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1971 - Der betrogene Betrüger und der Bundesliga-Skandal

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1971 - Der betrogene Betrüger und der Bundesliga-Skandal

Der Bundesliga-Skandal beginnt: Horst-Gregorio Canellas (2.v.l.) spielt die Tonbänder ab.

Der Bundesliga-Skandal beginnt: Horst-Gregorio Canellas (2.v.l.) spielt die Tonbänder ab. imago images

Das dunkelste Kapitel in 57 Jahren Bundesliga nahm seinen Anfang am 6. Juni 1971. An jenem strahlend-blauen Vorsommertag hatte Horst-Gregorio Canellas, der Präsident der tags zuvor abgestiegenen Offenbacher Kickers, viel Prominenz zur Feier seines 50. Geburtstags eingeladen. Um 12 Uhr mittags drückte der Jubilar auf den Knopf eines Tonbandgeräts, spielte aufgezeichnete Telefonate mit Bundesligaprofis, Funktionären und Spielervermittlern ab und löste damit eine Lawine aus.

Eine geschockte Öffentlichkeit musste zur Kenntnis nehmen, dass in der Saison 1970/71 massiv mit Bestechung gearbeitet worden und über eine halbe Million Mark an Schmiergeldern geflossen war. Eine Vielzahl von Spielen war bei heimlichen Treffs in dunklen Kabinengängen verschoben und verkauft worden.

In jahrelangen Ermittlungen legte DFB-Chefankläger Hans Kindermann den Sumpf trocken, wobei sich die Spieler des FC Schalke 04 als seine hartnäckigsten Widersacher erwiesen. Erst viereinhalb Jahre, nachdem sie im April 1971 für 2300 Mark Bestechungsgeld pro Mann absichtlich gegen Arminia Bielefeld verloren hatten, legten sie ein Geständnis ab.

Den Preis zahlte die gesamte Bundesliga

So konnte das Bundesgericht des DFB nur scheibchenweise seine Urteile verkünden: Lizenzentzug für Offenbach und Bielefeld, Sperren für die Präsidenten Canellas, Peter Maaßen (Rot-Weiß Oberhausen) und Wolfgang Holst (Hertha BSC), für drei weitere Funktionäre sowie die Trainer Egon Piechaczek (Bielefeld) und Günter Brocker (Oberhausen). Auch 53 Spieler aus sieben Klubs wurden verurteilt; die Strafen erstreckten sich von Geldbußen bis hin zu Sperren auf Lebenszeit.

Den Preis für die verlorene Glaubwürdigkeit zahlte die gesamte Bundesliga: Trotz der großen internationalen Erfolge des deutschen Fußballs sank der Zuschauerschnitt in der Saison 1972/73 auf 16.372 pro Spiel - bis heute einsamer Minusrekord.

Harald Kaiser

Günter Netzer (li.) und Trainer Hennes Weisweiler haben mit Mönchengladbach den Titel gewonnen. imago images

1971: Was sonst noch geschah ...

Meister: Borussia Mönchengladbach

Pokal: Bayern München (nach 2:1 n.V. gegen 1. FC Köln)

Fußballer des Jahres: Berti Vogts (Borussia Mönchengladbach)

Torschützenkönig: Lothar Kobluhn (RW Oberhausen, 24 Tore)

DDR: SG Dynamo Dresden (Meister), SG Dynamo Dresden (Pokalsieger nach 2:1 n.V. gegen Berliner FC Dynamo), Torschützenkönig: Hans-Jürgen Kreische (Dynamo Dresden, 17 Tore), Fußballer des Jahres: Peter Ducke (FC Carl-Zeiss Jena)

Europapokal der Landesmeister: Ajax Amsterdam (nach 2:0 gegen Panathinaikos Athen)

Messe-Pokal (Vorläufer UEFA-Cup): Leeds United (gegen Juventus Turin)

Europapokal der Pokalsieger: FC Chelsea (nach 2:1 gegen Real Madrid im Wiederholungsspiel)

kon