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SSV Reutlingen: Druck ablassen in einer prekären Lage

Oberliga Baden-Württemberg

SSV Reutlingen versucht Druck abzulassen in einer prekären Lage

Ausgedünnt: Der SSV Reutlingen wird derzeit von massivem Verletzungspech gebeutelt.

Ausgedünnt: Der SSV Reutlingen wird derzeit von massivem Verletzungspech gebeutelt. imago images/ULMER Pressebildagentur

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Erfolgsmeldungen sind beim SSV Reutlingen dieser Tage besonderer Balsam für die wunde Seele. Nach einem Herbst, in dem der ehemalige Zweitligist zwischenzeitlich neun Spiele ohne Niederlage blieb, begann das Jahr 2022 in die gegengesetzte Richtung: Ein Punkt aus fünf Spielen. Am Mittwoch verlängerte aber Torjäger Onesi Kuengienda seinen Vertrag bis 2023, hinzu wurde U-19-Stürmer Jan-Christian Beifuß weiter an den Verein gebunden. "Ich bin ein echter Reutlinger, daher freue ich mich Teil des neuen Projektes an der Kreuzeiche zu sein", sagt Kuengienda, der in dieser Saison schon siebenmal getroffen hat und mit 29 Jahren auch weiterhin als Führungsspieler den vielen jungen Spielern im Kader Halt geben will.

Zurück zur sportlichen Gegenwart: Erschwerend zu der Tatsache, dass man 2022 schon gegen die beiden Schwergewichte Stuttgarter Kickers (0:1) und SGV Freiberg (0:3) spielen musste, kommt ein massives Verletzungspech: "Gegen Freiberg hatten wir nur noch neun Herrenspieler, den Rest mussten wir aus der U 19 auffüllen", erzählt Christian Grießer, Vorstand Sport an der Kreuzeiche. Gejammert wird nicht, auch wenn man das Spiel gegen Freiberg gerne verlegt hätte, doch darauf habe sich der Gegner nicht einlassen wollen.

Wie auch immer, die U 19 des SSV, die als Tabellenführer der A-Junioren-Oberliga gute Chancen auf einen Aufstieg in die Bundesliga hat, entwickelt sich immer mehr zu einer Quelle für hoffnungsvolle Nachwuchstalente. So etwas fällt natürlich größeren Klubs, die im Gegensatz zu Reutlingen über ein Nachwuchsleistungszentrum verfügen, auch auf, doch das Beispiel Beifuß zeigt, dass der eine oder andere trotz aller Begehrlichkeiten seine Herrenkarriere in Reutlingen beginnt.

Das "Wie" ist entscheidend

"Wir sind ein Ausbildungsverein", unterstreicht Grießer und will den Verein in kleinen, dafür nachhaltigen Schritten nach oben führen. Angesprochen auf das Umfeld, das noch immer über eine sehr lebendige Fanszene verfügt und womöglich bei zu kleinen Schritten irgendwann ungeduldig werden könnte, sagt der Sportvorstand fast schon etwas gereizt: "Ich halte nichts von diesen Dreijahresplänen. Was macht man, wenn man die Ziele nicht erreicht? Dann kann man wieder alles umschmeißen." Klar ist für Grießer aber auch, dass er mit dem SSV gerne aufsteigen möchte, doch das "Wie" ist entscheidend, ob der Klub organisatorisch dazu bereit sei. "Nur mit Ehrenamtlichen wird es in der Regionalliga nicht gehen." In anderen Bereichen sei der Verein schon top aufgestellt: "Wir haben eine gute Infrastruktur, vor allem mit dem Stadion. Das lockt auch Spieler an. Und die Fanszene ist einmalig, so eine Szene haben in der Liga nur noch die Stuttgarter Kickers."

Der Verein will es im Herrenbereich ähnlich wie in der Jugend machen. Da lautete vor Jahren auch die Maxime, mit allen Jugendteams möglichst in der höchsten Liga zu spielen, und jetzt nach fünf, sechs Jahren scheint die Saat so langsam aufzugehen. "Wir machen uns da keinen Zeitdruck", so Grießer, der es tunlichst vermeiden will, dem Umfeld irgendwelche falschen Hoffnungen vorzugaukeln, obwohl er weiß: "Die Region dürstet nach höherklassigem Fußball."

Das klare Ziel ist die Oberliga, denn ich weiß nicht, ob 6. Liga so ohne weiteres machbar wäre.

Christian Grießer, Vorstand Sport

Keine Schnellschüsse, kein Aktionismus, dafür das klare Bekenntnis zur Kontinuität. Diese hehren Ziele könnten im weiteren Saisonverlauf aber noch auf eine harte Probe gestellt werden, denn der SSV steht nur noch zwei Punkte über der Abstiegszone und Trainer Maik Schütt hat schon seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Wird da vielleicht nicht doch ein frühzeitiger Trainerwechsel erforderlich, muss es in den entscheidenden Wochen gar einer aus der Kategorie "Feuerwehrmann" richten? "Unser Wunsch ist es, die Saison mit Maik Schütt zu Ende zu bringen. Wir sind von ihm überzeugt, sein Training und seine Analysen sind gut", so Grießer. Ein zweischneidiges Schwert, so hört es sich zumindest dann, denn zum einen soll sich die Rückendeckung für Schütt leistungsfördernd auf den sich immer mehr zuspitzenden Abstiegskampf auswirken, anderseits sagt Grießer auch: "Das klare Ziel ist die Oberliga, denn ich weiß nicht, ob 6. Liga so ohne weiteres machbar wäre." Schließlich lebt der Verein sehr stark vom Zuspruch seiner Zuschauer. Ein Abrutschen in die Verbandsliga wäre kontraproduktiv. Die Hoffnungen liegen jetzt darauf, dass sich das Lazarett zumindest etwas lichtet. "Wir haben dennoch einige Langzeitverletzte", so Grießer.

Die Vertragsabschlüsse mit Kuengienda und Beifuß zeigen, dass die neue Saison schon intensiv geplant wird. Höchste Priorität hat deswegen auch, einen neuen Trainer ab Sommer zu finden. "Die Spieler wollen natürlich bald Klarheit", sagt Grießer. Mit einer Verkündung ist bis spätestens nächste Woche zu rechnen. Vorher wartet am Samstag das Auswärtsspiel beim Kellerkonkurrenten Sportfreunde Dorfmerkingen: "Das werden keine schönen Spiele, jetzt geht es um Kratzen und Beißen", sagt der Reutlinger Vorstand zu den kommenden Aufgaben und hört sich dennoch glücklich darüber an, dass sein Klub die Brocken aus Stuttgart-Degerloch und Freiberg im Spielplan schon hinter sich gebracht hat.

Stefan Wölfel

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