Bundesliga

Werder Bremen: Kevin Vogts Hilferuf gegen die Durchhalteparolen

Ausgerechnet ein Leihspieler spricht Klartext in Bremen

Vogts Hilferuf gegen die Durchhalteparolen bei Werder

Kevin Vogt geht bei Werder Bremen nicht nur auf dem Platz voran.

Kevin Vogt geht bei Werder Bremen nicht nur auf dem Platz voran. imago images

Wie sehr der Bremer Auftritt gegen Leverkusen Vogt auf die Nerven ging, wurde am Montagabend schon in der 56. Minute deutlich: Sein Ellbogeneinsatz im Laufduell mit Amiri war grenzwertig, danach legte sich die Hoffenheimer Leihgabe mit erhobenem Zeigefinger auch noch mit der Bayer-Bank an. So schmal der Grat war, auf dem Vogt da wandelte, so wohltuend wirkte diese Aktion doch aus Bremer Sicht: Endlich ein Signal des Widerstands!

Bei seinen Kollegen kam das freilich nicht an - weshalb Vogt am Dienstagvormittag im "Werder-Strom-Talk" offenbar ganz bewusst noch mal deutliche Worte nachlegte. Umso bemerkenswerter, als der 28-Jährige beim entscheidenden 1:3 gegen Mitchell Weiser pennte und somit selbst angreifbar ist. Doch es spricht für Vogt, auf dem Rasen auch fußballerisch einmal mehr Impulsgeber, dass er dennoch in die Offensive geht und aufzurütteln versucht.

Das muss man auch mal kritisch ansprechen und sich nicht streicheln und sagen: Ja, das wird schon.

Kevin Vogt

Manches klingt dabei schon fast wie ein öffentlicher Hilferuf des Defensivstrategen: "Wir müssen noch ein Stück weit ekliger werden und uns mehr aufbäumen. Wir haben gestern nicht eklig genug gespielt. Da muss der Schalter schnell umgelegt werden, so viele Spiele gibt es nicht mehr. Ich wünsche mir von den Jungs, dass sie da genauso denken. Es muss in den Zweikämpfen auch mal richtig rauchen."

Es spricht Bände über das Bremer Innenleben, dass ausgerechnet Vogt einen solchen Appell starten muss: Ein Profi, der erst im Winter kam und der nach der Saison wieder weg sein wird. Den Abstiegskampf für Werder bestreitet er dennoch leidenschaftlicher als manch anderer. Auch heikle Themen spricht er im Sinn der Sache schonungslos offen an. Zum Beispiel die offenbar immer noch zu kuschelige Arbeitsatmosphäre: "Man muss auch mal kritisch sein dürfen, ohne dass es jemand falsch versteht."

Vogt legt den Finger in die Wunde

Besonders im Zusammenhang mit den billigen Standardgegentoren wie dem 1:2 am Montag: "Ich habe mir das noch einmal angeschaut. Da stimmt das Timing beim Reinlaufen einfach nicht, das ist zu einfach und darf nicht passieren auf diesem Niveau. Das muss man auch mal kritisch ansprechen und sich nicht streicheln und sagen: Ja, das wird schon. Man muss den Finger auch mal in die Wunde legen, einzelne Personen auch mal ansprechen. Da sind wir in der Verantwortung und auch das Trainerteam."

Zu harmonisch?

Der Verdacht, es gehe intern in dieser Beziehung zu harmonisch zu, drängt sich von außen betrachtet schon lange auf. Trainer Florian Kohfeldt widerspricht dem seit Monaten vehement. Doch erklärte er nach dem 1: 4 gegen Bayer auch wieder: "Ich kann jetzt nicht auf die Mannschaft eindreschen. Der Schlüssel wird sein, dass wir das Vertrauen in unser Offensivspiel behalten." Für den Zuhörer sind das die bekannten Durchhalteparolen aus der Zeit vor der Corona-Pause, die eigentlich zum Wendepunkt werden sollte.

Kohfeldt: "Kleine Abstimmungsprobleme"

So wie sich zuvor auf dem Rasen die Bilder glichen, taten es auch anschließend die Töne der Verantwortlichen. Manager Frank Baumann konstatierte zwar eine "bittere Niederlage" und einen "Rückschlag", wiederholte am Dienstag aber einmal mehr das Vertrauen in den Trainer, nahm die wirkungslosen Angreifer wie Milot Rashica und Davie Selke mit Verweis auf deren Defensivaufgaben in Schutz und sprach von "kleinen Abstimmungsproblemen bei den Gegentoren, die wir definitiv abstellen müssen". Bleibt die große Frage: Wann will man damit beginnen? Baumann: "Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir wieder aufstehen und am Samstag ein positives Ergebnis aus Freiburg mitbringen können." Sätze wie diesen hört man an der Weser aber inzwischen schon viel zu lange, als dass man sie noch für produktiv halten könnte.

Thiemo Müller

Bilder zur Partie Werder Bremen - Bayer 04 Leverkusen