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Willkommen zu Hause? Zur Rückkehr von Sergio Ramos zum FC Sevilla

Zur komplizierten Rückkehr von Sergio Ramos zum FC Sevilla

Willkommen zu Hause?

Eine extreme Beziehung: Sergio Ramos nach seinem Panenka-Elfmeter in Sevilla, rechts bei seiner Ankunft am Flughafen.

Eine extreme Beziehung: Sergio Ramos nach seinem Panenka-Elfmeter in Sevilla, rechts bei seiner Ankunft am Flughafen. imago images (2)

Irgendwann wird sich das schon mal ändern, dürfte er an diesem 16. Mai 2006 wohl gehofft haben. Das kann ja nicht ewig so bleiben. Es änderte sich auch so einiges im Leben des Sergio Ramos. Er sagte seiner langen Mähne Adios. Er begann, seinen Körper mit Tattoos zu übersäen. Er wurde viermal Vater, viermal Champions-League-Sieger, zweimal Europa- und einmal Weltmeister. Er wurde vom Rechtsverteidiger zum Innenverteidiger und - zumindest laut Carlo Ancelotti - zum "besten Abwehrspieler der Welt".

Doch zu seinem Leidwesen änderte sich eine Sache nie. Beim FC Sevilla blieb er seit seinem Abschied 2005 eine Persona non grata.

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Das Problem: Ramos liebte immer noch genau die, die ihn plötzlich mit Hass überzogen. Unweit von Sevilla in Camas geboren, trat er als Siebenjähriger dem FC Sevilla bei. Mit 17 Jahren und zehn Monaten feierte er im Februar 2004 sein Ligadebüt, in der darauffolgenden Saison war er Stammspieler. Am Guadalquivir verehrten sie den jungen Wilden mit den langen Haaren und dem Babyface. Und was macht das beste Pferd aus eigenem Stall? Es wechselt zu Real Madrid, und das nach gerade mal 49 Pflichtspielen für die Andalusier.

Eigentlich hätte es ja 27 Millionen gute Gründe für die Sevillistas gegeben, dem Teenager den Wechsel zu verzeihen. Doch vor allem die "Biris Norte", Sevillas Ultras, fühlten sich trotz der hohen Ablösesumme zutiefst gekränkt. Sie senkten gnadenlos den Daumen über Ramos. Was ihn zukünftig in Sevilla erwarten würde, dürfte ihm wohl so richtig bewusst geworden sein, als er mit Real erstmals ins Estadio Sanchez Pizjuan zurückkehrte, an eben jenem Tag im Mai 2006: "Das ist das erste Mal, dass ich nach Hause komme und meine Mutter und ich beleidigt werden", sagte der junge Ramos nach dem Spießrutenlauf schockiert.

Hat Ramos den Wechsel forciert?

Damals noch gegen Real: Sergio Ramos 2005 gegen Ronaldo.

Damals noch gegen Real: Sergio Ramos 2005 gegen Ronaldo. picture-alliance/ dpa

Sevilla konnte seitdem weder vergeben noch vergessen, dabei soll doch alles auf einem großen Missverständnis beruhen. Das Gerücht ging um, dass er den Wechsel zu den Königlichen regelrecht forciert haben soll. Die Fans empfanden das als charakterlos und undankbar. Ramos bestreitet die Version. "Ich bin traurig. Del Nido (der ehemalige Präsident von Sevilla, Anm. d. Red.) ist schuld, weil er über meinen Wechsel nicht die Wahrheit gesagt hat."

In Sevilla glaubten sie ihm nicht. Kam Ramos, wurde gepfiffen, beleidigt und mit Flaschen nach ihm geworfen. Getroffen haben sie Ramos nie, betroffen gemacht aber schon. "Das ist nicht dein Zuhause", hieß es mal auf einem Spruchband in Richtung des Verteidigers. Was kann man einem stolzen Andalusier, der als Kind den Berufswunsch "Stierkämpfer" nannte, Schlimmeres an den Kopf werfen?

Provokation à la Panenka

Und so wandelte sich Ramos' Liebe allmählich zu einer Hass-Liebe, die immer bizarrere Blüten trieb. Spielte Ramos in Sevilla, spitzten die spanischen Journalisten schon mal ihre Bleistifte. Nach einem Doppelpack flogen mal wieder Gegenstände in seine Richtung, was für die Fans einen Teilausschluss zur Folge hatte. Mal sah er die Rote Karte, mal wuchtete er Sevilla einen Fallrückzieher in die Maschen. Einem Eigentor in Sevilla folgte im nächsten Spiel wieder ein Eigentor, im selben Spiel verschoss er einen Elfmeter. Und versenkte einen.

Unvergessen ist auch die Partie in der Copa del Rey 2017. Diesmal verwandelte er einen Elfmeter im Panenka-Stil, danach stellte er sich rückwärtsgewandt vor den Sevilla-Block und zeigte mit den Daumen auf seinen Namensschriftzug. Welchen Finger ihm die Sevillistas daraufhin zeigten, ist wohl unnötig zu erwähnen.

Hatte Ramos etwa Gefallen an dem Spielchen gefunden? Wollte er Öl ins Feuer gießen? Mitnichten, es handelte sich um eine pure Trotzreaktion. Einige Sevilla-Fans waren wohl immer noch der Meinung, mit der Eintrittskarte auch die Erlaubnis mitgekauft zu haben, Ramos wüst zu beschimpfen. "Normalerweise feiere ich keine Tore gegen meinen Heimatklub. Aber wenn die Leute meine Mutter beleidigen, verdienen sie auch keinen Respekt", sagte Ramos. Auch eine versöhnliche Geste war jedoch zu sehen. "Ich habe mich bei den Fans entschuldigt, die mich nicht beleidigt oder angeschrien haben."

Der alten Liebe an den Hals geworfen

Ramos wird hoffen, dass sie in der Überzahl sind, wenn er am 17. September gegen Las Palmas wieder mit dem Sevilla-Trikot im Sanchez Pizjuan einlaufen wird - nach 18 langen Jahren. Es war ihm eine Herzensangelegenheit, er hat sich seiner alten Liebe nach dem Aus bei PSG förmlich an den Hals geworfen. Schon "vor Monaten" habe er Sevillas Präsident José Castro angerufen und darum gebeten, zurückkehren zu dürfen. Sie werden ihm in Sevilla zumindest nicht vorwerfen können, keine Opfer erbracht zu haben. Bei einem Wechsel zum an einer Verpflichtung stark interessierten saudi-arabischen Klub Al-Ittihad hätte er 20 Millionen Euro pro Saison verdienen können. In Sevilla werden es dem Vernehmen nach zwei Millionen sein.

Sergio Ramos in Zahlen

  • Geboren am 30. März 1986 in Camas/Sevilla
  • Weltmeister 2010
  • Europameister 2008 und 2012
  • Champions-League-Sieger mit Real 2014, 2016, 2017 und 2018
  • Spanischer Meister mit Real 2007, 2008, 2012, 2017 und 2020
  • Spanischer Pokalsieger mit Real 2011 und 2014
  • Französischer Meister mit PSG 2022 und 2023

Ramos selbst ist nicht nachtragend. "Am Tag meiner Beerdigung werde ich mit den Fahnen von Real Madrid und Sevilla begraben", hatte er trotz aller Anfeindungen einmal angekündigt. Bei seiner Rückkehr geht es ihm offenbar um seinen inneren Frieden, auch um Wiedergutmachung. "Das war ich nicht nur mir selbst schuldig, sondern auch meiner Familie, meinem Großvater, der mich von klein auf zum Sevillista gemacht hat, und meinem Vater", sagte er in einem Video, das über die Vereinskanäle veröffentlicht wurde.

Wie ungewöhnlich die Situation ist, zeigen auch Ramos' folgende Worte. Denn wie oft kommt es schon vor, dass ein Spieler vor seinem Wechsel die Fans um Verzeihung bitten muss? "Es ist 18 Jahre her, dass ich den Verein verlassen habe, und ich denke, ich habe Fehler gemacht", so Ramos in dem Video weiter. "Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich zu entschuldigen und alle Sevilla-Fans um Verzeihung zu bitten, die sich durch Dinge und Gesten, die ich damals gemacht habe, beleidigt gefühlt haben. Ich denke, wir sitzen alle im selben Boot, wir gehören alle zur selben Familie."

Ob die Fans des aktuell Tabellenletzten ihn in der Familie wieder aufnehmen? Die "Biris Norte" haben bereits eine Erklärung abgegeben. Sie unterstützten Handlungen nicht, die "gegen die Prinzipien und die Würde des FC Sevilla verstoßen". Gleichzeitig betonten sie immerhin, es dürfe wegen der Verpflichtung keine Beleidigungen geben. Ein Pfeifkonzert muss Ramos also nicht befürchten.

Wie die Rückkehr verläuft, hängt bei allen Emotionen höchstwahrscheinlich von einer ganz nüchternen Frage ab. Und zwar, ob der Sergio Ramos mit 37 Jahren immer noch genauso gut Fußball spielen kann wie der 19-Jährige.

Christoph Laskowski

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