Bundesliga

Wiederholungstäter Abraham: Die Vorgeschichte mit Grifo

"David ist und bleibt unser Kapitän"

Wiederholungstäter Abraham: Die Vorgeschichte mit Grifo

Wiederholungstäter: Frankfurts Kapitän David Abraham, rechts Freiburgs Trainer Christian Streich.

Wiederholungstäter: Frankfurts Kapitän David Abraham, rechts Freiburgs Trainer Christian Streich. imago images

In den Stunden nach dem Schlusspfiff konnte man fast den Eindruck gewinnen, alles sei Friede, Freude, Eierkuchen. Um 21.02 Uhr twitterte die eifrige Social-Media-Abteilung der Eintracht ein Foto, auf dem sich Abraham und Grifo in der Kabine strahlend die Hand geben, um 21.53 Uhr folgte ein entschuldigendes Statement, und selbst Christian Streich kommentierte das Geschehen hinterher mit erstaunlicher Gelassenheit. Bei Instagram schrieb Abraham am späteren Abend in einer weiteren Entschuldigung euphemistisch, dass es "keine glückliche Aktion" gewesen sei.

Alles also halb so wild? Die üblichen Emotionen, von denen der Fußball lebt? Das wäre eine fatale Annahme. Der heftige Bodycheck gegen Streich wird als einer der negativen Höhepunkte in jedem Jahresrückblick zu sehen sein und muss hart sanktioniert werden. Ob Abraham in der Liga vor Weihnachten noch einmal auf dem Rasen steht, erscheint ungewiss.

Schon mehrmals ist Abraham um eine Sperre herumgekommen

Natürlich ist auch Streich kein Unschuldslamm, dem Trainer fällt es während der 90 Minuten schwer, seine Emotionen auf ein normales Maß zu reduzieren. Dafür muss er zu Recht immer wieder Kritik einstecken. Man kann es auch als kleine Provokation werten, dass er einen halben Schritt nach rechts in Abrahams Laufrichtung unternahm. Doch das entschuldigt oder rechtfertigt den Aussetzer des 33-Jährigen in keiner Weise, für den Zusammenstoß war allein Abraham verantwortlich.

Es ist nicht der erste schwere Fehltritt des Verteidigers. Woran sich viele nicht mehr erinnern werden, sind die zwei Tätlichkeiten, die sich Abraham am 1. Oktober 2016 beim Spiel in Freiburg leistete. Erst grapschte er Grifo bei einer Rudelbildung ins Gesicht (67.), später kam es noch zu einem Ellbogenschlag (76.). Trotz bester Sicht ahndete Schiedsrichter Marco Fritz diese Aktionen nicht, wegen dieser Tatsachenentscheidungen konnte Abraham auch im Nachhinein nicht belangt werden. Ob sich Grifo deshalb ebenfalls zu einer Tätlichkeit hinreißen ließ, ist allerdings fraglich. Möglicherweise flippte er allein deshalb aus, weil sein sportlicher Ziehvater Streich attackiert wurde. Klar ist: Das Verhalten des italienischen Nationalspielers ist ebenfalls inakzeptabel und wird mit einer Sperre bestraft werden.

Abraham wird es wohl nicht mehr lernen

Mehr Glück als Verstand hatte Abraham auch im Heimspiel gegen Hoffenheim am 9. Dezember 2016. Damals schlug er Sandro Wagner den Ellbogen brutal an den Kopf, auch diesmal sah und bewertete der Referee die Szene, zeigte Abraham aber keine Karte. Erneut kam er ohne nachträgliche Sperre davon. Nach dem neuerlichen Ausraster muss man nüchtern feststellen: Er wird es wohl nicht mehr lernen. Erwähnt sei noch Abrahams Rote Karte, die er im Spiel gegen Ingolstadt am 18. Februar 2017 für einen Kung-Fu-Tritt gegen Dario Lezcano sah, bei dieser Aktion war ihm allerdings keine Absicht zu unterstellen.

So etwas habe ich in meiner aktiven Karriere und danach auch nicht gesehen. Persönliche Attacken gegen den Coach? Das darf es nicht geben.

Dietmar Hamann

Erstaunlich ist, wie die Eintracht am Tag danach mit der Situation umgeht. Von außen betrachtet stellt sich nach der krass unsportlichen Attacke gegen Streich die Frage, ob Abraham im Kapitänsamt noch gut aufgehoben ist. Seiner Vorbildfunktion, die er als Mannschaftsführer in besonderem Maße hat, kann er nach wiederholt schweren Tätlichkeiten nicht mehr gerecht werden. Hinzu kommt, dass er seinem Team einen Schaden zugefügt hat, da er voraussichtlich zahlreiche Spiele verpassen wird. Dietmar Hamann, als Spieler selbst kein Kind von Traurigkeit, sagte bei Sky: "So etwas habe ich in meiner aktiven Karriere und danach auch nicht gesehen. Der Trainer ist heilig beziehungsweise geschützt. Persönliche Attacken gegen den Coach? Das darf es nicht geben." Der Ex-Profi fordert eine harte Strafe. "Ich gehe davon aus, dass David Abraham eine lange, lange Sperre bekommen wird. Ich glaube nicht, dass wir ihn vor Weihnachten noch einmal sehen werden - vielleicht noch länger. Hier muss man ein Exempel statuieren, damit man den Leuten sagt: 'So geht es nicht!'"

Hütter: "David ist und bleibt weiterhin unser Kapitän"

Die Verantwortlichen der Eintracht wollen die Diskussion um Abraham indes möglichst schnell beenden. Am Montagmittag verbreitete ein Vereinssprecher folgendes Statement von Trainer Adi Hütter: "David Abraham hat einen Fehler gemacht, den er auch eingesehen hat. Er hat sofort mit Christian Streich das Gespräch gesucht und sich entschuldigt. Zwischen allen Beteiligten ist die Situation bereinigt. Wir haben auch mit ihm gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir solche Aktionen nicht akzeptieren und auch nicht mehr sehen wollen. Aber David ist und bleibt weiterhin unser Kapitän."

Damit kein Missverständnis entsteht: Es ist Hütters Aufgabe, seine Spieler zu schützen. Abraham als Kapitän abzusetzen, würde diesen jedoch nicht irreparabel beschädigen. Der Argentinier wird zurückkehren und nach guten Leistungen von den Fans auch wieder gefeiert werden. Niemand wird wegen einer Tätlichkeit in ewige Verdammnis geschickt. Einfach so zur Tagesordnung überzugehen, wird dieser schweren Verfehlung jedoch auch nicht gerecht. Abraham sollte nicht nur vom DFB-Sportgericht zu spüren bekommen, dass die Attacke auf einen gegnerischen Trainer kein Kavaliersdelikt ist.

Julian Franzke

Bilder zur Partie SC Freiburg - Eintracht Frankfurt