2. Bundesliga

Canadi-Aus: Beim Club gibt es keinen Sieger

1. FC Nürnberg sucht neuen Trainer und hält an Zielen fest

Canadi-Aus: Beim Club gibt es keinen Sieger

Lange Gesichter nach 1:3 und Trainerentlassung: Beim 1. FC Nürnberg läuft es aktuell überhaupt nicht rund.

Lange Gesichter nach 1:3 und Trainerentlassung: Beim 1. FC Nürnberg läuft es aktuell überhaupt nicht rund. imago images

Ist vielleicht die Mannschaft ein Sieger im aktuellen Herbstdilemma beim Club? Da einige Spieler von ihr mit dem Führungsstil des inzwischen entlassenen Damir Canadi so ihre Probleme hatte, müsste sie jetzt ja befreit aufspielen können. "Gefasst" hatte sie es laut Sportvorstand Robert Palikuca aufgenommen, als ihr dieser am Dienstagvormittag die Trennung mitteilte.

Was der Sportvorstand ihr dabei auch ins Stammbuch schrieb: Die Zeit der Alibis ist vorbei - und dass der Verein nun auf dem Rasen eine entsprechende Reaktion sehen will. Keine neue Forderung, sie hatte Palikuca bereits nach dem Pokal-Aus in Kaiserslautern an die Adresse seines kickenden Personals gerichtet. Damals verbat er sich noch eine Trainerdiskussion und nannte die im Umfeld des Vereins hier und da erhobene Aufforderung "Canadi-Raus!" als respektlos. Fünf Tage später reichten 45 Minuten, damit all dies Makulatur wurde.

Der blutleere, mit haarsträubenden individuellen Patzern gespickte Auftritt in der ersten Hälfte in Bochum war der berühmte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Dass sich der Club nach der Pause erheblich steigerte und mit einer ganz anderen Körpersprache zu Werke ging, kam zu spät, um die 1:3-Niederlage und damit auch das Aus des Trainers zu verhindern. Als sich am Tag nach der Niederlage am Vormittag Canadi und Palikuca zusammensetzten, war das Gespräch längst nicht mehr ergebnisoffen. Der Sportvorstand hatte am Vorabend in Bochum mit Dr. Thomas Grethlein, dem designierten Vorsitzenden des Aufsichtsrates, bereits die Stoßrichtung mitgeteilt.

Die Glücksgöttin sah sich beim Wiener nie um

Die Atmosphäre des Gesprächs mit Canadi selbst bezeichnete Palikuca als gut: "Damir ist auch mit sich selbst sehr hart ins Gericht gegangen." Am Ende seien sich beide einig gewesen, dass es im Sinne des Vereins das Beste sei, wenn die Mannschaft einen neuen Impuls bekomme.

Was Canadi auf jeden Fall ehrt: Er hat sich bis zum Schluss vor die Mannschaft gestellt, öffentlich nie einzelne Profis herausgepickt, um individuelle Fehler anzuprangern. "Ich habe die sportliche Verantwortung - und die übernehme ich auch", so der Österreicher, der es in seinen vier Monaten in Nürnberg wahrlich nicht leicht hatte und zudem das im Fußball so wichtige Momentum nicht auf seiner Seite hatte.

Erst der riesige Umbruch, dann die Nachwehen einer brutal ernüchternden Vorsaison, die Formkrisen etlicher Führungsspieler, die gerade die Defensive heimsuchende Verletzungsseuche, extrem unglückliche Spielverläufe - auch wenn das alles nicht nur mit Pech zu tun hatte, die Glücksgöttin streichelte in Franken den Wiener nicht einmal zart die Wange. Und so passt es ins Bild, dass es selbst bei kleinen Details gehakt hat. Siehe Bochum. Da gewinnt Kapitän Hanno Behrens zum Beispiel die Seitenwahl und beordert das 18-jährige Greenhorn Benedikt Willert zum Einstand direkt ins Tor hinter der VfL-Fankurve.

Mintal wird es nicht langfristig werden

Vergangenheit, ebenso wie Canadi und sein Co-Trainer Erik Orie. Was aber nun bei den Nürnberger? "Ich habe mir schon ein paar Gedanken gemacht", so der Sportvorstand nach der Trennung von seinem Wunschtrainer, den er im Sommer als seinen "Königstransfer" bezeichnete. Dass Canadis jähes Ende nun für eine dicke Delle in seinem Ansehen gesorgt hat, liegt auf der Hand. Palikuca selbst mag sich mit dem Thema "persönliche Niederlage" nicht befassen und führt in dem Zusammenhang das an, was man in solchen Momenten eben sagt. Es gehe um den FCN und nicht um persönliche Einzelschicksale.

Robert Palikuca ist Sport-Vorstand beim 1. FC Nürnberg.

Hat die Saisonziele weiter fest im Blick: Robert Palikuca, Sport-Vorstand beim 1. FC Nürnberg. imago images

Also, rein auf den FCN bezogen: U-21-Coach Marek Mintal übernimmt mit dem verbliebenen Co-Trainer Fabian Gerber die Mannschaft interimsweise, zur Dauerlösung wird er nicht, rein lizenztechnisch wäre dies kein Problem. Da das FCN-Idol mit dem Spitznamen "Phantom" jedoch gerade in der Slowakei seinen Fußballlehrer baut und dort noch Lehrgänge zu absolvieren hat, schließt Palikuca diese Lösung aus.

Palikuca: "Von unserer Zielsetzung rücken wir nicht ab"

Eine Lösung will er am liebsten in der Woche nach dem Bielefeld-Spiel präsentieren. "Das wäre angesichts der Länderspielpause der ideale Zeitpunkt. Allerdings setzen wir uns da auch nicht unter Druck, der Trainer ist schließlich eine der wichtigsten Personalie im Verein." Klar ist indes das Anforderungsprofil: Der Neue muss eine Mannschaft entwickeln können, angesichts der Kaderzusammenstellung ein Faible für Offensivfußball haben und über eine emotionale Ansprache sowie mitreißende Art verfügen. Ein nicht-deutschsprachiger Fußballlehrer fällt damit schon mal flach. Der nun von vielen gehandelte Markus Anfang indes nicht. Der zuletzt beim 1. FC Köln tätige 45-Jährige hat in Kiel eine Mannschaft aufgebaut, die er mit einem spektakulären Spielstil erst in die 2. Liga und dort in der Saison 2017/18 auf Anhieb auf Rang 3 geführt hat. Würde also prima passen, zumal er am Wochenende Hannover absagte. Ob er es beim Club anders handhaben würde?

Doch egal ob nun Anfang oder ein anderer: Der neue Coach muss sich auf jeden Fall zutrauen, die Ziele zu erreichen, die sich der FCN gesteckt hat. In dieser Saison möchte er mindestens unter die Top-6, um dann spätestens in der nächsten Saison aufzusteigen. Und zwar mit einer Mannschaft, die so weit entwickelt worden ist, um sich in der Bundesliga zu etablieren. "Von unserer Zielsetzung rücken wir nicht ab", betont Palikuca.

Was der Neue jedoch vorerst einmal schaffen muss: die Mannschaft schnell stabilisieren, die Abstiegsränge sind nur mickrige zwei Punkte entfernt. Und was passieren kann, wenn ein hochgehandelter und vermeintlich erstklassiger Kader plötzlich im Abstiegskampf seinen Mann zu stehen hat, davon kann der FC Ingolstadt als warnendes Beispiel berichten.

Christian Biechele

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