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100 Jahre kicker: 1972 - Deutschland erstmals Europameister

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1972 - Deutschland erstmals Europameister: Doppelpässe und die "Tiefe des Raumes"

Köpfe der für viele Fans und Experten besten deutschen Nationalmannschaft: Franz Beckenbauer (l.) und Günter Netzer.

Köpfe der für viele Fans und Experten besten deutschen Nationalmannschaft: Franz Beckenbauer (l.) und Günter Netzer. imago images

Obwohl Fritz Walter längst kein Teil des DFB-Teams mehr war, kam diesem das Regenwetter und der daher schnelle Rasen im Wembley-Stadion mehr entgegen als den favorisierten Engländern. Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Co. ließen am 29. April 1972 Ball und Gegner laufen. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln errechneten später eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 2,9 Metern pro Sekunde, mit der sich die Deutschen das Leder zugespielt hatten - was selbst bei der WM 2010 noch überdurchschnittlich gewesen wäre.

Manch einem mag entfallen sein, dass der erste deutsche Sieg in England (3:1) kein Teil des eigentlichen Endturniers war. Vielmehr eine Art Viertelfinal-Hinspiel, faktisch die letzte Qualifikationsrunde mit Rückspiel (0:0 in Berlin). Keine andere Partie der EM 1972 ist allerdings so in den deutschen Köpfen verankert geblieben.

Der heimliche Held

Spielmacher Netzer, der dem während des Endturniers ohnehin verletzten Wolfgang Overath damals den Rang abgelaufen hatte, operierte in Hochform aus der von Karl Heinz Bohrer (FAZ) titulierten "Tiefe des Raumes", spielte Doppelpässe mit Beckenbauer und Gerd Müller und traf per Strafstoß sogar selbst. Heimlicher Mann des Spiels war wohl aber Sigi Held, der an allen deutschen Toren beteiligt war.

Das Endturnier in Belgien wurde dann vor allem für einen Mann zur Formsache: Der amtierende WM- und Bundesliga-Torschützenkönig Müller traf sowohl beim 2:1 im Halbfinale gegen die belgischen Gastgeber als auch im Endspiel gegen die Sowjetunion (3:0) doppelt - Deutschland war erstmals Europameister.

Die Nationalmannschaft von 1972, speziell die so fluid kombinierende Wembley-Elf, gilt für viele Fans und Experten bis heute als beste der Geschichte.

Niklas Baumgart

1972: Was sonst noch geschah ...

"Dann macht es bumm": 1971/72 schoss Gerd Müller (Mitte) in der Bundesliga sagenhafte 40 Tore.

"Dann macht es bumm": 1971/72 schoss Gerd Müller (Mitte) in der Bundesliga sagenhafte 40 Tore. imago images

Meister: Bayern München

Pokal: Schalke 04 (nach 5:0 gegen 1. FC Kaiserslautern)

Fußballer des Jahres: Günter Netzer (Borussia Mönchengladbach)

Torschützenkönig: Gerd Müller (Bayern München, 40 Tore)

DDR: 1. FC Magdeburg (Meister), FC Carl-Zeiss Jena (Pokalsieger nach 2:1 gegen Dynamo Dresden), Torschützenkönig: Hans-Jürgen Kreische (Dynamo Dresden, 14 Tore), Fußballer des Jahres: Jürgen Croy (BSG Sachsenring Zwickau)

Europapokal der Landesmeister: Ajax Amsterdam (nach 2:0 gegen Inter Mailand)

UEFA-Cup: Tottenham Hotspur (gegen Wolverhampton Wanderers)

Europapokal der Pokalsieger: Glasgow Rangers (nach 3:2 gegen Dynamo Moskau)

Europameisterschaft in Belgien: Sieger Deutschland (nach 3:0 im Finale gegen Sowjetunion)

Olympische Spiele in Deutschland: Polen (Gold), Ungarn (Silber), DDR (Bronze) - die Bundesrepublik Deutschland verlor in der Gruppenphase das deutsch-deutsche Duell (3:2)