Football

Die Takeaways zur NFL-Preseason von Adrian Franke

Die NFL-Kolumne von kicker-Experte Adrian Franke

Rookie-Quarterbacks, Hype-Kandidaten und Tanking-Sorgen: Die Takeaways zur Preseason

George Pickens und die Pittsburgh Steelers könnten in der kommenden Saison überraschen.

George Pickens und die Pittsburgh Steelers könnten in der kommenden Saison überraschen. Getty Images

Ist die Steelers-Offense bereit für ihren Breakout?

Jedes Jahr gibt es ein paar Offenses, die überraschen. Units, bei denen man nicht unbedingt den Breakout vermutet, und die dann umso mehr positiv überraschen. Detroit wäre so ein Beispiel letztes Jahr: Die Lions hatten in den meisten Advanced Metrics eine Top-10-Offense, nachdem man im Vorjahr meist im unteren Liga-Viertel zu finden war, obwohl kein signifikantes individuelles Upgrade dazugekommen war. Das war eine Offense, die schematisch zusammengewachsen ist, im Kollektiv einen großen Schritt nach vorne gemacht und sich dann als eine der robusteren Units ligaweit während der Saison präsentiert hat.

Ich sehe eine reelle Chance, dass die Pittsburgh Steelers eine ähnliche Rolle in der kommenden Saison spielen können. Pittsburgh belegte nach Expected Points Added pro Play Platz 14, genau wie nach Success Rate und nach DVOA (Defense-adjusted Value Over Average) war es die Nummer-18-Offense. Wie man es also dreht und wendet, es war eine mittelmäßige Offense - was man durchaus auch positiv bewerten kann angesichts der Tatsache, dass mit Kenny Pickett ein Rookie-Quarterback schon früh in der Saison als Starter übernahm.

Noch positiver aber sehe ich den Trend. Einerseits mit Blick auf die Kaderentwicklung, andererseits aber eben auch dahingehend, was wir von den Steelers in der Preseason bekommen haben. Pittsburgh hat einen klaren Fokus darauf gelegt, seine Offensive Line zu stabilisieren: Nach Mason Cole und James Daniels im Vorjahr kamen in dieser Offseason mit Guard Isaac Seumalo und Erstrunden-Tackle Broderick Jones zwei weitere Starter mit dazu, wenngleich Jones vermutlich erst einmal noch ins zweite Glied rückt.

Das sollte weiter dabei helfen, das Run Game zu stabilisieren, nachdem Pittsburgh hier schon letztes Jahr im Vergleich zu 2021 beachtliche Sprünge gemacht hat: Nach Expected Points Added pro Run hatte Pittsburgh in der vergangenen Saison die drittbeste Rushing Offense!

Podcast
Podcast
#93: Welche Teams machen den größten Sprung 2024?
01:09:07 Stunden
alle Folgen

Hier bietet sich auch der Übergang hin zu dem an, was wir in dieser Preseason gesehen haben. Denn diese Effizienz im Run Game lag mitnichten an Starter Najee Harris, der einstige Erstrunden-Pick war nach Rushing Yards Over Expected einer der schlechtesten Backs in der NFL letztes Jahr. Harris lief für unter vier Yards pro Run, er hatte mit die schlechtesten Explosivitätswerte unter allen Läufern mit mindestens 100 Runs - und in puncto Yards nach Kontakt war er ebenfalls im unteren Mittelfeld.

Der Spieler, der hier Potenzial für mehr schon letztes Jahr aufblitzen ließ und das in der diesjährigen Preseason bestätigte, war Backup Jaylen Warren. Warren war schon letztes Jahr, mit natürlich deutlich kleinerer Sample Size, deutlich explosiver und effizienter und bestätigte das in der Preseason nicht zuletzt mit seinem 62-Yard-Touchdown-Run gegen Buffalo - der erste Rushing-Touchdown über mindestens 60 Yards für die Steelers seit 2016.

Die Offseason-Kolumnen von Adrian Franke

Warren ist ein Faktor, der der Offense mit mehr Einsatzzeit mehr Explosivität und dadurch einen deutlichen Boost geben könnte, Calvin Austin ist ein anderer. Ein spannendes Prospect vor dem letztjährigen Draft, doch Austin verpasste seine Rookie-Saison verletzt. Jetzt ist er zurück, ließ sein Potenzial unter anderem mit einem 54-Yard-Punt-Return gegen Buffalo sowie einem 67-Yard-Catch gegen die Bucs aufblitzen. Auch George Pickens, der ein klarer Breakout-Kandidat ist, hatte seine Big Plays in mehreren Preseason-Spielen, zuletzt ein 35-Yarder gegen Atlanta - ein weiterer Contested Catch tief an der Sideline, Pickens' Spezialität.

Peterson, Gore, Emmitt Smith: Die erfolgreichsten Läufer der Geschichte

Austin sollte eine Rolle in dieser Offense finden können, potenziell auch statt Allen Robinson, der letztes Jahr bei den Rams keine gute Figur gemacht hat. Rookie-Tight-End Darnell Washington hatte ein eindrucksvolles Camp und Kenny Pickett hat bereits als Rookie gezeigt, dass sich seine Playmaker-Qualitäten überraschend gut auf die NFL übertragen.

Nach Camp und Preseason ist hier ein wenig Hype angebracht: Diese Offense sollte nicht nur mehr Playmaker an den Start bringen, sie sollte vielseitiger, schwerer ausrechenbar und vor allem explosiver sein. Und falls die Steelers dann defensiv wieder Richtung Top 10 klettern, dann wird dieses Team um ein Play-off-Ticket kämpfen - und das in der qualitativ hochwertigen sowie hart umkämpften AFC North.

Purdy ist San Franciscos unangefochtener Starter

Spätestens nachdem Kyle Shanahan am Rande der Preseason mit Albert Breer von "Sports Illustrated" gesprochen hatte, waren auch die letzten Restzweifel beseitigt. Shanahan machte Breer unmissverständlich klar, dass Purdy "im Training komplett eingehen" müsste, um den Starter-Job zu verlieren - mit dem Zusatz, dass Purdy dafür ein "zu guter Spieler" sei.

Viel klarer geht es nicht. Shanahan war trotzdem gewillt, noch ein paar Schippen draufzupacken. "Er war unser Starter seit dem Ende der vergangenen Saison", erklärte San Franciscos Head Coach weiter, "er war immer ganz klar unser Starter, aber es gab viele Fragezeichen hinsichtlich seiner Verletzung. Wie würde er davon zurückkommen, wir wussten nicht, ob er für die Saison bereit sein würde, also mussten wir uns auf alles vorbereiten."

Brock Purdy geht als unangefochtener Starter in die neue Saison.

Brock Purdy geht als unangefochtener Starter in die neue Saison. Getty Images

Deshalb, so Shanahan weiter, wurde Sam Darnold verpflichtet, der dann in der Preseason mitunter vor Trey Lance zum Einsatz kam. Auch im Training war die Hierarchie schnell klar: Purdy, der noch immer langsam herangeführt wurde und nicht jeden Tag werfen sollte, arbeitete immer, wenn er auf dem Platz war, mit den Startern. Lance und Darnold dagegen teilten sich Reps, sodass der Eindruck mehr und mehr entstand, dass nicht der Starting-Spot, sondern der Backup-Spot ein offener Wettbewerb war. Ein Eindruck, der sich spätestens mit dem Abgang von Lance ganz klar bestätigt hat.

Shanahan selbst erklärte weiter in dem Interview, dass es "schwer" sei, das, was Purdy letztes Jahr in der Saison gezeigt habe, "im Training zu übertrumpfen". Umso größer dürfte die Erleichterung gewesen sein, als Purdy bereits im zweiten Preseason-Spiel auflaufen konnte. Purdy spielte einen Drive gegen Denver, brachte vier von fünf Pässen an, und die Offense wirkte bereits wieder wie die gewohnte Shanahan-Offense-Maschinerie.

Was das für die Zukunft der Niners und der Niners-Quarterback-Strategie generell unter Shanahan bedeutet, das steht auf einem anderen Blatt. Doch die Idee, dass Lance sich im Camp als Starter noch aufdrängen könnte, erwies sich als Trugschluss: Purdy ging mit massivem Puffer in die Offseason, und Lance hatte eine bestenfalls durchwachsene Vorbereitung mit zu viel schlechtem Tape in den Preseason-Spielen - was ultimativ dazu führte, dass er zur Nummer 3 degradiert und dann auf seinen Wunsch hin getradet wurde.

Das ganze Lance-49ers-Thema bedarf einer eigenen Aufarbeitung, vielleicht schon zeitnah in einer weiteren Kolumne hier an dieser Stelle. Aus der Preseason steht dieser Takeaway: Purdy ist der klare Starter in San Francisco, Shanahan hat wieder einen Quarterback, der in erster Linie seine Offense aufs Feld bringen kann - und Purdy hat mutmaßlich einen ordentlichen Puffer vor dem neuen ersten Backup Darnold.

Starten die Cardinals die Tanking-Season?

Wenn ein Team wie Arizona zwei Wochen vor Saisonstart seinen einstigen Top-10-Pick noch für einen Siebtrunden-Pick verscherbelt und sich von seinem besten Swing-Lineman trennt, wird schnell mit dem Begriff "Tanking" um sich geworfen. Zu naheliegend sind solche Ideen, wenn das vermeintlich schlechteste Team der Liga kurz vor der Saison nochmals Talent abgibt.

Beide Fälle aber muss man einzeln betrachten. Isaiah Simmons kam mit jeder Menge Hype in die NFL, ein fantastisches College Prospect, der jemand werden sollte, der eine Defense prägen kann. Arizona versuchte, ihn zunächst als Linebacker aufzustellen - was kurioserweise die Giants jetzt auch planen, denn in dieser Rolle war Simmons meist überfordert. Sicher gibt es hier Unterschiede in der Art und Weise, was eine Defense von ihren Linebackern fordert, doch im Slot und auf Safety fühlte er sich merklich wohler. Simmons selbst hat in der Offseason gesagt, dass er nicht mehr Linebacker spielen will.

Das neue Regime der Cards wollte ihn auf Safety stellen, Simmons hat mit den Defensive Backs in der Saisonvorbereitung gearbeitet. Simmons wäre in sein letztes Vertragsjahr gegangen, womöglich waren die Probleme auch auf Safety zu offensichtlich? Oder er hatte nicht die Einstellung, die sich das neue Regime wünscht? Gerade bei Coaching-Wechseln kann das nochmals relevanter sein - und das neue Regime hatte immerhin schon im Frühjahr seine Fifth-Year-Option nicht gezogen.

Piratenschiff, Beton, Dächer: Die Stadien der 32 NFL-Teams

Bisher war Simmons ein durchschnittlicher Role Player und bisweilen ein Spieler, den gegnerische Offenses gezielt attackiert haben. Sportlich hält sich der qualitative Verlust in Grenzen. Dass man ihn für so wenig Gegenwert abgibt statt die Saison spielen zu lassen, legt für mich zumindest nahe, dass nicht nur sportliche Gründe hinter der Entscheidung stehen.

Einen Fünftrunden-Pick für Tackle Josh Jones halte ich derweil für marktgerecht. Hier muss man sich die Frage stellen, warum ein junger talentierter Tackle keinen Platz hat. Ich denke, es liegt daran, dass Jones deutlich nachgewiesen hat, dass er nicht Guard spielen kann - und mit D.J. Humphries und Rookie Paris Johnson steht das Tackle-Duo. Jones wäre über die Saison hinaus so vermutlich nicht zu halten gewesen, jetzt bekam Arizona noch Marktwert für ihn. Ehrlicherweise hat es mich eher gewundert, dass nicht ein Team wie die Jets etwa hier zugeschlagen hat, als dass ein Jones-Trade per se mich überrascht hätte.

Kyler Murray

Quarterback der Cardinals: Kyler Murray. IMAGO/USA TODAY Network

Wenn man den Trade-Hattrick perfekt macht und die Tatsache, dass Josh Dobbs für einen Fünftrunden-Pick aus Cleveland geholt wurde, mit berücksichtigt, wird das Argument für Tanking noch dünner. Arizona hat über die Preseason und das Camp womöglich gemerkt, dass Colt McCoys Arm nicht mehr viel zu bieten hat - und dass Rookie Clayton Tune noch nicht bereit ist. McCoy wurde gar zu den finalen Kader-Cuts entlassen. Dobbs kennt die Offense von Coordinator Drew Petzing aus Cleveland, dass Arizona so spät im Prozess noch in eine womöglich bessere Übergangslösung investiert zeigt, dass Spiele auch dieses Jahr gewonnen werden sollen. Ob das klappt, das ist eine andere Frage.

Überhaupt wird die Quarterback-Thematik der erste echte Maßstab für dieses Regime sein. Arizona hat unter Monti Ossenfort einen vielversprechenden ersten Draft hingelegt, im Sinne von dass man bewusst darauf aus war, Ressourcen anzuhäufen und sich mittel- und langfristig besser aufzustellen. Wie es mit der Quarterback-Frage umgeht (Wann sehen wir Kyler Murray? Ist er ein Trade-Kandidat nächstes Jahr? Was macht Arizona, sollte man den Nummer-1-Pick haben?), wird die gravierende Weichenstellung für dieses Regime sein.

Die Offensive Line der Panthers bietet Grund zur Sorge

Als die Panthers im April Bryce Young mit dem Nummer-1-Pick im Draft auswählten, schien die Schablone für seine Rookie-Saison relativ klar: Die Panthers hatten ein funktionales Receiving Corps zusammengebaut mit mehreren erfahrenen Role Playern, die Young zumindest verlässliche Optionen bieten sollten. Die Stärke dagegen sollte die Offensive Line sein, die Young Zeit verschaffen und dabei helfen soll, den Sprung vom College in die NFL zu schaffen.

Auch mit Blick auf Youngs schmale Statur war das ein wichtiger Punkt, doch die Preseason ließ einige Zweifel daran zu. Im ersten Spiel ließ sich die Starting Unit, die mit vier von fünf Startern antrat, mitunter von den Jets-Backups überrumpeln, insbesondere Left Tackle Ikem Ekwonu sah gar nicht gut aus. Das setzte sich im zweiten Spiel fort, auch andere Starter wackelten. Rookie Chandler Zavala durfte sich im zweiten Spiel mit den Startern auf Right Guard - wo der verletzte Austin Corbett noch fehlt - versuchen. Auch er hatte seine liebe Mühe.

Bereits nach dem Jets-Spiel hatte Ekwonu ganz offen gesagt: "Das war enttäuschend. Das ist nicht das, was wir sehen wollen. Wir waren nicht gut genug und müssen einiges korrigieren." Die Kommentare nach dem Woche-2-Auftritt gegen die Giants hatten den gleichen Tenor.

Panthers-Rookie-Quarterback Bryce Young könnte schon früh in seiner NFL-Karriere gehörig unter Druck geraten.

Panthers-Rookie-Quarterback Bryce Young könnte schon früh in seiner NFL-Karriere gehörig unter Druck geraten. Getty Images

Niemand sollte aufgrund einer Handvoll Preseason-Snaps - gegen die Jets spielten die Starter elf Snaps, gegen die Giants waren es 21 und zum Abschluss der Preseason dann nochmals 22 Snaps gegen Detroit - überreagieren. Trotzdem ist es nicht ideal, wenn eine Starting Line, die auf vier von fünf Spots mit den gleichen Startern an den Start geht und mit James Campen auch den gleichen O-Line-Coach wie im Vorjahr hat, solche Probleme mitunter gegen Backups offenbart.

Die erste gute Nachricht ist, dass es zum Abschluss gegen die Lions - wenn auch gegen deren zweite Garde - den besten Auftritt gab. Die zweite gute Nachricht ist, dass man Youngs Ruhe und Toughness in der Pocket so gleich zum Start seiner NFL-Karriere sehen konnte. Doch um Young in seiner Rookie-Saison eine Chance zu geben und um sich selbst als Team eine Chance zu geben sowie zum Start einer neuen Ära eine Grundlage zu legen, brauchen die Panthers ihre Offensive Line.

Rookie-(Backup-)Quarterbacks glänzen

Einer der spannendsten Aspekte einer jeden Preseason sind überhaupt die Rookie-Quarterbacks. Meist hoch gepickt und monatelang im Vorfeld des Drafts bis ins kleinste Detail seziert, sieht man die möglichen künftigen Franchise-Quarterbacks endlich im NFL-Kontext und kann sich einen ersten Eindruck verschaffen. Das war auch in dieser Preseason gegeben, doch die "Stars" waren nicht Bryce Young, C.J. Stroud und Anthony Richardson, die Top-5-Picks auf der wichtigsten Position; es waren die Mid- und Late-Rounder, die Quarterbacks, die als Backup oder als Prospects, die noch viel Feinschliff benötigen, gedraftet wurden.

Dorian Thompson-Robinson - Fünftrunden-Rookie der Cleveland Browns - konnte seine erste Duftmarke bereits im Hall of Fame Game setzen. Er zeigte sich über die ganze Preseason als der unterhaltsame Playmaker, der er schon im College bei UCLA zuvor gewesen war - einige spektakuläre Runs und (versuchte) Blocks inklusive. DTR ist ein interessanter Playmaker, der als Backup einer Offense wirklich etwas geben kann - vielleicht mehr.

So könnte man auch Aidan O'Connell beschreiben. O'Connell war der vielleicht beste Preseason-Quarterback überhaupt, Starter, Backups und Spieler aus der dritten und vierten Reihe inklusive. Der Viertrunden-Pick sollte sich den Backup-Posten bei den Las Vegas Raiders gesichert haben, und hinter dem verletzungsanfälligen Jimmy Garoppolo gibt es vielleicht sogar die Gelegenheit auf Einsätze in der Regular Season. O'Connell hatte keine Angst auch vor schwierigen Pässen, ist dabei aber kein unnötiges Risiko eingegangen oder hat gar kopflos agiert, ganz im Gegenteil: Er wirkte in seinen Einsätzen nicht wie ein Rookie. Ein Quarterback, den man im Blick behalten muss.

Aidan O'Connell

Ein Quarterback, den man im Blick haben muss: Raiders-Backup Aidan O'Connell. IMAGO/USA TODAY Network

Tyson Bagent drängt in Chicago ebenfalls auf den Backup-Spot hinter Justin Fields, was dazu führte, dass sich die Bears von P.J. Walker trennten, den sie eigens als Fields-Backup verpflichtet hatten. Auch Tanner McKee in Philadelphia macht Druck auf den Backup-Posten. Beide haben ebenfalls einen sehr guten Eindruck in der Preseason hinterlassen.

Geht das Tackle-Risiko bei den Jets auf?

Mit dem Trade für Aaron Rodgers sind die Jets ohne Wenn und Aber All-In. New York hat einen jungen Nummer-1-Receiver in Garrett Wilson, hat zusätzlich nochmals kräftig in sein offensives Waffenarsenal investiert (etwa Allen Lazard, Dalvin Cook) und könnte in der kommenden Saison eine Top-3-Defense stellen. Und jetzt ist eben auch der Top-8-Quarterback in New York angekommen.

Für ein Team mit diesen Ansprüchen ist es doch bemerkenswert, zu sehen, wie riesig das Fragezeichen auf Offensive Tackle ist. Duane Brown auf der linken und Mekhi Becton auf der rechten Seite wäre wohl die Ideallösung. Doch Brown hat die Saisonvorbereitung infolge seiner Schulterverletzung bis zum Ende der vergangenen Woche komplett verpasst, wird am Mittwoch 38 und kommt aus der mit Abstand schwächsten Saison seiner Karriere. Becton derweil geht in eine kritische Saison: Der 24-Jährige ist der talentierteste Spieler der Tackle-Gruppe, sein letzter Einsatz aber war im ersten Spiel der 2021er (!) Saison - und nachdem die Jets seine Fifth-Year-Option nicht gezogen haben, geht er in sein letztes Vertragsjahr.

Die Camp-Berichte über Becton hatten zuletzt eine gehörige Bandbreite. Becton konnte in jedem Preseason-Spiel spielen. Nachdem er in Woche 1 immerhin 28 Snaps gegen die Panthers absolviert hatte, gab Coach Robert Saleh zu: "Wirklich cool. Er hat sich durchgebissen und hat viel mehr Reps gespielt, als wir geplant hatten. Und er wollte noch mehr. Das war heute ein wirklich großer Schritt für ihn."

Aaron Rodgers muss sich bei den Jets auf eine neue Offensive Line einstellen.

Aaron Rodgers muss sich bei den Jets auf eine neue Offensive Line einstellen. Getty Images

Doch Salehs Zusatz ließ in gewisser Weise auch andere Interpretationen zu: "Mir ist egal, wie sein Film aussieht. Für ihn geht es einfach darum, Vertrauen in sein Knie aufzubauen." Gegen die Panthers ließ Becton in Pass Protection noch zu viel zu, gegen Tampa Bay präsentierte er sich verbessert. Doch Salehs Aussage könnte man auch so interpretieren, dass der einstige Nummer-11-Overall-Pick noch Zeit brauchen wird. Tatsächlich hat er seine ersten Reps auf Right Tackle erst vor eineinhalb Wochen bekommen, dennoch ernannten die Jets ihn zum Abschluss der Preseason zum Starting-Right-Tackle.

Es ist eine instabile Situation und die Tackle-Problematik könnte am Ende das sein, was die ambitionierte Jets-Saison versenkt. Rodgers ließ bereits verlauten, dass er sich über Dinge keine großen Sorgen mache, in denen er noch keine große Rolle spiele. Das jedoch, so Rodgers weiter, "kann sich ändern. Vielleicht sage ich irgendwann, dass ich die fünf, die spielen werden, auch für eine gute Woche im Training zusammen brauche."

Patriots: Rollen für Malik Cunningham, Kayshon Boutte und Demario Douglas?

Undrafted-Rookie-Quarterback Malik Cunningham konnte im ersten Preseason-Spiel gegen Houston seine Mobilität unter Beweis stellen; im zweiten Spiel zeigten dann Bill Belichick und die Patriots, dass sie womöglich gewillt sind, Cunningham als eine flexible Allzweckwaffe einzusetzen: Cunningham spielte in Woche 2 Receiver, wo er im Training auch maßgeblich gearbeitet hat, genau wie im Special Team. Könnte er eine Taysom-Hill-ähnliche Rolle einnehmen?

Mahomes, Young, Rodgers & Co.: Die NFL-Quarterbacks 2023

Und Cunningham ist nicht der einzige junge Offense-Spieler, der in New England während dieser Preseason für Aufsehen gesorgt hat. Da wäre Sechstrunden-Receiver Demario Douglas, ein kleinerer, explosiver Receiver, der auch Returner-Aufgaben übernehmen kann. Douglas fiel im Camp und etwa in den gemeinsamen Trainingseinheiten mit den Packers auf, er hat im Laufe der Vorbereitung regelmäßig mit den Startern gearbeitet und könnte eine legitime Rolle als Rookie bekommen. Übertragen sich die Camp-Berichte auf die Saison, ist Douglas vielleicht eine der besseren Optionen für New England, was Separation und Route-Running angeht.

Diese Punkte sind auch deshalb so spannend, weil die Patriots dringend echte Difference-Maker in ihrer Receiver-Gruppe gebrauchen könnten. Es gibt noch einen zweiten Rookie-Receiver, der diese Rolle einnehmen könnte, und das ist Kayshon Boutte. Boutte war der wesentlich größere College-Name als Douglas, doch eine wilde Achterbahnfahrt einer Saison und schwer erklärbare Tiefen, die stark nach Lustlosigkeit aussahen, ließen ihn bis in die sechste Runde fallen.

Bouttes Start in die Saisonvorbereitung war deutlich holpriger als das, was Douglas aufs Feld brachte. Doch er hat sich gesteigert, er hatte einen 42-Yard-Catch-and-Run-Touchdown im Spiel gegen die Packers - und falls die Patriots dafür sorgen können, dass er mental weiter dranbleibt, könnte Boutte ein echter Steal werden. Belichick selbst lobte Boutte zum Ende der Preseason für dessen Camp öffentlich.

Rams, Packers, Running Backs: Die finalen Notizen

1. Alles deutet darauf hin, dass James Cook die primäre Rolle im Backfield der Bills gehört. Die Berichte aus dem Camp gingen klar in die Richtung und die Bills haben zwar Devin Singletary durch Damien Harris ersetzt, was ihnen mehr Power gerade in Short-Yardage-Situationen geben sollte, doch Cook scheint bereit, eine größere Rolle zu übernehmen. Offensive Coordinator Ken Dorsey sprach von einer potenziellen "Three-Down-Back"-Rolle - und selbst falls es nicht ganz so weit gehen sollte: Cook hatte 106 Runs letztes Jahr, das sollte deutlich hochgehen - und parallel dazu dann auch seine Targets, allein dadurch, dass er schlicht mehr auf dem Feld stehen wird.

2. Tank Bigsby wird eine relevante Rolle in Jacksonvilles Backfield bekommen. Der Rookie-Running-Back, der gezielt gedraftet wurde, um Travis Etienne als Runner zu entlasten, hatte eine sehr gute Saisonvorbereitung inklusive einer starken Preseason. Jacksonville muss in Short-Yardage- und vor allem in Red-Zone-Situationen besser werden, hier war Bigsbys zentrale Rolle vorgesehen. Doch mit seiner Preseason hat der Drittrunden-Pick unterstrichen, dass er schon als Rookie mehr sein kann.

Titans-Rookie Tyjae Spears deutete in der Preseason sein Potenzial mitunter spektakulär an.

Titans-Rookie Tyjae Spears deutete in der Preseason sein Potenzial mitunter spektakulär an. Getty Images

3. Auch Tennessees Rookie-Running-Back sorgte in der Preseason für Spektakel: Tyjae Spears zeigte seine Explosivität und Agilität unter anderem bei einem sehenswerten 33-Yard-Touchdown-Run gegen Minnesota. Es war für Spears die Bestätigung einer sehr guten Saisonvorbereitung, in welcher er allem Anschein nach den Nummer-2-Spot hinter Derrick Henry erobert hat. Henry ist die klare Nummer 1, Spears aber gibt der Offense eine andere Dimension mit Receiving-Qualitäten und mit seiner Quickness und Explosivität.

4. Mit Aaron Donald fehlte das zentrale Puzzleteil, insofern ist das noch mit Vorsicht zu genießen: Doch die Defensive Line der Rams war ein massives Problem in der Preseason - und Spieler wie Bobby Brown, Michael Hoecht und Marquise Copeland standen auf dem Platz, auch Rookie Byron Young war zumindest teilweise dabei. Es besteht eine reelle Gefahr, dass die Rams in der Regular Season buchstäblich überlaufen werden. Aaron Donald ist ein Alien, aber auch er wird diese Gruppe nicht im Alleingang tragen können.

5. Was können die Packers dieses Jahr von Jordan Love erwarten? Love geht in seine vierte Saison endlich als Starter, bislang haben wir noch keine 100 NFL-Dropbacks von ihm gesehen. Die Preseason legt nahe, dass Love immer noch seine Accuracy-Wackler haben wird, dass die Offense aber sehr Quarterback-freundlich um ihn herum gestaltet sein wird, und dass Love zumindest funktional sein kann, mit dem gelegentlichen Highlight-Wurf und dem gelegentlichen deutlichen Fehlwurf drin. Das kann unter dem Strich zu einer überraschend effizienten Offense führen, sofern die jungen Playmaker ihren Teil beitragen.

6. Eine der größeren Fragen für Fantasy-Football-Manager vor der kommenden Saison lautet: Wer wird die äußerst lukrative Rolle als Leading-Rusher bei den Eagles übernehmen? Nach dem Abgang von Miles Sanders ist dieser Platz offen, neben Kenneth Gainwell sind die Neuzugänge Rashaad Penny und D'Andre Swift in der Verlosung. Die Preseason hat hier nur bedingt Aufschlüsse gegeben, hier sind die Berichte aus dem Camp hilfreicher. Der Tenor? Jeder wird seine Rolle haben. Gainwell scheint der beste Allrounder der Gruppe zu sein, was in No-Huddle-Situationen ihm vielleicht einen zusätzlichen Boost gibt. Penny ist der größte, physischste Back aus der Gruppe und vermutlich auch der beste reine Runner. Swift bringt eine Dynamik mit, die letztes Jahr gefehlt hat: Philadelphia hatte keinen Running Back mit über 30 Targets, 43 Backs hatten mehr Targets als Gainwell (28), derer 45 hatten mehr als Sanders (26). Swift sollte in diesem neu zusammengestellten Backfield der Spieler sein, der am ehesten der Offense eine neue Dimension gibt.

7. Auch bei den Chargers konnte man einen ersten Eindruck vom neuen Run Game unter Kellen Moore gewinnen. Mehr Downhill-Runs, mehr vertikale als horizontale Konzepte. Von den 214 Rushing-Yards gegen die Rams bei absurden 7,4 Yards im Schnitt sollte man sich angesichts der bereits angesprochenen Rams-D-Line nicht zu sehr blenden lassen, aber man sieht bereits, wie Moore die ultrastrengen Limitationen der Chargers-Offense unter Joe Lombardi aufbrechen wird.

Adrian Franke

Gigantische Geldspeicher: Die bestbezahlten NFL-Spieler mit Mahomes, Lamar & Co.