Bundesliga

Popp im Interview: "Einige haben keine Hemmungen mehr"

Über Ambitionen, Popularität und Montagsspiele

Popp im Interview: "Einige Menschen haben keine Hemmungen mehr"

Geht in ihre zwölfte Saison beim VfL Wolfsburg: Alexandra Popp.

Geht in ihre zwölfte Saison beim VfL Wolfsburg: Alexandra Popp. IMAGO/Beautiful Sports

Alexandra Popp, wie oft mussten Sie die Frage schon beantworten, wie es Ihnen nach dem frühen WM-Aus geht?

Des Öfteren (lacht). Mir geht's wieder gut. Klar brauchte ich einige Tage, um mich auch selbst wieder zu finden und mich auch zu hinterfragen und das alles zu verstehen. Das war natürlich nicht unser Anspruch. Das ist allen bewusst. Wir machen uns natürlich auch Gedanken, ob mannschaftlich alles gepasst hat.

Im vergangenen Jahr nach der EM war alles noch so positiv.  Nervt es Sie, dass Sie in diesem jetzt so viele negative Fragen beantworten müssen, auch zum Fall Rubiales?

Auf der einen Seite gehört es dazu, auch bei Misserfolg Rede und Antwort zu stehen. Aber es nervt natürlich auch, wenn man immer die gleichen Fragen gestellt bekommt. Über den sportlichen Misserfolg zu reden, ist das eine, der Fall Rubiales ist das andere. Jedem war klar, dass das ein No-Go war.

Wenn ich mit etwas Abstand darauf gucke, muss ich schon sagen, dass es auch nicht unverdient war.

Alexandra Popp

Muss man irgendwann an den Punkt kommen, dass man sich sagt: Das ist Sport, da kann man gewinnen oder verlieren. Ist das auch ein Schlüssel zur Verarbeitung?

Ja, irgendjemand muss verlieren. In diesem Fall waren das blöderweise wir, obwohl wir uns das anders vorgestellt haben. Wenn ich mit etwas Abstand darauf gucke, muss ich schon sagen, dass es auch nicht unverdient war.

Ist die WM noch ein großes Thema im Wolfsburger Mannschaftskreis?

Nein. Ein großes Thema ist das nicht mehr. Der Fokus liegt auf dem VfL. Wir Nationalspielerinnen hatten relativ lange Urlaub und haben keine lange Vorbereitung auf die neue Saison. Sonntag spielen wir schon im DFB-Pokal in Potsdam.

Wie gucken Sie jetzt auf die nächsten Aufgaben? Nach dem Pokalspiel in Potsdam startet die Liga, und danach ist schon wieder Länderspielpause.

Grundsätzlich bin ich froh, dass es so schnell wieder losgeht, weil ich kein Freund von Vorbereitungen bin. Bei der Nationalmannschaft muss uns klar sein, dass mit der Nations League etwas Wichtiges auf uns zukommt, weil wir uns für die Olympischen Spiele qualifizieren wollen. Fakt ist: Wir müssen performen.

Das Auftaktprogramm der Wölfinnen

Gab und gibt es Überlegungen, nach der WM aus der Nationalmannschaft zurückzutreten?

Bei mir ist das eine Bauch-Entscheidung. Für mich steht fest, dass ich beim nächsten Lehrgang dabei bin, wenn ich nominiert werden sollte. Dann schaue ich, wie es weitergeht. Letztes Jahr habe ich gesagt, wenn wir Europameister werden, könnte ich aufhören. Dann kommt es anders und die Motivation ist da, noch das nächste Turnier mitzunehmen. Ich hatte vor der EM fast ein Jahr nicht gespielt und dann die Freude am Fußball wieder entdeckt. Erstmal ist ein Rücktritt kein Thema.

Zurück zum VfL: Trainer Tommy Stroot hat angekündigt, zukünftig mit einem 4-4-3 agieren zu wollen. Sie sollen auf der 9 spielen. Ist das in Ihrem Sinne?

Ich bin mal gespannt, wo ich auf dem Platz stehen werde (lacht). Es ist schön zu hören, dass ich in meinem reifen Alter noch mal auf meine Position zurückkehre (lacht).

Wir gehen in die neue Saison und sagen: 'Wir wollen drei Titel!'

Alexandra Popp

Vize-Meister, Champions-League-Finalist und Pokalsieger. Wie bewerten Sie die vergangene Saison mit dem VfL?

Es war definitiv eine gute Saison. Aber wir ärgern uns natürlich, dass wir die Meisterschaft verpasst haben. Wir haben Punkte liegen gelassen, die sehr weh getan haben. Die Niederlagen gegen Hoffenheim und in Frankfurt durften uns auch in der Art und Weise nicht passieren. Wir gehen in die neue Saison und sagen: "Wir wollen drei Titel!" Bei der Champions League bin ich diesmal allerdings etwas verhaltener, weil sich bei uns im Kader einiges getan hat. Wir haben junge Spielerinnen mit wenig internationaler Erfahrung. Ich bin gespannt. Aber wie gesagt: Titel will ich immer holen.

Die Bayern haben sich prominent verstärkt …

Das ist mir egal. Wir haben auch Huth, Blomqvist, Popp - und wie sie nicht alle heißen.

Wie ist Ihr Eindruck von den neuen Spielerinnen im Kader?

Sehr gut! Ich finde, die Stimmung und die Qualität im Training echt gut. Alle sind mit Eifer dabei. Das ist extrem wichtig. Es gehört zu unserer DNA, immer Vollgas zu geben, auch im Training. Da kommt noch sehr viel Qualität.

Erwarten Sie einen Dreikampf um den Titel, weil Frankfurt jetzt so weit ist?

Ich bin gespannt, kann es aber nicht wirklich einschätzen. Aber Frankfurt hat sich gut entwickelt, das steht außer Frage.

Ich bin nicht so ein Freund von Montags-Spielen.

Alexandra Popp

Die Liga bekommt einen neuen Rhythmus. Die Spieltage werden auseinandergezogen, das Montags-Spiel kommt dazu.

Ja, Freitags-Spiele kannten wir ja schon. Ich bin aber nicht so ein Freund von Montags-Spielen, weil unsere Liga immer noch keine Profi-Liga ist und Spielerinnen zum Teil auch noch arbeiten oder zur Schule gehen. Für die wird es schwer.

Vielleicht erhöht das aber auch den Druck auf die Vereine, die Spielerinnen zu Profibedingungen zu beschäftigen?

Das wäre natürlich schön. Ich lasse mich mal überraschen.

2022 haben Sie nach der EM eine unfassbaren Popularitätsschub erfahren. Nervt das auch mal?

Manchmal ja. Es ist auf Dauer anstrengend. Nicht die Tatsache, dass nach Autogrammen und Selfies gefragt wird, sondern die Art und Weise. Einige Menschen haben keine Hemmungen mehr. Das nervt! Dann gehe ich auch mal weg. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich ein Gegenstand bin. Ein "Danke" oder "Bitte" gibt es kaum noch. Im letzten halben Jahr war ich nach den Spielen kaum noch bei den Zuschauern, um Autogramme zu schreiben. Ich gehe dann sofort in die Kabine. Ich war im letzten halben Jahr gestresst davon. Es tut mir auch leid, aber bevor ich mich schlecht verhalte, gehe ich lieber rein.

Besteht die Gefahr, dass die Nahbarkeit des Frauenfußballs verloren geht?

Ja, das kann sein. Ich kann mittlerweile sogar die Männer verstehen, dass sie sich schützen wollen - was von den Menschen dann als Arroganz ausgelegt wird. So weit bin ich nicht, so weit will ich auch nicht kommen. Aber es hat auch damit zu tun, wie die Menschen mit mir umgehen. Das können sich die Leute dann selbst aussuchen.

Interview: Gunnar Meggers

Alle Gewinnerinnen der Fritz-Walter-Medaille seit 2005