Bundesliga

Coutinho: Zwischen Last und Lust

Erstes Training des Brasilianers mit dem FC Bayern

Coutinho: Zwischen Last und Lust

Selfie an der Säbener Straße: Philippe Coutinho am Dienstag in München.

Selfie an der Säbener Straße: Philippe Coutinho am Dienstag in München. imago images

Sein breites weißes Grinsen zeigte der Brasilianer oft, als er am Montag offiziell in der Allianz Arena vorgestellt wurde. Auf die Zeit in München freue er sich, sagte er wiederholt, "das Projekt", das ihm Hasan Salihamidzic präsentiert habe, habe ihn sofort überzeugt. Am Mittwoch voriger Woche war das, als der Sportdirektor gemeinsam mit Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzeden, nach Barcelona gereist war und Überzeugungsarbeit leistete. Im Gepäck hatten die sportlich Verantwortlichen des FC Bayern ein Trikot mit der Nummer 10, die zu Ehren von Arjen Robben eigentlich in dieser Saison nicht vergeben werden sollte. Eigentlich. Für Coutinho machen die FCB-Bosse da aber - in Absprache mit dem niederländischen Vorgänger - gerne eine Ausnahme. Allein, um dem Spieler seinen Wert zu vermitteln. Um zu sagen: Du bist für uns nicht nur irgendjemand, sondern der Mann für die Spielzeit 2019/20. Und vielleicht sogar darüber hinaus.

Coutinhos Vertrag mit dem deutschen Rekordmeister läuft vorerst bis nächsten Sommer in Form einer Leihe - für 8,5 Millionen Euro. Danach haben die Bayern für 120 Millionen Euro die Möglichkeit, die Zusammenarbeit langfristig zu verlängern. Rummenigge möchte dies "nicht ausschließen", wie er am Montag sagte. Warum auch? Findet der im Winter 2018 für 145 Millionen Euro von Liverpool nach Barcelona transferierte und damit zweitteuerste Fußballer der Geschichte zurück zu alter Konstanz, haben die Münchner einen Superstar in ihren Reihen. Oder einen "Weltstar", wie Niko Kovac schwärmte.

Lewandowski freut sich am meisten über den Neuzugang

In seiner Zeit an der Anfield Road entwickelte sich der 27-Jährige zu einem Profi, der den Unterschied ausmacht. "Solche Spieler können entscheiden, ob du gewinnst oder nicht", betont auch Robert Lewandowski, der sich sehr über diese Verpflichtung freut. Einen solchen - namentlichen - Hochkaräter hatte sich der Pole lange an seiner Seite gewünscht, in den vergangenen Monaten sogar wiederholt gefordert. Jetzt hat er ihn. Die Erwartungen an Coutinho sind entsprechend hoch - von den Kollegen genauso wie von der Öffentlichkeit. Er wisse um diese "große Verantwortung" und dass "viel auf mir lastet", wie er selbst sagt. Mit dem Druck aber kann er umgehen, auch wenn er in Barcelona nicht den Ansprüchen, die seine damalige Ablösesumme automatisch mit sich brachte, genügte. Was unter anderem daran lag, dass er nie aus dem Schatten von Lionel Messi und Co. heraustreten konnte und so einen schweren Stand bei den Fans hatte. Ein weiteres Jahr beim spanischen Meister wäre kaum gutgegangen.

Coutinho fehlte das Gen einer Diva

Dem kicker verriet ein Insider, dass Coutinho immer sehr zurückhaltend war, von Teamabenden gelegentlich fernblieb, abseits des Feldes meist sein eigenes Ding machte, aber sich auf dem Rasen nie über die Mannschaft stellte. Nicht wie Messi gewisse Spielformen oder Systeme einforderte, sondern stets versucht hatte, sich anzupassen. Ihm fehlte für das Star-Ensemble der Katalanen, so der Insider, ein wenig das Gen einer Diva. Damit Coutinho sich auf dem Platz ausleben kann, brauche er eine auf ihn ausgerichtete Taktik. Dann wird er effizient.

Das Spiel der Katalanen war nicht auf ihn zugeschnitten - anders als in Liverpool. Dort war Coutinho der Star, der Kreativling in der Offensive, der Gestalter und Vollstrecker hinter den Spitzen. Diese Rolle bekam er bei Barça nie. Also mussten ihn die Spanier abgeben. Ursprünglich sah der Plan vor, den Brasilianer für seinen Landsmann Neymar in einem spektakulären Deal mit Paris St. Germain einzutauschen (plus einen weiteren Spieler und Geld). Doch PSG lehnte ab, was den Bayern, die sich schon seit ein paar Wochen mit dieser Personalie beschäftigt hatten, die Tür öffnete.

So lief Coutinhos erstes Bayern-Training

Coutinho konnte sich einen Wechsel an die Isar - wie der kicker bereits am Donnerstag exklusiv berichtet hatte - ohnehin vorstellen. Seither ist knapp eine Woche vergangen und der Offensivkünstler bereits in München angekommen. An diesem Dienstag absolvierte er auch schon seine erste Einheit mit dem Team. Um 11.15 Uhr zogen die Bayern die sonst verschlossenen Vorhänge am Trainingsgelände auf, um ihn, den neuen Heilsbringer, den Fans zu zeigen. Rund 1600 Zuschauer waren trotz Nieselregen an die Säbener Straße gepilgert, um ihn zu sehen. Im Fünf-gegen-zwei oder bei schnellen Angriffssituationen konnten die Anhänger die technischen Fähigkeiten des Brasilianers beobachten. Er versteht es bestens, den Ball auf engem Raum zu behaupten und ihn zum Mitspieler zu bringen.

Ja, Coutinho ist eine Attraktion, ein Name der A-Kategorie, ein frisch prämierter Copa-America-Sieger. Ein Fußballer, der das Spiel, wenn er seine Freiheiten erhält, prägen kann. Bekannt ist er für seine Leichtfüßigkeit, seine kurzen Bewegungen, seine herausragenden Dribblings und seinen Abschluss insbesondere aus der zweiten Reihe.

Coutinhos Rolle auf dem Feld

Charakterlich schlüpft er nicht sofort in die Rolle eines Leaders, eines lautstarken Anführers. Er will es mit seinen fußballerischen Fertigkeiten beweisen - so wie es seinem Naturell, dem eines feines Fußballers, der den Ball streichelt, entspricht. Vorzugsweise erledigt Coutinho seine Arbeit "auf der Zehn", wie er erklärt. Er könnte auch auf den Flügel ausweichen, ist allerdings kein klassischer Außenbahnspieler, der die Bande entlangsprintet und in den Strafraum flankt. Viel lieber sieht er sich um den Sechzehner rum, von wo aus er die Kollegen oder den Torschuss sucht.

Wann er sein Können im Wettbewerbsmodus zeigen darf? Aller Voraussicht nach am Samstag, wenn die Bayern auf Schalke gastieren. Zwar hat er noch einen leichten Fitnessrückstand aufzuholen, aber für einen Einsatz sollte es trotzdem reichen. Seine Lust ist riesengroß, sagte er doch: "Ich kann es kaum erwarten."

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Georg Holzner