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Patrick Wimmer im Interview - über Gewichtheben und Trecker

Wolfsburgs Topscorer über seinen speziellen Weg nach oben

Wimmer im Interview: "Vielleicht würde ich jetzt auf dem Trecker sitzen …"

Jubelt nach seinem Tor in Bochum: Wolfsburgs Patrick Wimmer.

Jubelt nach seinem Tor in Bochum: Wolfsburgs Patrick Wimmer. IMAGO/Sven Simon

Vor einem Jahr haben Sie mit Arminia Bielefeld gegen den Abstieg gespielt, nun kämpfen Sie mit dem VfL Wolfsburg um den Einzug in das internationale Geschäft. Alles richtig gemacht, Herr Wimmer?

Das letzte Jahr war auf jeden Fall auch spannend für mich. Es war meine erste Bundesligasaison, auch wenn diese leider mit dem Abstieg endete. Aber es macht schon mehr Spaß, um Europa zu spielen. Und klar, das war genau das, was ich mir von meinem Schritt nach Wolfsburg erhofft hatte.

Jetzt sind Sie sogar Unterschiedsspieler beim VfL, der mit Ihnen in 21 Partien im Schnitt 1,67 Punkte holte und ohne Sie in acht Spielen lediglich einen Zähler im Schnitt einfuhr.

Ist das so? Die Statistik kannte ich nicht, hört sich aber gut an. Ich weiß natürlich, dass ich ein Spielertyp bin, der den Unterschied ausmachen kann, dass es direkt so gut funktioniert, kann man sich aber nur erträumen.

Das heißt ja eigentlich: Wimmer muss immer spielen!

Klar - aber das liegt ja nicht in meiner Hand (lacht).

Es gibt jedenfalls nicht viele Gründe, die gegen Sie sprechen. Mit vier Toren und sieben Vorlagen sind Sie auch noch Wolfsburger Topscorer.

Das ist schön, aber wir haben viele Spieler mit vielen Scorerpunkten. Da ist keiner, der alle überragt.

In Österreich sagt man: Ich scheiß' mir nichts. Das heißt, ich mache immer das, was mir gerade in den Kopf kommt, habe keine Angst vor Fehlern, denke nicht groß nach.

Patrick Wimmer über seine Unbekümmertheit auf dem Platz

In Bielefeld hatten Sie in Ihrem Premierenjahr in Deutschland drei Tore und acht Assists. Haben Sie ein Ziel, wohin es in dieser Saison noch gehen soll?

Ja, ich möchte gerne noch die 15er-Marke knacken, ich habe auch eine kleine Wette mit unserem Zeugwart.

Worum geht’s?

Für die Spiele haben wir so einfache Kleiderhaken, ich habe ihm gesagt, er soll mal neue besorgen. Wir haben vereinbart: Wenn ich 15 Scorerpunkte schaffe, kauft er uns neue.

Einen Haken gibt's aber: Sie haben in dieser Saison noch nicht über 90 Minuten gespielt, wurden bereits 18-mal ausgewechselt. Der Wolfsburger Saisonrekord liegt bei 19 Auswechslungen, aufgestellt von Marcelinho 2008 und Ivica Olic 2014. Woran liegt's, dass Niko Kovac Sie so häufig vom Feld holt?

Ich bin ein Spieler, der immer alles raushaut, so weit mich die Beine tragen. Da ist es normal, dass der Trainer in der Offensive in der Schlussphase noch mal neue Impulse setzen will. Aber keine Sorge, ich bin fit.

Sie zeichnet eine gewisse Unbekümmertheit auf dem Rasen aus. Ist das eine Frage des Alters oder des Typs?

Sicherlich beides. In Österreich sagt man: Ich scheiß' mir nichts. Das heißt, ich mache immer das, was mir gerade in den Kopf kommt, habe keine Angst vor Fehlern, denke nicht groß nach. Fußball ist ein Fehlersport, sie gehören dazu. Entscheidend ist nur, dass ich nach einem Ballverlust den Rückwärtsgang einlege.

Wann empfinden Sie Druck?

Eigentlich nie, beim Fußball schon gar nicht.

Auch nicht im Abstiegskampf in Bielefeld?

Natürlich war da schon ein gewisser Druck da, aber den lasse ich nicht zu sehr an mich heran. Sonst könnte ich mein Spiel nicht so spielen.

Im Fußball werden zunehmend Typen vermisst. Sind Sie einer?

Auf jeden Fall. Ich habe schon manchmal eine große Klappe und sage, was ich denke.

Das ist alles Zufall, so würde ich das schon sagen.

PATRICK WIMMER über seine Karriere als Fußballprofi

Sie erzählen auch, dass Sie gerne mal ein Bier trinken, Süßigkeiten essen, gehen offen damit um, dass "zwei Porsche besser sind als einer", Ihr Hund brachte bei Ihrem Heiratsantrag den Ring.

Natürlich muss man immer ein bisschen aufpassen und vor allem auch vernünftig mit dem Geld umgehen. Aber ich sage auch: Man lebt nur einmal. Ich genieße mein Leben, und das kann man auch zeigen. Die Fans freuen sich doch auch, wenn sie mal etwas Privates mitbekommen. Ich habe da noch keine negativen Rückmeldungen erhalten.

Sie hatten vor einigen Jahren gar nicht das Ziel, Fußballprofi zu werden. Ist Ihre Karriere mehr Zufall als Plan?

Das ist alles Zufall, so würde ich das schon sagen. Mit 12, 13 Jahren habe ich versucht, in St. Pölten in ein kleines Leistungszentrum aufgenommen zu werden, war aber am zweiten Tag verletzt, die Möglichkeit hat sich damit zerschlagen. Dann habe ich auf dem Dorf in meinem Heimatverein weitergespielt. Anschließend bin ich nach Waidhofen gegangen, 2017 dann nach Gaflenz in die 4. Liga Österreichs gewechselt und habe dort schon als 16-Jähriger Herrenfußball gespielt. Weil der Hauptsponsor von Austria Wien in Gaflenz lebte, hat er mich dort gesehen und empfohlen. Also: Alles purer Zufall.

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Hilft es Ihnen heute, dass Sie zuvor nie in einer Akademie waren, denen schon mal nachgesagt wird, dass Spieler zu sehr in Schablonen gepresst werden?

Ich glaube schon. Für mich war das der richtige Weg. Ich habe in jungen Jahren den Körpereinsatz gelernt, konnte mich so wunderbar entwickeln.

Wie würden Sie es beziffern: Wie viel Prozent machen bei Ihnen Talent aus, wie viel harte Arbeit?

Gute Frage, das ist schwer zu beantworten. Im Profifußball bedeutet jeder Tag harte Arbeit, weil man große Ziele hat. Diese Entwicklung, die man als Einzelner nimmt, funktioniert nicht einfach nur mit Talent. Das haben so viele Spieler. Wenn man das Talent mit harter Arbeit kombiniert, dann kann etwas Großes entstehen.

Wohin kann dieser Weg führen?

So zufällig, wie bislang alles entstanden ist, kann es gerne weitergehen. Mal schauen, was meine weitere Karriere bringt. Einen Traumverein hatte ich nie, ich habe früher auch nie viel Fußball geguckt, war immer lieber mit den Jungs beim Sportplatz und habe bei unserem Dorfverein zugeschaut. Ich habe auch nie Trikots von Real Madrid oder FC Barcelona getragen.

Mit 13, 14 stand ich vor der Entscheidung, ob ich weiter Gewichte stemmen oder Fußball spielen möchte.

Patrick Wimmer über seine Jugendzeit als Gewichtheber

Schauen Sie heute mehr Fußball?

Ja, definitiv. Die Besten schaue ich mir an, weil ich von ihnen lernen möchte. Die anderen, weil es die Konkurrenz ist. Und ein paar Spiele schaue ich, weil ich irgendwelche Spieler kenne.

Was wären Sie geworden, wenn es nicht zum Fußballprofi gereicht hätte?

Ich habe eine Ausbildung in Mechatronik gemacht, habe einen kleinen Bauernhof in der Heimat. Vielleicht würde ich dort jetzt auf dem Trecker sitzen (lacht). Und ich war ein recht erfolgreicher Gewichtheber, weiß aber nicht, ob ich damit mein Leben hätte finanzieren können.

Dabei sehen Sie gar nicht so kräftig aus.

Aber ich war tatsächlich so etwas wie ein Europameister. Mit 13, 14 stand ich vor der Entscheidung, ob ich weiter Gewichte stemmen oder Fußball spielen möchte. Ich glaube, meine Entscheidung war nicht die schlechteste (lacht). Im Kraftraum merke ich aber, dass ich die Spritzigkeit noch in mir habe.

Ihr Weg führte Sie auch in die österreichische Nationalmannschaft. Wie ist der Kontakt zu Trainer Ralf Rangnick?

Sehr gut, wir hören uns immer mal wieder zwischendurch, er gibt mir ein gutes Gefühl. Er sagt mir auch: Ich soll mein Spiel spielen, das machen, was mich auszeichnet. Kurzum: Ich soll mir nichts scheißen (lacht).

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