Bundesliga

Bernd Schuster wird 60: "Als Spieler war ich der Wahnsinn!"

Genie und Dickkopf: Der "Blonde Engel" wird 60 Jahre alt

Schuster: "Als Spieler war ich der Wahnsinn!"

Bernd Schuster feiert am Sonntag seinen 60. Geburtstag.

Bernd Schuster feiert am Sonntag seinen 60. Geburtstag. imago images

Man kann es drehen und wenden wie man will - rechnet man seine Genialität gegen die Karriere auf, dann bleibt ein nur teilweise eingelöstes Versprechen übrig. Hier der Bernd Schuster, der dank seiner Fußballkunst jedem Liebhaber dieses Sports die Tränen des Glücks in die Augen trieb. Dort derselbe Mensch, der so oft so sehr nervte mit seinen Eskapaden, seinem Eigensinn, seinen Launen. Der Vorgesetzte und Mitspieler zur Weißglut trieb und es wie kein Zweiter verstand, zu schweigen, wenn man sich eine Erklärung erhoffte.

Die "Geißböcke" machten das Rennen gegen die "Fohlen"

Als Jugend-Nationalspieler des FC Augsburg wechselte er 1978 zum 1. FC Köln, und schon dieser erste Schritt in die Karriere ließ erahnen, dass da ein ganz spezieller Akteur die große Bühne betritt. Denn nicht nur in Köln, auch in Mönchengladbach lag ein Vertrag mit seiner Unterschrift im Safe. Die "Geißböcke" machten das Rennen gegen die "Fohlen" und es begann eine Zusammenarbeit, eben so kurz wie gedeihlich. Titel gewann der FC mit Schuster zwar nicht. Aber schnell sah jeder, welch ein wunderbarer Fußballer da auf dem Platz stand. Hennes Weisweiler, der Über-Trainer, der wahrlich eine Menge Weltklasse-Fußballer trainierte, sagte nach ein paar Monaten gemeinsamer Arbeit: "Er ist der beste Fußballer, den ich je im Training hatte!" Schuster revanchierte sich: "Er war wie ein Vater zu mir."

Schuster wird im Alter von 19 Jahren Nationalspieler

Unter Weisweiler avancierte "der blonde Engel" zum Nationalspieler, gerade 19 Jahre alt war er, als Jupp Derwall ihn am 22. Mai 1979 in Dublin gegen Irland erstmals aufstellte. Es war dies die Zeit, in der es um Schuster begann, ein wenig seltsam zu werden. Es folgten Spiele von solcher Brillanz, dass es einem den Atem verschlug. Und es folgten Auseinandersetzungen von solcher Sinnlosigkeit, dass man sich in einem miesen Film wähnte.

Gaby Schuster wird quasi in den Hexenstand erhoben

Die erzkonservativen deutschen Fußball-Autoritäten fremdelten reihenweise mit dem Dickkopf, der viel zu wenig kommunikativ war, um alle Missverständnisse um ihn herum ausräumen zu können. Um die Fronten auf allen Seiten zu verhärten, wurde Schusters Ehefrau Gaby, die ihren sechs Jahre jüngeren und unerfahrenen Mann clever durch die Untiefen des Profi-Geschäfts führte, quasi in den Hexenstand erhoben, nicht selten an den öffentlichen Pranger der gelebten männlichen Rückständigkeit gestellt.

EM-Titel als Krönung der kurzen Nationalelf-Karriere

Die Europameisterschaft 1980 bedeutete für den Alleskönner auf dem Rasen - der Innenverteidiger ebenso spielen konnte wie Sechser, Achter oder Zehner - den internationalen Durchbruch. Der gerade 20-Jährige holte den Titel mit der DFB-Elf, diese zwei Wochen in Italien sollten zugleich der Höhepunkt seiner DFB-Karriere sein, die im Februar 1984 mit dem 21. Länderspieleinsatz ihr vorzeitiges Ende fand. Von da an war er Ex-Nationalspieler.

Schuster: "Als Spieler war ich der Wahnsinn"

Ex-Kölner war er bereits seit 1980 nach einem kompletten Zerwürfnis mit dem Weisweiler-Nachfolger Karl-Heinz Heddergott. Der ehrpusselige Pädagoge langweilte den Star zunehmend, der tat das, was er immer tat, wenn es öde wurde: "Als Spieler war ich der Wahnsinn. Wenn es mir zu eintönig wurde, habe ich gezündelt, Theater gemacht. Ich dachte, wenn es richtig kracht, spiele ich am besten." Nach einem kurzen Flirt mit Cosmos New York - wohin sein Lehrmeister Hennes Weisweiler gezogen war - wechselte er für 3,6 Millionen Mark zum FC Barcelona.

Fast als Wunder ist unter dieser Voraussetzung zu bewerten, dass seine Zeit in Barcelona acht Jahre andauerte. Auch hier reihte sich Konflikt an Konflikt, seine Leistungen allerdings blieben über Jahre auf konstant hohem Niveau. Gaby Schuster (seit 2011 ist das Paar geschieden, gemeinsam haben sie vier Kinder, mit der Mutter seines fünften Kindes, Elena Blasco, ist Schuster seit 2012 verheiratet) mehrte in knallharten Verhandlungen den Wohlstand der Familie und schaffte es, aus dem Barca-Idol eine Real-Ikone werden zu lassen, die sich schließlich Atletico anschloss (ein Dreisprung, den sonst nur noch der ehemalige spanische Nationalspieler Miguel Soler schaffte), geschmückt dies alles mit Trophäen und persönlichen Auszeichnungen: Neun Titel sammelte er, zweimal wurde er zum "Besten ausländischen Spieler der Primera Division" gewählt.

Verehrt wurde er wegen seines eleganten Spiels aus der Tiefe, seiner gefühlvollen Pässe über viele Meter, seine raffinierten Schüsse und der unvergleichlichen Lässigkeit, die seinem Spiel so eigen war. Alles Vorzüge, die fehlende Schnelligkeit kompensierten.

"Tor des Jahrzehnts" und Ärger, Ärger, Ärger

Gefechte mit seinen Trainern führte er auch in Spanien, ob mit Helenio Herrera oder mit Udo Lattek. Und zurück in Deutschland dann auch mit Dragoslav Stepanovic und Erich Ribbeck. Reiner Calmund holte Schuster 1993 nach Leverkusen, Fußball-Deutschland bekam noch einmal die volle Dröhnung serviert. Geniale Spiele, spektakuläre Tor (unter anderem das "Tor des Jahres 1994", das auch "Tor des Jahrzehnts" wurde) und: Ärger, Ärger, Ärger.

Im November 1995 wurde Schuster nach fortwährenden Auseinandersetzungen mit Ribbeck suspendiert, klagte sich ins Training ein, schließlich die Trennung. Als Bayer in jener Saison in arge Abstiegsnöte geriet, rief Gaby Schuster bei Calmund an, wollte das Kriegsbeil begraben und bot Bernd als Helfer in der Not an. Calmund zeigte sich beeindruckt, lehnte aber ab, weil der ehemalige Kapitän bei den Kollegen in Ungnade gefallen war.

"Die Kunst des Trainers besteht darin, Fußball einfach zu erklären"

Lang' ist es her, Bernd Schuster wird am 22. Dezember runde 60 Jahre. Es ist still um ihn geworden, der 1998 eine Trainerkarriere startete, die in Köln begann, wo er sowohl die Fortuna als auch den FC coachte. Zwischendurch arbeitete er in Spanien (Jerez, Levante, Getafe, Malaga und Real), der Ukraine (Donezk) und der Türkei (Besiktas Istanbul), am Ende verschlug es ihn nach China, wo er 2019 in Dalian entlassen wurde. Als wissenschaftlicher Trainer und Volksredner war Schuster nicht bekannt. Sein Credo formulierte er 2005 im kicker-Interview so: "Die Kunst des Trainers besteht darin, Fußball einfach zu erklären. Denn je größer die Klasse eines Spielers, desto einfacher spielt er." Meister wurde er auf diese Art 2008 mit Real, das bleibt als größter Erfolg des Trainers Schuster. Doch nach den Feiern im Mai war bereits im Dezember nach einer Niederlagenserie Schluss. Als Experte ist er auch heute noch gefragt, geredet wird aber nur, wenn er Lust hat. Und die hat er eben nicht immer. Da hat sich wenig geändert seit damals.

Frank Lußem

Bernd Schuster wird 60: "Blond", aber nicht immer ein "Engel"