Bundesliga

Sind Schmerzmittel Doping? "Ganz klar nein"

Pharmakologe Sörgel über den Einsatz im Sport

Sind Schmerzmittel Doping? "Ganz klar nein"

Pharmakologe Prof. Fritz Sörgel

Pharmakologe Prof. Fritz Sörgel picture alliance

Herr Professor Sörgel, haben Sie die Ergebnisse der Doku überrascht?

Nein. Der Schmerz gehört von jeher zum Sport, das war schon bei den Gladiatoren so. Und die, medizinisch übrigens gut versorgt, haben bereits alles Mögliche bekommen, um den Schmerz zu betäuben. Was die Reaktionen auf den Film anbetrifft, gibt es wie immer große Unterschiede. Da sind die, die selbst Sport exzessiv betreiben und sich ja nur selbst sehen. Dann diejenigen, die sagen "Wir haben es immer schon gewusst". Und dann noch die Sportfernen, die sich damit nicht beschäftigt haben und entsetzt sind.

Für mich steht der Handball über dem Fußball.

Ist der Fußball - der Deutschen liebster Sport - besonders betroffen?

Zusammen mit dem Handball. Für mich steht sogar der Handball über dem Fußball, weil dort der permanente körperliche Kontakt häufiger und ziemlich heftig ist.

Mit welchem Ziel werden die Schmerzmittel eingesetzt?

Der Sportler will seinen Sport treiben. Daran hindert ihn der Schmerz. Wenn dieser zu groß wird, gibt es eine medizinische Indikation. Sportler mit leichten bis mittleren Schmerzen wissen, dass sie sich nicht maximal belasten dürfen - was sie aber müssen, vor allem als Profi. Grundsätzlich haben doch in allen Klassen Spieler den Ehrgeiz, in guten Mannschaften zu stehen und herauszuragen. Wichtig wird da auch das Know-how, wann und wie ich das Medikament einsetze, damit es optimal wirkt.

Manche sollen es sogar prophylaktisch nehmen...

Genau. Um zum Beispiel häufiger und intensiver trainieren zu können.

Was bewirkt das Schmerzmittel im Körper des Athleten?

Der Schmerzentwicklung geht immer eine Schädigung voraus. Der Schmerz ist ein Warnsignal.

Ich halte die Dunkelziffer derjenigen, die Schmerzmittel oft einsetzen, für sehr hoch.

Wie ein Schutzmechanismus?

Exakt. Und die hauptsächlich diskutierten Mittel wie Ibuprofen und Diclofenac, bekannt unter dem Handelsnamen Voltaren, schalten diesen Schutzmechanismus aus. Man kann es einem Fußballer nicht verbieten, wenn der das hin und wieder mal macht. Allerdings halte ich die Dunkelziffer derjenigen, die Schmerzmittel oft einsetzen, für sehr hoch. Nicht nur im Fußball. Denn wer gibt gerne zu, dass er Medikamente nimmt? Oft sagen es Sportler ja nicht mal ihrem Arzt.

Welche Schäden, und erst recht Spätschäden, können durch Schmerzmittel auftreten?

Zum einen die Probleme, die direkt am Ort des Geschehens im Körper entstehen, bei den Fußballern in erster Linie das Knie und der Fuß, wenn man zulange unter Schmerzmitteln weiterspielt. Und dann die direkten Schmerzmittelschäden an Organen wie Magen, Nieren und Herz. Und das natürlich verstärkt mit zunehmendem Alter.

Gehören Schmerzmittel auf die Doping-Liste?

Ganz klar nein. Dopingmittel kann für mich nur ein Stoff sein, der durch seine Verabreichung direkt, ich betone direkt, die Leistung steigert. Die klassischen Schmerzmittel wie Ibuprofen, Voltaren oder auch Aspirin tun das nicht. Deren Wirkungen sind lange bekannt - da brauchen wir nicht über Dopingeffekte zu sprechen. Bei Morphin-Abkömmlingen wird es schwieriger. Die haben zusätzlich eine euphorisierende Wirkung bezüglich der Leistungsbereitschaft - und das ist verboten, weshalb diese Mittel nicht erlaubt sind.

Das Schmerzmittel ist ein Lifestyle-Medikament.

Wie kann man einem Schmerzmittel-Missbrauch Einhalt gebieten?

Die Standard-Antwort der Politik ist "aufklären". Und zeigen, was passieren kann. Ob es den Missbrauch eindämmt, ist die große Frage. Beim Rauchen hat es Jahrzehnte gebraucht, bis es positive Effekte hatte. Man muss sehen, das Schmerzmittel ist gesellschaftsfähig. Es ist ja mittlerweile ein Lifestyle-Medikament. Es gehört quasi in den Badezimmerschrank, denken Sie an die berühmte Aspirintablette nach einem feuchtfröhlichen Abend. Ich fände es positiv, wenn der DFB das Thema intensiv aufgreifen würde, das wäre sicher eine gute Initiative. So, wie es früher mal die Kampagne "Keine Macht den Drogen" gab. Ohne natürlich Schmerzmittel mit Drogen vergleichen zu wollen. Da muss man die Kirche im Dorf lassen.

Interview: Sabine Vögele