Bundesliga

Union vs. Hertha: Der große Derby-Check

Union führt mehr Zweikämpfe, Hertha passt präziser

Union vs. Hertha: Der große Derby-Check

Stehen sich am Samstag gegenüber: Union-Coach Urs Fischer (l.) und sein Pendant auf Seiten von Hertha, Ante Covic.

Stehen sich am Samstag gegenüber: Union-Coach Urs Fischer (l.) und sein Pendant auf Seiten von Hertha, Ante Covic. imago images

Defensive: In den vergangenen Spielen spiegelte Trainer Urs Fischer das System des Gegners. Sowohl mit Dreier- als auch mit Viererkette wirkte Union stabiler als in den ersten Wochen der Saison. Der Bundesliga-Neuling verteidigte zum Teil höher und mutiger, agierte insgesamt abgeklärter. Pressing, Ordnung und Aggressivität sollen den Aufsteiger auszeichnen. "Es ist ein Gesicht von uns, gegen den Ball zu arbeiten, viel zu investieren, da wird dir nichts geschenkt. Die Kampfkraft müssen wir so beibehalten", sagte Fischer nach dem Pokalerfolg in Freiburg. Gegen schnelle Gegner sind die Eisernen allerdings anfällig.

Herthas Defensive anfällig

Hertha BSC hat die defensive Stabilität, in den viereinhalb Jahren unter Ante Covics Vorgänger Pal Dardai der größte Trumpf, in Teilen eingebüßt. 16 Gegentore in der Liga - und damit eines mehr als Union - sind zu viel. Selbst der Zweitliga-Vorletzte Dynamo Dresden traf in 120 Pokal-Minuten am Mittwoch drei Mal gegen Hertha. Vor allem bei Kontern und gegnerischen Standards schwächelt Covics Team aktuell. Problem: Seine Viererkette musste der Trainer zuletzt wegen Verletzungen (Stark, Mittelstädt, Boyata, zuvor Plattenhardt) permanent umbauen. Dazu kommt: Das zentrale Mittelfeld schafft es zeitweise nicht, die Abwehr ausreichend zu entlasten. Besonders Marko Grujic, der nicht in der Form des Vorjahres ist, muss sich defensiv steigern.

Offensive: Neben dem kämpferischen Element sind lange Bälle ein Merkmal der Köpenicker. Bevorzugte Anspielstation ist Sebastian Andersson, der als Zielspieler viele (Kopf-)Bälle holt. Zu Beginn der Saison mangelte es ihm mitunter an Unterstützung durch seine Teamkollegen. Zuletzt war auch das (wie für Anthony Ujah, Anderssons Vertreter im Pokal in Freiburg) deutlich besser, da Union kompakter stand. Zudem zeigte sich die Mannschaft effektiver (sechs Tore in den vergangenen drei Pflichtspielen) und in den entscheidenden Momenten präziser im Passspiel (wenngleich die Passquote nicht nur aufgrund der vielen langen Bälle nach wie vor stark ausbaufähig ist). Von Vorteil erwies sich die Maßnahme, den technisch und spielerisch guten Marcus Ingvartsen aus dem Zentrum auf den Flügel zu ziehen, wo er seine offensiven Qualitäten derzeit besser ausspielen kann und näher am gegnerischen Tor ist.

Jokertore: Alte Dame mit neuer Kadertiefe

Hertha BSC hat unter Covic im Spiel nach vorn an Tempo und Torgefahr zugelegt, das Offensivspiel wirkt weniger statisch und ausrechenbar als in den Vorjahren. "Im Moment", sagt der Coach mit Blick auf die turbulenten Partien gegen Hoffenheim (2:3) und Dresden (5:4 i.E., 3:3 n.V.), "bieten wir Spektakel". Allerdings fehlte es zuletzt an Effektivität im Abschluss. Die Neuzugänge Dodi Lukebakio und Marius Wolf wurden auf Anhieb Verstärkungen, Sturm-Senior Vedad Ibisevic ist ein wichtiger Faktor, der in der Vorsaison lange verletzte Javairo Dilrosun ist zurück und wertet Herthas Offensive enorm auf. Dass Ondrej Duda eine durchwachsene Saison spielt und Davie Selke noch nicht zündet, kann Hertha bislang verschmerzen. Anders als in den Vorjahren kommen in vielen Spielen von der Bank wichtige Impulse. Kalou traf als Joker gegen Hoffenheim, Lukebakio als Joker in Bremen, Ibisevic als Joker in Köln gar doppelt - der Kader ist so tief besetzt wie seit Jahren nicht.

Form: Union kann mit viel Selbstvertrauen ins Derby gehen. Der Aufsteiger setzte sich nicht nur am Dienstag im Pokal (3:1) in Freiburg durch, sondern auch zehn Tage zuvor in der Liga, als die Breisgauer beim 2:0 der Eisernen in der Alten Försterei chancenlos waren. Dazwischen verlor Union zwar beim Rekordmeister in München (1:2), zeigte dabei aber eine gute Leistung und verpasste den durchaus möglichen Punktgewinn nur knapp.

Hertha hat zwar den schwachen Saisonstart (nur ein Punkt nach vier Spielen) durch die folgenden Siege gegen Paderborn, Köln und Düsseldorf korrigiert, wirkt aber weiterhin schwankend. Die richtige Balance ist noch nicht gefunden. Kontraproduktiv: In den vergangenen vier Pflichtspielen ging Hertha jeweils 0:1 in Rückstand. Dass gegen Düsseldorf (3:1 nach 0:1) noch ein Sieg heraussprang, in Bremen (1:1 nach 0:1) ein Punkt und gegen Dresden (nach 0:1 und 2:3) das Weiterkommen im Pokal, belegt die Stehauf-Mentalität des Teams.

Trainer-Gegensätze: Fischer und Covic

Trainer: Ruhe und Besonnenheit - das dürften wohl die größten Stärken von Urs Fischer sein, den auch sein erstes Hauptstadt-Derby nicht aus der Fassung zu bringen scheint. "Wenn du überdrehst, kommt das nicht gut", empfahl er vor dem Duell mit Hertha, allerdings "solltest du auch nicht einschlafen". Ein typischer Fischer-Satz. Der Schweizer Coach ist stets auf Balance und Ausgleich bedacht, manchmal nimmt er Änderungen erst sehr spät vor, scheut das Risiko. In den vergangenen Wochen zeigte er sich jedoch variabler und mutiger. Auch das ist ein Grund für den Aufwärtstrend des Aufsteigers.

Sein Hertha-Pendant Ante Covic, nach zuvor fast sechs Jahren als U-23-Coach im Sommer zu den Profis befördert, ist ein offener, kommunikativer, empathischer Typ. Als zum Start positive Ergebnisse ausblieben, passte er seine Ideen der Realität an. Der Deutsch-Kroate muss wie Fischer auch einen großen Kader moderieren. Bislang gelingt ihm das gut.

Daten: Union läuft mehr (117,6km pro Spiel, Hertha: 113,8km), führt mehr Zweikämpfe (118 pro Spiel, Hertha: 106) und begeht mehr Fouls (15,7 pro Spiel, Hertha: 13,8). Hertha hat die bessere Zweikampfquote (53 Prozent gewonnene Zweikämpfe, Union: 49,1 Prozent), die deutlich höhere Passgenauigkeit (80 Prozent, Union: 70,9 Prozent) und erspielt sich mehr Torchancen (6,0 pro Spiel, Union: 4,9). Bei den Sprints pro Spiel sind beide Teams annähernd gleichauf (Union: 200, Hertha: 204). Auch bei gegnerischen Torchancen ist der Unterschied nicht sonderlich groß. Union gestattet dem Gegner im Schnitt 6,4 Torchancen pro Spiel, Hertha 6,1.

Personal: Neben den Langzeitverletzten Akaki Gogia (Kreuzbandriss) und Grischa Prömel (Reizung der Patellasehne) stehen dem Aufsteiger wahrscheinlich auch Allrounder Michael Parensen (Rippenverletzung) und Suleiman Abdullahi (Knieblessur) nicht zur Verfügung.

Daridas Fehlen tut Hertha weh

Bei Hertha fehlt mit Vladimir Darida (Gelb-Rot-Sperre) der bislang formstärkste Mittelfeldspieler dieser Saison. Der Tscheche gab bei Hertha in dieser Saison bislang die meisten Torschussvorlagen (18) und sprintete am häufigsten (219mal). Abwehrchef Niklas Stark (nach Wunde am Unterschenkel) gab gegen Dresden sein Comeback, gegen Union steht auch Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt (nach Ellenbogen-Verletzung) wieder zur Verfügung. Im Tor löst die etatmäßige Nummer eins Rune Jarstein Pokal-Held Thomas Kraft wieder ab.

Jan Reinold/Steffen Rohr

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