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Jürgen Sparwasser: Held und Grenzgänger

DDR-Fußballikone wird 75 Jahre alt

Jürgen Sparwasser: Held und Grenzgänger

Ein Tor, das ihn berühmt machte: Szene von Jürgen Sparwassers 1:0 gegen die BRD bei der WM 1974.

Ein Tor, das ihn berühmt machte: Szene von Jürgen Sparwassers 1:0 gegen die BRD bei der WM 1974. imago/Colorsport

Zwischen Bad Vilbel vor den Toren von Frankfurt am Main und Magdeburg liegen 425 Autobahnkilometer. Jürgen Sparwasser kennt die Strecke über die A5, A7 und A2 ziemlich gut. Bis Januar 1988 lag sein Lebensmittelpunkt in der Stadt an der Elbe, wo er im Trikot des 1.FC Magdeburg und der DDR-Nationalmannschaft große Erfolge feierte.

Seit 35 Jahren ist es das Rhein-Main-Gebiet. Dort feiert er mit der Familie am Sonntag seinen 75. Geburtstag. "Im Restaurant "Altes Zollhaus" habe ich einen großen Tisch bestellt", sagt er am Telefon. Im Hintergrund ist einer der zwei Urenkel zu hören, der sich beschwert, dass der Uropa wegen eines Anrufs das Fußballspielen im Garten unterbrochen hat.

"Der Fußball hat mich auch mit knapp 75 Jahren noch nicht losgelassen", sagt Sparwasser. Im Eigenvertrieb hat er vor geraumer Zeit ein kleines Buch aufgelegt. "Es geht mir um den deutschen Fußball und die Grundlagenarbeit in den kleinen Vereinen", ergänzt er. Die Entwicklung der Leistungsfähigkeit der deutschen Nationalmannschaft und den sinkenden internationalen Stellenwert des deutschen Fußballs hält er schlichtweg "für eine Katastrophe".

Nie verlegen um klare Worte

Um deutliche Worte war Sparwasser nie verlegen, wodurch er immer mal wieder aneckte, was ihn wenig störte. So kostete ihn die Kritik an der Abmeldung der zweiten Mannschaften einiger Profivereine den Job in der Charly-Körbel-Fußballschule, auch wenn er Eintracht Frankfurt nicht explizit erwähnt hatte. "Inzwischen hat man den Fehler ja wieder korrigiert“, stellt Sparwasser mit einer gewissen Genugtuung fest.

Jürgen Sparwasser

Beschäftigt sich noch immer gerne mit Fußball: Jürgen Sparwasser. IMAGO/STAR-MEDIA

Der ehemalige Fußballer hat sich immer schon von seiner Überzeugung leiten lassen, was schließlich auch dazu führte, dass er der DDR den Rücken kehrte. Knapp zwei Jahre vor der Wende blieb er im Januar 1988 im Westen. Seine Frau Christa war zur gleichen Zeit zum Verwandtenbesuch in der Bundesrepublik.

Im besten DDR-Jargon meldete der Nachrichtendienst ADN seinerzeit: "Die Anwesenheit einer Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg in Saarbrücken benutzten sportfeindliche Kräfte zur Abwerbung von Jürgen Sparwasser, der seine Mannschaft verriet."

Abgelehnte Trainerjobs hatten Folgen

Der Ex-Nationalspieler hatte als Hochschullehrer an der Pädagogischen Hochschule Magdeburg an seiner Promotion gearbeitet, als die Partei auf ihn zukam, um ihn zum Cheftrainer des FCM zu machen. Sparwasser war ein Vereinsidol, schließlich gehörte er als Spieler zu der Mannschaft, die 1974 für den einzigen Europacupsieg einer DDR-Mannschaft sorgte.

Im Finale des Wettbewerbs der Pokalsieger wurde der AC Mailand 2:0 geschlagen. Dass die Trainerstellen von den Bossen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands besetzt wurden, war an der Tagesordnung. Sparwasser lehnte dreimal ab, "von diesem Zeitpunkt an war meine Karriere als Hochschullehrer vorbei".

Besser kann man es als Team nicht machen.

Jürgen Sparwasser zu seinem 1:0 gegen die Bundesrepublik Deutschland bei der WM 1974

Nicht nur wegen seiner Tore für Magdeburg ist Sparwasser einer der größten Stars des DDR-Fußballs. Am 22. Juni 1974 sorgte sein Treffer beim WM-Vorrundenspiel für den 1:0-Sieg gegen die Bundesrepublik, den er mit einem Purzelbaum auf dem Rasen feierte. Auch das machte ihn zum Volkshelden. Der Personenkult bleibt ihm bis heute suspekt: "Ich bin zwar derjenige, der gegen die BRD den Ball reingemacht hat, aber es gehören immer zehn Mitspieler dazu. Wenn man diesen Spielzug sieht, muss ich heute noch sagen: Besser kann man es als Team nicht machen."

Das 1:0 gegen die BRD machte Jürgen Sparwasser in der DDR zum Volkshelden.

Das 1:0 gegen die BRD machte Jürgen Sparwasser in der DDR zum Volkshelden.

Insgesamt absolvierte der Stürmer 53 Länderspiele und schoss 15 Tore. Im FCM-Trikot lief er zwischen 1964 und 1979 auf, spielte 40-mal im Europacup und erzielte dabei 20 Tore. Vor 50 Jahren gelang ihm im FDGB-Pokal-Finale ein Doppelpack, durch das 3:2 gegen Lok Leipzig zog Magdeburg in den Europacup der Pokalsieger ein. Der ein Jahr später folgende Titel wird heute noch jedes Jahr rund um den 8. Mai drei Tage lang gefeiert.

Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt

Auch in diesem Jahr war Sparwasser dazu in der alten Heimat. Nach der Flucht in den Westen versuchte er sich übrigens doch noch als Trainer, was auch der Tatsache geschuldet war, dass seine Bewerbung als Sportlehrer abgelehnt wurde, weil er keinen Schein in Pädagogik hatte. Als Assistent von Karl-Heinz Feldkamp holte er 1988 mit Eintracht Frankfurt den DFB-Pokal.

Die einzige Cheftrainerstation verlief beim SV Darmstadt 98 zwischen Sommer 1990 und November 1991 wenig erfolgreich. Aus Sicht von Sparwasser, weil Versprechungen, in den Kader zu investieren, nicht eingehalten wurden. Das liegt nun viele Jahre zurück. Im Rentenalter konzentriert sich Sparwasser hauptsächlich auf die Familie, die nahezu komplett in der Rhein-Main-Region lebt, und sagt: "Mir geht es gut, ich kann nicht klagen."

Michael Ebert