Bundesliga

Lieblingsspiel: Frankfurt feiert ein 3:3 bei Bayern München

Bundesliga, 9. Spieltag, Bayern - Frankfurt, 15. Oktober 1994

Lieblingsspiel: Ein fantastisches Comeback und ein Danke an Slobodan

Slobodan Komljenovic feiert den Ausgleich für die Eintracht.

Slobodan Komljenovic feiert den Ausgleich für die Eintracht. imago images

Das 5:1 gegen Kaiserslautern im Abstiegskampf 1999, das 6:3 gegen Reutlingen im Aufstiegsrennen 2003, das Pokalfinale 2018, die vergangene Europapokalsaison - die jüngere Geschichte der Frankfurter Eintracht ist voll von unfassbar emotionalen Momenten, die für mich wohl auf ewig unvergessen bleiben. Ebenso wie mein erstes persönliches Live-Erlebnis mit der SGE: das Auswärtsspiel bei den Bayern am 15. Oktober 1994.

Die Chancen auf ein Erfolgserlebnis sind gering

zum Spiel

Dass ich diesen Tag im Olympiastadion verbringen darf, verdanke ich meinem Heimatverein TSV Vellberg, der eine Busfahrt zu diesem Spiel organisiert. Für mich ein Glückslos, endlich bekomme ich die Eintracht live zu sehen. Die Chancen auf ein Erfolgserlebnis sind freilich gering. Die Hessen, mit Titelambitionen in die Saison gestartet, fremdeln unter ihrem neuen Trainer Jupp Heynckes. Maurizio Gaudino ist ausgemustert, Anthony Yeboah wiegt zu viel und Jan Furtok hat das Toreschießen eingestellt.

Zudem ist die Bilanz beim Rekordmeister auch damals, gelinde gesagt, desaströs: Beim letzten Sieg in München, dem 3:0 im Dezember 1976, hatte ich noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt, und nur ein Pünktchen sprang seitdem bei Auswärtsfahrten zu den Bayern heraus. Etwas Hoffnung macht einzig die Verpflichtung von Thomas Doll, der wenige Tage zuvor von Lazio Rom an den Main zurückgeholt wurde und nun sein Debüt feiert.

Der Großteil unserer Reisegruppe drückt den Gastgebern die Daumen. Sie freuen sich auf ihr Bier, ihren Sitzplatz auf der Gegengerade, die Herbstsonne im Gesicht und einen standesgemäßen Sieg. Doll ist ihnen egal, Frankfurt auch. Doch immerhin zwei Mitfahrer sind ebenfalls Anhänger der SGE, Ausnahmen in einem Landstrich voller Bayern- und VfB-Fans.

Trotz ausverkauftem Haus herrscht kein Blockzwang

Wir verzichten auf die Annehmlichkeiten eines Sitzplatzes und sind froh, dass trotz ausverkauftem Haus kein Blockzwang herrscht, sodass wir mit unseren Tickets in die Frankfurter Kurve spazieren können. Das ist heute ebenso ungewohnt wie die gelben Trikots, in denen die Eintracht aufläuft. Dass die Uhren damals noch anders ticken, zeigt auch die Polizei, die im Laufe der Partie unbehelligt mit einer kleinen Einheit dem Gästeblock ihre Aufwartung machen kann und einen Fan einkassiert, der neben uns (unvermummt!) ein bengalisches Feuer abbrennt.

Starker Auftritt von Hoffnungsträger Doll

Das Spiel beginnt mit einem Paukenschlag. Unser Hoffnungsträger benötigt keine Anlaufzeit, bedient in der 5. Minute Mirko Dickhaut, der für das schnelle 1:0 und Jubel bei uns sorgt. Was für ein Start! Dass frühe Führungen gegen die Bayern oft nichts wert sind, weiß man allerdings und so werden die Angriffsbemühungen der Bayern in der 37. Minute belohnt, als Markus Babbel ausgleicht. Mit 1:1 geht es in die Pause, es hätte schlimmer kommen können. Die Eintracht hält gut mit und erspielt sich selbst immer wieder Chancen, vor allem über den agilen Doll. Vielleicht wird das ja was mit einem Punkt. Oder sogar mehr? In der 54. Minute geht Doll durch die FCB-Abwehr wie das heiße Messer durch die Butter: Doppelpass mit Furtok, Doppelpass mit Dickhaut, Abschluss, Tor! Wahnsinn! Was für ein Comeback! Ich möchte auf den Platz stürmen und ihn umarmen.

Komljenovic setzt fulminanten Schlusspunkt

Die Freude währt dieses Mal jedoch noch kürzer als nach dem 1:0. Erst stolpert Christian Ziege den Ball ins Tor, dann beendet Alain Sutter in der 83. Minute seine fast 16-stündige Durststrecke mit einem spektakulären Schuss, von dem er wahrscheinlich heute noch träumt. Auch wenn ich damals noch nicht so leidgeprüft bin wie heute, das Gegentor überrascht mich nicht. Das ist eben mein Verein, siehe Rostock 1992. Und das sind eben die Bayern, da läuft das so. Immerhin wurde ich bis zum 2:3 gut unterhalten. Hoffnung auf ein Happy End? Kaum vorhanden. Doll ist ausgewechselt, Yeboah scheint nicht mehr zu können, wer soll das Ruder noch rumzureißen?

Manfred Binz

Überraschendes Erfolgserlebnis: Manfred Binz und Eintracht Frankfurt punkteten in München. imago images

Und dann segelt plötzlich eine Flanke von Thorsten Legat in den Strafraum, die Slobodan Komljenovic direkt vor unseren Augen im Tor von Oliver Kahn zum 3:3 versenkt - der fulminante Schlusspunkt einer wilden Achterbahnfahrt. Danke Slobodan! Danke für diese unvergleichliche Euphorie!

Beim ersten Eintracht-Sieg im Stadion heißt der Gegner Zwickau

Mit diesem Achtungserfolg sorgt Frankfurt immerhin nochmal für Positivschlagzeilen. Das gelingt in der Folge nur noch selten. Dolls verheißungsvoller Auftritt bleibt eine Ausnahme, aufgrund verschiedener Verletzungen kommt er nicht in Tritt. Die Berichterstattung wird dominiert von der Fehde zwischen Heynckes auf der einen sowie Gaudino, Yeboah und Okocha auf der anderen Seite. Erst wird das Trio suspendiert, dann trennen sich die Hessen im Frühjahr von ihrem Trainer. Die Talfahrt hält das nicht auf.

Als ich im August 1996 meinen ersten Eintracht-Sieg im Stadion erlebe, müssen wir uns schon nicht mehr mit Mannschaften wie Bayern München messen. Gegner ist der FSV Zwickau, gegen den die SGE ihr erstes Zweitligaheimspiel überhaupt glanzlos mit 2:1 gewinnt. Die Erinnerungen daran sind allerdings wesentlich blasser als die an das furiose 3:3 in München.

Ullrich Schindler

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