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Wenige Zuschauer, viel Alu: Eintracht-Frauen auf neuer Stufe

"Man kann nicht immer so viel Pech haben im Leben"

Wenige Zuschauer, viel Pfosten und Latte: Aber Eintracht auf neuer Stufe in Europa

Alle zu Stina Johannes: Die Eintracht-Keeperin (re., verdeckt) hatte Sekunden zuvor den Strafstoß von Paulina Nyström pariert.

Alle zu Stina Johannes: Die Eintracht-Keeperin (re., verdeckt) hatte Sekunden zuvor den Strafstoß von Paulina Nyström pariert. IMAGO/Eibner

Erst schrie das Stadion. Dann hielt es für einen Augenblick den Atem an. Doch der Lupfer von Laura Freigang in der 101. Minute, mitten in der Verlängerung, tickte auf dem Boden auf und sprang von da hoch bis an die Querlatte. Kein Tor, kein 2:1 für Eintracht Frankfurt gegen Juventus Turin.

Es war das dritte Mal in diesem Spiel, dass die SGE Pech hatte: Zwei Minuten zuvor hatte Verena Hanshaw eine Ecke direkt an den Pfosten gezirkelt. Und sieben Minuten vorher hatte schon Weitschuss-Expertin Barbara Dunst die Latte erzittern lassen.

Was wohl in Niko Arnautis' Kopf spätestens nach dem dritten Aluminiumtreffer vorging? Kamen Erinnerungen an das Vorjahr in Hjörring hoch? Damals waren die Adlerträgerinnen beim Champions-League-Qualifikations-Turnier in Dänemark dramatisch an Ajax Amsterdam gescheitert

Niemand wollte die fünfte Schützin sein

Nein, die Vergangenheit spielte keine Rolle. "Vielleicht auf der Tribüne", sagte der Trainer der Frankfurterinnen auf kicker-Nachfrage lächelnd. "Ich habe nicht einmal daran groß gedacht. Weil ich gesehen habe, dass die Mannschaft weiter (als damals, Anm. d. Red.) ist."

Die CL-Spiele der Eintracht

Stattdessen habe er angefangen zu überlegen, wer die Elfmeter schießen würde. Die ausgelassenen Großchancen hätten Arnautis sogar noch zuversichtlicher gestimmt, ließ er zudem durchklingen: "Man kann nicht immer so viel Pech haben im Leben, deswegen war ich sehr optimistisch und hatte auch im Elfmeterschießen ein gutes Gefühl." Und das enttäuschte ihn nicht.

Nach dem 5:4-Sieg im Elfmeterschießen steht Eintracht Frankfurt erstmals in seiner jungen Vereinsgeschichte in den Play-offs der Königslasse. "Ich freue mich sehr, ich bin sehr emotional", sagte Arnautis. "Wie viele Freudentränen geflossen sind - letztes Jahr waren es Tränen der Trauer." Der 43-Jährige sprach von einem hochverdienten Sieg, was angesichts der starken SGE-Leistung und ebenjener drei Aluminiumtreffer nachvollziehbar war. Zumal ein vierter im Elferschießen (Pawollek an den Pfosten) noch dazukam.

Zuschauerzahl gerät enttäuschend

Als Arnautis vor dem finalen Showdown seine Spielerinnen befragte, habe niemand die fünfte Schützin sein wollen, berichtete der Trainer. Also habe er Dunst bestimmt - mit Erfolg. "Ich habe ihnen vorher gesagt: 'Ihr seid Heldinnen. Und egal, was passiert, wir gewinnen heute.'" Im Nachhinein lässt sich so etwas natürlich immer gut an.

Die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer im großen Deutsche-Bank-Park geriet mit 6100 dagegen etwas enttäuschend. Zum Vergleich: Zum letzten Bundesliga-Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg waren 17.800 Menschen gekommen. Und 19.710 Fans zum Zweitrunden-Pokalspiel zwischen Regionalligist FC St. Pauli und Zweitligist Hamburger SV (1:7) am Vorabend.

"Wir sind total dankbar dafür, dass wir hier spielen durften, dass uns die Bühne geboten wurde", sagte SGE-Schlussfrau Stina Johannes. Und ergänzte zum Spiel: "Wir haben es ein bisschen spannender gemacht, als es hätte sein müssen. Wir hatten es vorher schon verdient." Den letzten, schwachen Versuch von Juves Paulina Nyström hielt Johannes und wurde so naturgemäß zur Matchwinnerin. "Sie ist recht gerade angelaufen, was für mich immer ein Indiz ist, länger zu warten", sagte die 23-Jährige, die auf "ein paar Namen" vorbereitet worden sei: "Von denen haben aber kaum welche geschossen."

80 Prozent des Tores gehen auf Anyomis Konto

"Juve war in den letzten zwei Jahren Top 8 bis Top 10 in Europa", hob Trainer Arnautis hervor und merkte mit Blick auf sein Team an: "Schön zu sehen, wie diese Mannschaft gereift und gewachsen ist." Nach dem unnötig knappen 1:0-Sieg über den 1. FC Slovacko aus Tschechien am Mittwochabend legte die Eintracht tatsächlich eine Schippe drauf und verkaufte sich gegen einen Gegner auf Top-Niveau teuer.

"Mitte der ersten Halbzeit, bis zum Gegentor, war Juve sehr stark und hat uns einige Male vor Herausforderungen gestellt", gab Arnautis zu. Doch spätestens mit dem Ausgleich durch Lara Prasnikar in der 66. Minute kippte das Spiel zu Gunsten der SGE.

Fünf Tore haben die Eintracht-Frauen in ihrer jungen Vereinsgeschichte in der Champions League erzielt, rechnet man die Qualifikation hinein. Vier davon gingen auf das Konto von Prasnikar, eines war ein Eigentor. Dabei ging der Treffer diesmal zu 80 Prozent auf das Konto der durchgebrochenen Nicole Anyomi, die einen Ballverlust von Estelle Cascarino nutzte und anschließend auf und davon war. Dass Prasnikar Anyomis Querpass einschob, war keine große Kunst mehr.

Aber große Kunst führt dafür nicht immer zu Toren. Frag nach - bei Laura Freigang in der 101. Minute.

Paul Bartmuß

Alle Gewinnerinnen der Fritz-Walter-Medaille seit 2005