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100 Jahre kicker: 1973 - "Dann löse ich dich ab": Netzers größter Clou

100 Jahre kicker

1973 - "Dann löse ich dich ab": Netzers größter Clou

Unterschiedliche Gefühlswelten: Günter Netzer auf der Bank und mit dem DFB-Pokal.

Unterschiedliche Gefühlswelten: Günter Netzer auf der Bank und mit dem DFB-Pokal. imago images

Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln, das war eine Ansammlung von Feintechnikern und Hochbegabten, eine grandiose Partie, die hin und her wogte. Und dann kam jener Moment beim Stande von 1:1 nach 90 Minuten bei dieser Hitzeschlacht, der einmalig im Fußball ist und wie ausgedacht wirkt.

Oft ist diese Geschichte erzählt worden, wie Günter Netzer sich eigenmächtig selbst einwechselt und dann mit seinem fulminanten Treffer zum 2:1 das Finale entscheidet. Fast kitschig klingt dieser Clou, weil Trainer Hennes Weisweiler seinen Star zunächst auf der Bank ließ, den Gladbacher Mittelfeldlenker in seinem letzten Pflichtspiel vor seinem Abschied nach Madrid.

Eine Ikone feiert Geburtstag: Günter Netzer wird 75

Er habe keine hundertstel Sekunde darüber nachgedacht und nie das Gefühl gehabt, "du wirst jetzt alles aufmischen und der große Held, der große König, der in 40 Jahren noch davon erzählen wird", versicherte Netzer mal im Gespräch mit dem kicker.

Selten berichtet wird von einem Detail, das einst kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh enthüllte, damals als Reporter vor Ort und in der Nähe der Auswechselbank, als Netzer beschloss: "Ich spiele dann jetzt mal." Holzschuhs Beobachtung: "Dutzende von Fotografen belagerten die Mönchengladbacher Bank" vor Beginn der Verlängerung. "Christian Kulik war der nächste an Netzer, und es ergab sich ein knapper Dialog.

Netzer: "Wie is es? Kannste noch?"
Kulik: "Ich bin kaputt."
Netzer: "Dann löse ich dich ab."

Wie Holzschuh beobachtete, bemerkte Weisweiler den Rummel, der entstand, wollte offenbar den Austausch bremsen, "konnte aber den Wall der Fotografen nicht durchbrechen und musste hilflos ansehen, wie Netzer durch eine sich öffnende Schneise zum Spielfeld marschierte. Die Selbst-Einwechslung war nicht mehr zu verhindern."

Das Resümee von Günter Netzer, etliche Jahre später: "Wäre es missglückt, wäre ich der Idiot gewesen, der auf der Strecke bleibt."

Oliver Bitter

1973: Was sonst noch geschah ...

Günter Netzer und Jupp Heynckes

Gladbach muss dem FC Liverpool den UEFA-Cup überlassen. Nach einem 0:3 auf der Insel reicht ein 0:2 mit zwei Toren von Jupp Heynckes nicht. imago images

Meister: Bayern München

Pokal: Borussia Mönchengladbach (nach 2:1 n.V. gegen 1. FC Köln)

Fußballer des Jahres: Günter Netzer (Borussia Mönchengladbach)

Torschützenkönig: Gerd Müller (Bayern München, 36 Tore)

DDR: SG Dynamo Dresden (Meister), 1. FC Magdeburg (Pokalsieger nach 3:2 gegen 1. FC Lokomotive Leipzig), Torschützenkönig: Hans-Jürgen Kreische (Dynamo Dresden, 26 Tore), Fußballer des Jahres: Hans-Jürgen Kreische (Dynamo Dresden)

Europapokal der Landesmeister: Ajax Amsterdam (nach 1:0 gegen Juventus Turin)

UEFA-Cup: FC Liverpool (gegen Borussia Mönchengladbach)

Europapokal der Pokalsieger: AC Mailand (nach 1:0 gegen Leeds United)