Bundesliga

Sahin: "Bei Klopp und Kohfeldt kommt immer erst der Mensch"

Der Routinier über Werder ohne Kruse und einen Trainer-Vergleich

Sahin: "Bei Klopp und Kohfeldt kommt immer erst der Mensch"

Im Trainingslager in Grassau: Nuri Sahin spricht in einer Medienrunde.

Im Trainingslager in Grassau: Nuri Sahin spricht in einer Medienrunde. imago images

Aus dem Bremer Trainingslager in Grassau berichtet Thiemo Müller

Nach der Vormittagseinheit am Dienstag wurde Nuri Sahin per Golfcart vom Trainingsgelände ins nahegelegene Teamhotel kutschiert. Sein rechtes Knie zierte nach einem Zusammenprall mit Milot Rashica ein dicker Eisverband. Später gab der Mittelfeldspieler Entwarnung: "Alles gut." Ganz entspannt plauderte der 31-Jährige dann im Rahmen einer Medienrunde auf der Terrasse des Mannschaftsquartiers über...

... seine aktuelle Form: "Es läuft gut, ich habe jede Einheit mitgemacht. Das ist für mich in der Vorbereitung sehr, sehr wichtig, auch wenn's mal wehtut. Wenn ich gesund bin, würde ich sagen, kann ich auch ein bisschen kicken."

... den Wert, die Sommervorbereitung anders als 2018 von Anfang an bei Werder zu bestreiten: "Es geht darum, das Spiel kennenzulernen, die Struktur von Tag eins mitzubekommen. Letztes Jahr hieß es oft in den Besprechungen: Denkt daran, wie wir das in Grassau besprochen haben. Aber da war ich nicht dabei..."

... die veränderte Spielweise ohne Max Kruse: "Wir hatten mit ihm schon einen Fixpunkt. Max hatte eine sehr hohe Qualität. Doch er hat die Rolle anders ausgefüllt. Yuya Osako spielt ähnlich, kommt aber nicht ganz so tief. Das bringt Optionen, die unser Spiel schon verändern. Letztes Jahr haben wir sehr oft Max gesucht. Auch mein erster Blick ging immer Richtung Max. Jetzt haben wir andere Facetten im Spiel, können etwas variabler im Zentrum agieren. Ich persönlich kann jetzt zum Beispiel auch etwas mehr die Tiefe anspielen."

Ich weiß gar nicht, ob Yuya selbst weiß, wie gut er eigentlich ist.

Nuri Sahin über Yuya Osako.

... den sportlichen Kruse-Nachfolger Osako: "Max hat 22 Scorerpunkte geliefert, die sind jetzt erstmal weg. So ehrlich muss man sein. Und ich will auch niemanden unter Druck setzen. Aber Yuya Osako ist ein fantastischer Fußballer, ich erhoffe mir sehr, sehr viel von ihm. Ich weiß gar nicht, ob Yuya selbst weiß, wie gut er eigentlich ist. Im Moment gerade merkt er, welch ein wichtiger Spieler er für uns ist."

... einen Stammplatz: "Was heißt Stammspieler? Heutzutage kann es keine Stammspieler mehr geben, die Dynamik des Fußballs hat sich extrem verändert. Als wir damals Meister geworden sind mit Borussia Dortmund (2011, die Redaktion), haben 13, 14 Spieler die Saison praktisch durchgespielt. Das ist heute nicht mehr möglich. Ich glaube nicht, dass sich überhaupt jemand als Stammspieler sieht."

... zum Konkurrenzkampf mit Kevin Möhwald um einen Mittelfeldplatz: "Ich werde keinen Konkurrenzkampf gegen irgendeinen Mitspieler führen. Dafür bin ich zu lange im Geschäft. Ich unterstütze jeden Mitspieler, sehe keinen von ihnen als Konkurrenten. Es ist mir sehr, sehr wichtig, dass wir alle eine gute Saison spielen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn jeder Spieler nochmal einen großen Schritt nach vorne macht. Davon profitieren wir alle. Ich könnte als Person niemals jemandem aus meiner Mannschaft etwas Schlechtes wünschen."

... den Trainingsschwerpunkt Konterabsicherung: "Die Konterabsicherung hat uns einige Punkte gekostet. Sie steht aber nicht nur mit den Verteidigern und den Mittelfeldspielern, sondern muss im Gesamtkonstrukt stimmen. Das muss einfach in die Köpfe rein: Auf Bundesliga-Niveau darf niemand abschalten, ob du gerade den Ball hast oder den Ball verlierst. Das haben wir nicht konstant gut gemacht letzte Saison. Und wir wissen alle, dass wir mit drei Punkten mehr jetzt über etwas ganz anderes reden könnten. Ohne mit Flo (Trainer Florian Kohfeldt, d.Red.) vorher gesprochen zu haben, war mir klar, dass das ein Thema wird in der Vorbereitung."

Europa wird kommende Saison definitiv schwerer als in der letzten.

Nuri Sahin

… das Saisonziel Europa: "Viel Zeit habe ich ja nicht mehr. Auch wenn ich noch sehr jung aussehe, werde ich 31 (lächelt). Ich habe in meiner Karriere fast immer europäisch gespielt. Es wäre eine coole Sache, wenn wir es nochmal schaffen würden. Aber es wird kommende Saison definitiv schwerer als in der letzten. Die Liga wird nochmal einen Schritt nach vorne machen, allein schon durch die vielen neuen Trainer und deren Spielidee kommt viel Dynamik rein. Dazu die Transfers, die gemacht werden - es wird schwerer, ganz sicher."

... sein Standing als Kohfeldts "Vertrauensspieler": "Wir haben ein enges Verhältnis, das auch mal Diskussionen aushalten kann. Wir waren auch schon anderer Ansicht, aber das Verhältnis hält das aus. Für mich ist es wichtig, dass wir voneinander wissen, wie der andere tickt. Dann spielt man einfach sein Spiel und kann sich gegenseitig vertrauen. Wir sind auf einem Level, auf dem wir ehrlich zueinander sein können. Das ist super-wichtig. Dass man andere Ansichten haben kann, nachfragen kann, auch eine Antwort bekommt, macht unser Trainer einfach sehr gut. Nicht nur mit mir, mit allen anderen auch."

Es war eine Genugtuung, ihn mit diesem Pokal zu sehen.

Nuri Sahin über Jürgen Klopp und den Champions-League-Titel

... die öffentlichen Vergleiche zwischen Kohfeldt und Jürgen Klopp: "Ich finde, Trainer miteinander zu vergleichen, ist unmöglich. Ob ich Parallelen sehe? Ich habe mich extrem gefreut, dass Jürgen endlich diesen Champions-League-Pokal gewonnen hat. Am liebsten hätte ich ihn zusammen mit ihm gewonnen, das hat damals nicht geklappt (2013 gegen den FC Bayern, d.Red.). Es war schon eine Genugtuung, ihn mit diesem Pokal zu sehen, als Krönung seiner Arbeit. Einfach, weil er vor allem ein fantastischer Mensch ist. Bei Trainern ist mir sehr, sehr wichtig, dass immer erst der Mensch kommt und dann der Spieler. Das ist auch bei Florian Kohfeldt der Fall, das schätze ich so sehr. Diese Qualität haben beide. Und gehen wir mal davon aus, dass Flo jetzt auch keine so schlechte Karriere als Trainer machen wird."

... sein Vertragsende 2020: "Ich bin da völlig entspannt. Zu gegebener Zeit wird es sicher Gespräche geben. Ich weiß, dass ich noch einige Jahre im Köcher habe. Wichtig ist auch, was ich will, was meine Familie möchte. Es ist ja nicht so, dass nur Werder da etwas zu sagen hat. Aber ich fühle mich extrem wohl im Verein wie in der Stadt, habe tolle Mitspieler. Ich bin sehr positiv überrascht von der Kabine. Dazu habe ich einen Trainer, wie ihn ein 31-Jähriger sich in dieser Phase der Laufbahn wünscht. Es passt alles. Aber wenn es nicht weitergehen sollte hier, geht auch die Welt nicht unter. In dieser Luxussituation befinde ich mich Gott sei Dank."

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