatsächlich zu mehr Solidarität kommen oder setzt wieder ein Hauen und Stechen ein, wenn erstmal konkrete Entscheidungen anstehen? "Ich will es mal mit einem Augenzwinkern formulieren", so Rettig: "Ich hoffe auf die Altersmilde von Herrn Rummenigge und Herrn Watzke."

In der Montagausgabe des kicker lesen Sie weitere Thesen und Ideen von Andreas Rettig. Er erklärt etwa, wie man die Abstellgebühren für die Klubs bei Länderspielen viel besser verwenden könnte, was ihn beim Thema Spielerberater "fassungslos" macht - und wer für ihn "ein fast idealtypischer Verein" ist.

kon

Karriereende vor 30: Schürrle und seine berühmten Vorgänger