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Nach 25:0: "Dann treten wir bei Special Olympics nicht an"

Unmut im Fußballturnier der World Games

Nach 25:0-Sieg: "Dann werden wir bei Special Olympics nicht mehr antreten"

Die deutsche Mannschaft mit Trainer Michael Kürten (re.) und Vincent Grüneberg (2. v. li.) feiert ihre Goldmedaille.

Die deutsche Mannschaft mit Trainer Michael Kürten (re.) und Vincent Grüneberg (2. v. li.) feiert ihre Goldmedaille. Tilo Wiedensohler/camera4

Aus Berlin berichten Paul Bartmuß und Thomas Müller

Wenn man so gar nichts zu tun bekommt, muss man sich seine Szenen eben selbst schaffen. Und so hob Levent Ceylan ab. Fast waagerecht lag der deutsche Torwart in der Luft und wehrte den Schuss, der mit großer Sicherheit ohnehin am Pfosten vorbeigegangen wäre, mit einer Glanzparade ab.

4:0 stand es da im Finale der Leistungskategorie M2 im Fußballturnier der Weltspiele für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung. Gegner Uganda war derart überfordert mit der Qualität des deutschen Spiels, dass er irgendwann damit begann, schon aus der eigenen Hälfte Bogenlampen in Richtung Ceylans Gehäuse abzufeuern. Die allerdings gingen alle drüber oder vorbei.

Immerhin: Es wurde - anders als im Halbfinale - nicht zweistellig. 25:0 hatten die Deutschen da gegen die Schweiz gewonnen, die Höhe des Sieges hatte für etwas Wirbel gesorgt. Diesmal endete es "nur" 9:0.

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Der Mittelstürmer wird zum Libero

"Die Schweiz tut mir natürlich leid", sagte Abwehrchef Vincent Grüneberg nach dem Endspiel zum kicker, "aber Uganda heute auch. Wir haben dem Gegner keine Chance gelassen, er hatte kein Mittel." Ob der Ärger über die alles andere als optimale Klassifizierung noch mitschwang? "Schwer zu sagen. Natürlich bin ich auf der einen Seite noch irgendwo gefrustet, dass wir uns nicht mit den Besten messen durften und nicht versuchen konnten, in der 'richtigen' Klasse Gold zu holen", sagte Grüneberg, um direkt einzuschränken: "Aber Gold ist Gold. Für mich persönlich ist die Freude genauso groß."

Der 36-Jährige, früher bei der SG Cherusker in Berlin-Schöneberg im Vereinsfußball aktiv, war nach einem frühen 0:3-Rückstand in einer Klassifizierungspartie gegen Südafrika vom eigentlichen Mittelstürmer zum Libero umfunktioniert worden. "Bei Südafrika waren das alles unglaublich schnelle 18-, 19-Jährige, die sehr intensiv gepresst haben. Dann haben wir überlegt, was wir verändern können", sagte Trainer Michael Kürten. Seitdem spielte Grüneberg hinten statt vorne: "Vincent hat das als Abwehrchef super umgesetzt."

Grüneberg verwies darauf, dass sein Team den anderen "konditionell weit überlegen" gewesen sei: "Wir hatten seit einem halben Jahr zweimal in der Woche Training. Plus eine Fitnesseinheit, die ich nie wahrgenommen habe." Grüneberg lachte, als er das sagte, und steckte seinen Trainer damit kurzzeitig an.

Das ist nicht der Sinn von Special Olympics.

Michael Kürten

Doch die gute Laune verflog schnell wieder, denn Kürten haderte noch sichtlich mit der Einstufung in die mittlere Leistungskategorie. Die Turnierleitung habe das funktionierende System "auf den Kopf gestellt, indem sie nicht gesichtet haben", sagte er (Anm. d. Red.: In den Klassifizierungsspielen kommen üblicherweise sogenannte Observer zum Einsatz, die die Leistungsstärke der Teams auch abseits des reinen Ergebnisses einschätzen).

Er habe in den Vorrundenspielen gegen starke Gegner die Handbremse angezogen. "In den schwächeren Vorrundengruppen werden Mannschaften 13:0 abgeschossen, deswegen kommen die Sieger dann in die höhere Klasse. Das ist nicht der Sinn von Special Olympics. Da bin ich von den Amerikanern (dem Weltverband, d. Red.) richtig enttäuscht. Die haben nicht mit sich reden lassen."

Auch Konsequenzen für die Zukunft deutete Kürten an. "Wenn sich das nicht ändert, wenn das Turnier nur dafür da ist, irgendetwas darzustellen, und nicht für den Sport an sich, dann werden wir bei Special Olympics nicht mehr antreten. Das müssen sie jetzt erst einmal klären."

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