2. Bundesliga

"GroKo" bei 96: Streitparteien wählen Weg der Vernunft

Ein Kommentar von kicker-Redakteur Michael Richter

"GroKo" bei 96: Streitparteien wählen Weg der Vernunft

Machte einen Kompromiss: Martin Kind.

Machte einen Kompromiss: Martin Kind. imago images

Fast ist es wie in der Politik, wo bekanntlich mitunter auch eine große Koalition mit Vertretern unterschiedlich denkender Parteien herhalten muss. Um Dinge weiter konstruktiv gestalten zu können, müssen sich beide Seiten trotz verschiedener Ansichten miteinander arrangieren. Auch in Hannover können die einen in der "GroKo 96" nicht ohne die anderen, die anderen nicht ohne die einen. Eigentlich war das seit längerem irgendwie klar. Jetzt haben es die Streitparteien auch selbst schwarz auf weiß vertraglich niedergeschrieben und wählen damit den Weg der Vernunft.

Von einem großen Tag, einem historischen Ereignis war dabei die Rede. Tatsächlich ähnelt der überfällige Schulterschluss, den die Vertreter von Verein und Profigesellschaft nun endlich mit dem selbst so getauften "Hannover-96-Vertrag" vollzogen, eher dem Bild, das die Mannschaft derzeit in der 2. Liga abgibt: Mittelprächtig, wenngleich mit Chancen nach oben.

Jene, die, wie Vereinsvorsitzender Sebastian Kramer und e.V.-Aufsichtsratsvorsitzender Ralf Nestler, jahrelang intensiv für eine komplette Umkehr vom Kurs des ehemaligen Präsidenten Martin Kind gekämpft haben, müssen sich über einen "Konsens" freuen. Und Martin Kind muss positiv hervorheben, dass eine Insolvenz jenes Vereines, den er immerhin über 20 Jahre geführt hat, damit abgewendet werden konnte.

Ein Blick auf die wichtigsten Vereinbarungen

Die vier Gesellschafter um Kind gewähren dem finanziell angeschlagenen Verein ein langfristiges Darlehen von 1,5 Millionen Euro. Weitere 1,3 Millionen Euro sind abrufbereit. Damit helfen die Geldgeber dem Mutterverein kurzfristig aus einer Schieflage, entstanden nach dem Bau des neuen, in der Kind-Ära geplanten und umgesetzten Vereinszentrums und zu optimistischen Prognosen über dessen Wirtschaftlichkeit. Dazu kommt vertragsunabhängig die Zusicherung, den Verein 25 Jahre lang gestaffelt mit weiteren insgesamt sechs Millionen Euro zu fördern.

Die Markenrechte, in der Vergangenheit ein großer Streitpunkt, werden künftig von einer neuen GmbH gehalten. Die wichtigste der in der Profi-KG vertretenen Gesellschaften, die "Sales & Service GmbH" mit Kind und den anderen Kapitalgebern, ist daran mit 51 Prozent beteiligt - der Verein mit 49 Prozent.

Der Verein wird gestärkt und der Status Quo erhalten

Die Position des Vereins wird damit gestärkt, dass dieser in den nächsten 20 Jahren per Option die 2014 veräußerten 1.253.000 Aktien der Profi-KG zum ursprünglichen Preis von 2,79 Euro pro Aktie zurückerwerben kann. Außerdem erhalten die zwei vom Verein in den Aufsichtsrat der KG entsandten Vertreter volles Stimmrecht, der Gesellschaftsvertrag der Hannover 96 Management GmbH bleibt unverändert und damit der Status Quo erhalten. Kind hatte angestrebt, in dieser entscheidenden GmbH, die die Geschäftsführer der Fußball-KG bestellt, die Mehrheit zu erwerben - ein damit verbundenes Fallen der 50+1-Schranke in Hannover scheiterte am Veto der DFL, den jetzt erzielten Kompromiss bei 96 dagegen genehmigte der Ligaverband.

Dass der Mutterverein die bestehenden Machtverhältnisse im Profifußball nun nicht anficht, ist Teil des Deals, der die Verhältnisse im Breiten- wie im Profisport in Hannover absichert. Kind und seine Mitstreiter bezahlen ihn mit der finanziellen Stütze für den e.V., zudem kündigte der 75-jährige Unternehmer an, dass als Konsequenz der Einigung drei weitere potenzielle Gesellschafter, Bürger der Stadt, bereitstehen, um die aus seiner Sicht für die Wettbewerbsfähigkeit der Profisparte dringend nötige Kapitalerhöhung zu bewerkstelligen.

Wann der Klub davon in Form von sportlichem Erfolg einmal profitiert, bleibt ebenso abzuwarten wie das weitere Vorgehen Martin Kinds, der das Verhalten der DFL und des ständigen Schiedsgerichts des DFB in der 50+1-Frage scharf kritisierte, aber die ausstehende Einschätzung des Bundeskartellamts abwarten will, um dann möglicherweise als Privatmann selbst juristisch gegen die bestehende Regel vorzugehen.

Michael Richter