2. Bundesliga

DFB-Richter Lorenz: "Einsprüche bekommen Kinder"

Auch der Protest des VfB Stuttgart wird vom Sportgericht abgewiesen

DFB-Richter Lorenz: "Einsprüche bekommen Kinder"

"Ein Regelverstoß kann nicht mit der Kommunikation begründet werden": Hans E. Lorenz.

"Ein Regelverstoß kann nicht mit der Kommunikation begründet werden": Hans E. Lorenz. imago images

Würde die Kommunikation zwischen dem Schiedsrichter, in diesem Fall Sascha Stegemann, und dem Video-Assistenten im Kölner Keller, hier Dr. Robert Kampka, offenliegen, wären alle Beteiligten ein Stück weit schlauer. Doch nur die eine Hälfte, die Aussagen Stegemanns, eingefangen von den Außenmikrofonen im Wiesbadener Stadion, sind öffentlich zugänglich. Und auf eben diesen Worten baute der VfB Stuttgart seinen Einspruch auf. Denn die Schwaben meinen, daraus einen Regelverstoß erkannt zu haben. Dieser sei "unbegründet", erklärte der Vorsitzende Richter des Sportgerichts Hans E. Lorenz am Montagnachmittag. "Ein Regelverstoß kann nicht mit der Kommunikation begründet werden. In den Bestimmungen des VAR steht zudem, dass die Mitwirkung des VAR niemals zur Begründung eines Einspruches herangezogen werden kann", erklärte der Richter in der Urteilsverkündung. Die 1:2-Niederlage des VfB bei den abstiegsbedrohten Wiesbadenern vom 17. Mai bleibt also bestehen.

Aber der Reihe nach: "Ich habe auf dem Spielfeld wahrgenommen, dass der Stuttgarter Spieler den Ball mit der Hand gespielt hat. Ich hatte aber die Wahrnehmung, dass der Arm nah am Körper lag und das Handspiel deshalb nicht strafbar war und habe das Spiel deswegen weiterlaufen lassen", berichtete Stegemann von der viel diskutierten Szene, die am Ende zum Elfmeter für den SV Wehen Wiesbaden und damit zum 2:1-Sieg führte. Der Referee selbst habe daraufhin seinen Kollegen Kampka am Bildschirm gebeten, sich die Szene anzuschauen. Dieser wiederum empfahl Stegemann den Gang in die Review-Area, was der DFB schon am Tag nach dem Spiel als nicht notwendig einordnete.

Doch am Bildschirm am Spielfeldrand begannen die Probleme. Die ohnehin schon knifflige Szene war für Stegemann auf dem kleinen Bildschirm, zudem durch die Sonneneinstrahlung gestört, zunächst nur schwer zu deuten. "Da erkenne ich gar nix", funkte der 35-Jährige nach Köln. Kampka hingegen versicherte ihm bei mehrfacher Nachfrage, dass ein Handspiel vorliege. Hinter den Fakt, Handspiel oder nicht, konnte das Duo also einen Haken machen. Die Interpretation der Szene, ob das Handspiel auch strafwürdig ist, folgte. "Auf den Bildern konnte ich zweifelsfrei erkennen, dass die Armhaltung nicht natürlich war und meine erste Einschätzung aus dem laufenden Spiel revidieren", fuhr Stegemann in seiner Aussage fort. Die letztendliche Entscheidung, so versicherten beide, wurde dann auf dem Rasen getroffen.

Gute Teamarbeit? Nicht für den VfB

Beide, Kampka und Stegemann, trugen also einen Teil zur Entscheidungsfindung bei. Klingt doch nach einer guten Teamarbeit? Nicht für die Stuttgarter. Weil Stegemann trotz Ansicht derselben Bilder wie Kampka den Aussagen am Spielfeldrand nach das Handspiel offenbar nicht eindeutig nachweisen konnte, hätte er nicht auf Strafstoß entscheiden dürfen, meinen die Stuttgarter. Dr. Jan Räker, Direktor Recht beim VfB, bezog sich in seiner Begründung auf das Protokoll hinsichtlich des Video-Assistenten der internationalen Regelhüter beim IFAB (International Football Association Board). "Der Schiedsrichter trifft entweder die Entscheidung aufgrund der Hinweise des VAR oder er trifft eben eine Entscheidung, nachdem er sich die Bilder angeschaut hat. Dann darf er am Ende aber nichts entschieden, was er selbst nicht sieht."

VAR "als zusätzliches Hilfsmittel"

Diese Meinung teilte das Gericht letztlich nicht. Die bessere Qualität der Bilder im Kölner Keller spiele hier genauso eine Rolle wie der Fakt, dass sich der Schiedsrichter auf dem Rasen bei seiner letztlichen Entscheidung auch auf Aussagen seiner Teamkollegen verlassen kann. "Der Video-Assistent ist für den Schiedsrichter ein zusätzliches Hilfsmittel bei der Vorbereitung seiner Entscheidung", erklärte Lorenz. Auch bei anderen Entscheidungen, beispielsweise ob ein Ball im Aus war, oder bei Situationen, die im Rücken des Schiedsrichters geschehen, könne sich dieser auf die Aussagen seiner Linienrichter oder eben des Video-Assistenten verlassen. Ähnliches gilt laut dem Urteil auch in diesem Fall.

Hitzlsperger: "Wir sind enttäuscht"

"Wir haben mit dieser Entscheidung gerechnet. Jetzt, wo wir Klarheit haben, können wir uns voll und ganz auf die letzten vier Spiele konzentrieren. Es wurde in der Verhandlung alles plausibel und nachvollziehbar vorgetragen, sodass das Sportgericht am Ende des Tages zu keiner anderen Entscheidung kommen konnte", erklärte Wehens Sportdirektor Christian Hock im Anschluss der Verhandlung. Am Neckar hingegen ist die Reaktion erwartungsgemäß eine andere. "Wir sind enttäuscht über die Entscheidung des Sportgerichts, weil wir nach wie vor der Meinung sind, dass die Elfmeterentscheidung und damit das Endergebnis des Spiels durch einen klaren Regelverstoß zustande gekommen ist. Wir warten nun die schriftliche Urteilsbegründung ab und behalten uns vor, gegen das Urteil in Berufung zu gehen", kündigte der Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger an.

Lorenz rechnet mit weiteren Einsprüchen

Für das Sportgericht war es die erste Verhandlung seit den Corona-Maßnahmen - inklusive des benötigten Sicherheitsabstandes. Doch der nächste Einsatz wird kommen, weiß Lorenz, der einen gewissen Trend erkennt. "Einsprüche bekommen Kinder. Wenn ein Verein Einspruch erhebt, dann folgen weitere. Das war beim Thema um Bakery Jatta so und ist jetzt rund um Entscheidungen mit dem Video-Assistenten das gleiche. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht der letzte war..." In dieser Saison legten mit Hannover 96, dem SV Wehen Wiesbaden, Dynamo Dresden und nun dem VfB Stuttgart bereits vier Zweitligisten Protest gegen Spielwertungen ein.

Moritz Kreilinger