"Fußball ist Psychologie pur, er ist für Denken und Fühlen vieler Menschen von großer Wichtigkeit", sagt Haller, der unter anderen als Gutachter im Rahmen des Amoklaufs von Winnenden bekannt wurde. Der Buchautor mit seinen jüngsten Werken "Das Wunder der Wertschätzung" und "Das Böse: Die Psychologie der menschlichen Destruktivität" sieht gerade im Fußball das Medium für den Abbau von Aggressionen.
Haller: "Auch ein Spiel ohne Zuschauer kann viel erfüllen"
"Das hohe Aggressionspotenzial, das sich in den Menschen während der Corona-Krise mit ihren Einschränkungen aufgestaut hat, muss irgendwie abgeführt werden. Durch Spaziergänge und eine Stunde Bewegung am Tag geschieht das zu wenig. Beruflicher Wettbewerb ist derzeit kaum möglich, und Wettkampfsport fällt auch aus", meint der 68 Jahre alte Haller. Geisterspiele könnten den Abbau von Aggressionen fördern. Wobei er diesen Begriff für Spiele ohne Stadionbesucher "nicht gut" findet: "Wer sind die Geister? Die Fußballspieler, die nicht vorhandenen Zuschauer oder etwas, was über dem leeren Stadion schwebt? Von den emotionalen Bedürfnissen her betrachtet, kann auch ein Spiel ohne Zuschauer viel erfüllen."
Auch für den Fernsehzuschauer von Fußballspielen kommt laut Haller "all das, was man emotional hinterlegt - die Identifikation mit der eigenen Mannschaft, die taktischen Überlegungen, der direkte Kampf, die eigenen Reaktionen auf Sieg und Niederlage - zum Tragen. Zwar nicht in der intensiven Art und Weise wie im Stadion, aber doch ganz ordentlich. Das verhindert, dass sich bei Menschen in Isolation aggressives Potenzial aufstaut, und bewirkt, dass die Ursache der vielgenannten familiären Probleme, von Streit bis hin zu Gewalttätigkeiten gegen Partner und Kinder, ein Stück wegfällt. Geisterspiele wären eine gute Möglichkeit, den Frustrationslevel zu reduzieren und den zunehmenden Aggressionsdruck in sozial verträglicher Weise zu kanalisieren."
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