DFB-Pokal

Tremmel: "Mit Christoph Daum hatte ich Mitleid"

Ex-Hachinger erinnert sich an den Tag, als Bayers Meistertraum platzte

Tremmel: "Mit Christoph Daum hatte ich Mitleid"

20. Mai 2000: Unterhachings Keeper Gerhard Tremmel fliegt gegen Leverkusen und macht den FC Bayern indirekt zum Meister.

20. Mai 2000: Unterhachings Keeper Gerhard Tremmel fliegt gegen Leverkusen und macht den FC Bayern indirekt zum Meister. imago

Nun also wieder Haching gegen Leverkusen - im Pokal. Tremmel schaut zurück, spricht über das Match am Dienstagabend vor den Toren Münchens und auch über seine eigene Situation beim FC Swansea in der Premier League.

kicker: Herr Tremmel, versetzen Sie sich mal gedanklich zurück, bitte. 20. Mai 2000, Haching gegen Leverkusen. Was spüren Sie?

Spielersteckbrief Tremmel
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Gerhard Tremmel: Ich erinnere mich noch gut an diese ganz besondere Atmosphäre, die über dem kleinen Sportpark lag. In und um München war schon von Anfang an die Hoffnung da, dass wir als kleiner Bruder vom FC Bayern Schützenhilfe leisten.

kicker: Was dann mit dem 2:0-Sieg klappte. War es das Spiel Ihres Lebens?

Tremmel: Das nicht, nein. Es war ein besonderes Match, ja. Aber für uns bestand der Wert ja "nur" darin, Bayern zum Meister zu machen. Es gehört sicherlich zu den Top 3 der unvergesslichsten Spiele, aber persönlich ganz oben anordnen würde ich den Sieg mit Cottbus gegen Hertha einige Jahre später, als ich beim 1:0 eine extrem starke Leistung zeigte, was für meine weitere Karriere damals wichtig war.

kicker: Gegen Leverkusen müssen Sie sich vorgekommen sein wie in einem Traum.

Tremmel: Nicht nur da. Ein paar Wochen vorher habe ich noch in der zweiten Mannschaft in der Landesliga gekickt, dann erziele ich mit den Profis ein 1:1 gegen 1860 und wir gewinnen auch noch in Dortmund. Als junger Torhüter war ich da ungemein stolz.

Leverkusens Coach Christoph Daum lässt sich von seinem Sohn nach der vergebenen Meisterschaft trösten.

Leverkusens Coach Christoph Daum lässt sich von seinem Sohn nach der vergebenen Meisterschaft trösten. imago

kicker: War der Sieg gegen Bayer ein besonderer, weil Sie selbst aus der Bayern-Jugend kamen?

Tremmel: Auf jeden Fall, wir hatten einige Spieler mit Bayern-Vergangenheit, Bayern war oft Thema in der Kabine. Und deshalb gab es natürlich auch eine besondere Motivation. Das 2:0 hat ja mit Markus Oberleitner auch ein Ex-Bayern-Spieler gemacht.

kicker: War Köstners Aussage vor dem Spiel, Leverkusen sei zu 99,9 Prozent Meister auch motivierend?

Tremmel: Ich habe ja heute noch Kontakt zu Lorenz und weiß, dass er so was eher als psychologischen Trick angewandt hat, um Leverkusen vermeintlich in Sicherheit zu wiegen.

kicker: Und haben Sie selbst an die Sensation geglaubt?

Tremmel: Ich habe gar keine Gedanken daran verschwendet, sondern alles auf mich zukommen lassen. Das Spiel hatte jedenfalls damals schon Pokalcharakter.

kicker: Bekommen Sie die elf Namen noch zusammen aus der Hachinger Startelf? (überlegt, zählt einige auf, kommt am Ende auf neun von elf Spielern). Bei Leverkusen stand Michael Ballack wegen seines Eigentores im Fokus. Hatten Sie Mitleid mit ihm?

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Tremmel: Er war ein überragender Spieler, der aufgehende Stern damals. Aber eher erinnern kann ich mich an das Bild von Trainer Christoph Daum mit seinem Sohn nach dem Spiel auf der Bank, völlig zerstört. Mit Daum hatte ich Mitleid.

kicker: Sie waren Schuld, Sie brachten die Leverkusener zur Verzweiflung.

Tremmel: Ja, aber an einzelne Paraden, bis auf eine gegen Thomas Brdaric, kann ich mich nicht mehr erinnern.

kicker: Nach dem Spiel ging’s dann ab zur Meisterfeier des FC Bayern.

Das war eine coole Sache, ganz spontan, glaube ich. Die Spieler standen für uns Spalier, es war der krönende Abschluss. Und ganz wichtig: Ich hatte die Schale auch in der Hand ...

Gerhard Tremmel über die Meisterfeier der Bayern am 20. Mai 2000

Tremmel: Ja, das war eine coole Sache, ganz spontan, glaube ich. Die Spieler standen für uns Spalier, es war der krönende Abschluss. Und ganz wichtig: Ich hatte die Schale auch in der Hand ...

kicker: Kommen wir zur Gegenwart: Was sagen Sie zum Weg der Hachinger nach Ihrer Zeit dort?

Tremmel: Es ist schade, dass man nur noch in der Regionalliga spielt. Gut, die Bundesliga, das war ein Abenteuer. Aber in der 2. Liga waren wir eigentlich etabliert. Wir waren damals ein super Team, eine tolle Einheit.

kicker: Aber Präsident Manni Schwabl ist bemüht, den Verein wieder hochzubringen.

Tremmel: Es ist immer schwierig, wenn kein Geld da ist. Man muss eben jetzt auf viele junge Spieler setzen. Das ist okay, aber ohne Erfahrung geht es eben auch in diesen Ligen nur schwer wieder hoch.

kicker: Im Pokalspiel kann sich Haching nun wieder auf größerer Bühne zeigen. Gibt es wieder eine Sensation?

Tremmel: Ich denke nicht. Leverkusen wird sich durchsetzen.

kicker: Kein Platz für Fußballromantik diesmal?

Tremmel: Ich fürchte nicht, aber grundsätzlich ist in Pokalspielen natürlich immer alles möglich.

Gerhard Tremmel als Torwart bei seinem heutigen Klub Swansea City.

Gerhard Tremmel als Torwart bei seinem heutigen Klub Swansea City. imago

kicker: Alles möglich - ist das auch das Motto für Ihre Situation in Swansea, sprich: Ist eine Rückkehr von Ihnen nach Deutschland mangels Einsatzzeit auf der Insel vorstellbar?

Tremmel: Ja, man weiß nie was noch passiert. Erst ging ich schon von einem Abschied aus, dann wurde mein Vertrag doch wie von mir gewünscht um zwei Jahre verlängert, jetzt ist unser Trainer Garry Monk entlassen worden. Mal sehen, wie es weitergeht.

kicker: Sie spielten in der Premier League unter ihm nicht mehr. Warum?

Tremmel: Das weiß nur Garry Monk (lacht). Wie es jetzt weitergeht unter dem neuen Coach, den es noch nicht gibt, muss ich abwarten. Da sind noch zu viele Fragen offen.

Interview: Thomas Böker