Bundesliga

Zorc ruft BVB-Profis zur Disziplin auf - und verteidigt Sancho

BVB-Sportdirektor äußert sich zu Friseurbesuchen der Profis

Zorc ruft BVB-Profis zur Disziplin auf - und verteidigt Sancho

Liefert derzeit reichlich Gesprächsstoff: Jadon Sancho.

Liefert derzeit reichlich Gesprächsstoff: Jadon Sancho. imago images

Mitgezählt hat wohl niemand, wie oft auf Pressekonferenzen von Borussia Dortmund schon mögliche disziplinarische Verfehlungen von Jadon Sancho Inhalt der Fragen waren. Doch in der Summe dürfte im Laufe der vergangenen Jahre eine stattliche Anzahl zusammengekommen sein. Der 20-Jährige ist auf dem Platz ein Freigeist - und lässt sich auch außerhalb des Rasens nur ungerne Grenzen setzen. Immer wieder sieht sich der BVB daher genötigt, ihn mithilfe von Geldstrafen oder sogar einer temporären Suspendierung an das Einhalten elementarer Regeln zu erinnern. Sei es, dass man seinen Heimat-Aufenthalt nach einem Länderspiel nicht eigenmächtig verlängern darf oder aber pünktlich zu wichtigen Teamsitzungen zu erscheinen hat.

Eins indes machten die BVB-Verantwortlichen nie mit ihrem wertvollsten Spieler: Mit ihm zu brechen. Im Gegenteil: Bei aller Kritik, die beispielsweise Sportdirektor Michael Zorc am Verhalten seines jugendlichen Gipfelstürmers auch öffentlich wiederholt äußerte, so betonte er doch immer wieder, dass Sancho eigentlich ein "guter Junge" sei. Mit Flausen im Kopf, aber ohne böse Absichten.

So auch an diesem Donnerstag. Denn da musste Zorc mal wieder Stellung beziehen zu einem Vorfall, an dem Sancho beteiligt war. Neben einigen anderen BVB-Profis hatte auch er einen Düsseldorfer Friseur zu sich nach Hause bestellt, um sich einen neuen Haarschnitt zu verpassen. Es wurden Fotos geschossen und ins Netz gestellt. Auch den kicker erreichten über Instagram diverse Bilder, die den Friseur gemeinsam mit Sancho, Manuel Akanji, Raphael Guerreiro und weiteren Borussen zeigte. Doch die erhoffte PR in eigener Coiffeur-Sache ging nach hinten los: Denn auf den Fotos tragen weder der Friseur noch die Spieler Masken. Dabei ist das nicht nur im DFL-Hygienekonzept vorgeschrieben, sondern auch in den derzeit geltenden Hygiene- und Abstandsregeln für Friseure des Landes NRW.

Zorc zieht Vergleich zum Tanken: "Gehört dazu, zum Friseur zu gehen"

"Unseres Wissens wurden während des Haareschneidens die Hygieneregeln eingehalten", erklärte Zorc, als er von einem Mitarbeiter der Dortmunder Medienabteilung eine entsprechende Frage nach möglichen Konsequenzen durch die DFL für Klub und Spieler vorgetragen bekam. "Natürlich sind wir darüber hinaus auch im Dialog mit der DFL, um den Sachverhalt genau aufzuklären."

Laut Aussage der Spieler und des Friseurs sei beim Haareschneiden nicht nur eine Maske bzw. ein sogenanntes Protection Shield aus Kunststoff zum Einsatz gekommen, auch seien Handschuhe getragen und die Arbeitsgeräte desinfiziert worden. Die Masken seien nur für die Fotos abgenommen worden. "Das", sagte Zorc, "war allerdings auch nicht richtig. Das haben wir den Spielern auch noch einmal klargemacht." Aus diesem Grund habe sich auch der Start der Pressekonferenz um einige Minuten verzögert.

Im DFL-Hygienekonzept steht zudem, dass die Spieler daheim überhaupt keinen Besuch empfangen dürfen - also strenggenommen auch keinen von einem Friseur. Zorc jedoch betonte, die Passage etwas anders aufzufassen: "Ich glaube, dass es auch im DFL-Konzept nicht verboten ist, wichtige Dinge zu tun. Wenn die Spieler mit dem Auto unterwegs sind und der Tank leer ist, dann dürfen sie tanken. Genauso gehört es dazu, zum Friseur zu gehen."

Fragen zum Hygienekonzept: "Ist es sinnvoll?"

Ob man den Besuch anschließend in den Sozialen Medien posten müsse, sei eine andere Frage. "Das gehört wohl dazu. Aber ich verstehe es bis heute nicht. Vielleicht bin ich auch zu alt dazu." Es war schließlich nicht das erste Mal, dass die BVB-Profis dem Boulevard durch öffentlich gemachte Friseurbesuche Stoff für negative Schlagzeilen lieferten: So luden sie sich 2019 einen Londoner Star-Friseur ins Mannschaftshotel ein - und verloren tags darauf ihr Champions-League-Spiel bei Tottenham Hotspur mit 0:3.

Wie zeitgemäß aktuell noch das DFL-Hygienekonzept ist, wird derzeit durchaus diskutiert unter den Bundesliga-Funktionären. Entstand es doch in einer Zeit, in der viele der aktuell für die Gesellschaft geltenden Lockerungen noch in weiter Ferne schienen. Vieles ist nun wieder erlaubt, was vorher strikt verboten war. So manches im DFL-Konzept mutet daher durchaus seltsam an. Speziell, was das Geschehen rund ums Spielfeld angeht.

"Ist es etwa sinnvoll, dass Spieler, die x-Mal getestet wurden und sich später ohne Maske auf dem Feld begegnen, auf der Ersatzbank zwei Meter getrennt voneinander mit Masken sitzen?", fragte Zorc, ohne jedoch das grundsätzliche Konzept im Frage stellen zu wollen: "Wir sollten noch immer froh sein, dass wir wieder spielen und unseren Beruf ausüben dürfen. Es ist ein fließender Prozess. Solange wir das Konzept haben, sollten wir es zu 100 Prozent umsetzen."

Hat Sancho sich aus Dortmund entfernt? Zorc dementiert

Dass man darauf immer wieder hinweisen müsse, wollte Zorc nicht allein in den Verantwortungsbereich seines Trainers Lucien Favre schieben. "Gerade in dieser besonderen Situation sind wir alle im Klub gefragt, gerade auch wir als Klubführung, auf die Disziplin zu achten", sagte Zorc, der entschieden einer weiteren Meldung entgegentrat, die den jugendlichen Freigeist Sancho betraf.

Die Bild berichtete am Donnerstag, der Engländer sei während der Zwangspause unerlaubt in seine Heimat geflogen und habe aufgrund der dadurch fällig gewordenen zweiwöchigen Quarantäne Teile des Gruppentrainings verpasst. "Unseres Wissens ist Jadon seit Wochen in Dortmund", erklärte der BVB-Sportdirektor, "er hatte wochenlang eine Wadenverletzung und hat auch diesem Grund nicht am Training teilnehmen können." Anderslautende Meldungen seien "komplett falsch".

Statement gegen Rassismus: Lob für Sancho

Eindeutig belegt indes ist das antirassistische Statement, das Jadon Sancho zuletzt bei der Partie in Paderborn abgab, als er unter seinem Trikot ein T-Shirt mit der Aufschrift "Justice for George Floyd" präsentierte, mit dem er Gerechtigkeit für den nach einem brutalen Polizeieinsatz verstorbenen schwarzen US-Bürger George Floyd einforderte. Dass sich der zuständige DFB-Kontrollausschuss am Mittwoch dazu entschied, trotz des bestehenden Verbots jeder Botschaften auf Ausrüstungsgegenständen deshalb kein Verfahren einzuleiten, begrüßte Zorc explizit - ebenso wie den Vorstoß des DFB-Präsidenten Fritz Keller, solche Botschaften künftig offiziell zu ermöglichen.

"Ich finde es sehr gut, dass der DFB-Präsident von ganz oben sich Gedanken darüber macht und aktuelle Vorfälle in seine Überlegungen miteinfließen lässt", sagte Zorc. Es sei Sancho, der als einer der ersten Fußballer in Deutschland öffentlich in dieser Sache protestiert habe, um "Menschlichkeit, um Gerechtigkeit und um ein klares Zeichen gegen Rassismus" gegangen. Auch das gehört fraglos zu der vielschichtigen Persönlichkeit des Ausnahmetalents aus London.

Matthias Dersch

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