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Hannover 96 e.V. erhebt Vorwürfe gegen DFL

Ein offener Brief und zwei pikante E-Mails

Hannover 96 e.V. erhebt Vorwürfe gegen DFL

Sebastian Kramer (Bild von 2019), der Vorstandsvorsitzende des Stammvereins von Hannover 96, und das Logo der DFL.

Sebastian Kramer (Bild von 2019), der Vorstandsvorsitzende des Stammvereins von Hannover 96, und das Logo der DFL. picture alliance (2)

In dem Ringen um einen strategischen Partner der Deutschen Fußball Liga (DFL) lässt sich der weitere Verlauf der Debatte kaum prognostizieren. Nur eines ist klar: Ruhe wird vorerst nicht einkehren. Nach den jüngsten Fanprotesten, die für zahlreiche Unterbrechungen und beinahe für Spielabbrüche sorgten, meldet sich nun der Stammverein von Hannover 96 zu Wort, der durch die Art und Weise der Abstimmung der DFL-Mitgliederversammlung (MV) im Dezember 2023 über das Mandat für Verhandlungen mit einem potenziellen Investor 50+1 verletzt sieht.

Der Vorwurf, den Vorstände und Aufsichtsräte des e.V. der Niedersachsen formulieren: Die DFL hätte von vorneherein gewusst, dass Martin Kind, Geschäftsführer der 96-Kapitalgesellschaft, gegen die Weisung des Stammvereins verstoßen werde und dies billigend in Kauf genommen. Tatsächlich untermauern zwei dem kicker vorliegende, pikante E-Mails diese Behauptung. Am 7. Dezember, also vier Tage vor der Abstimmung, unterzeichneten Sebastian Kramer, Vorstandsvorsitzender des Stammvereins, und dessen Stellvertreter Robin Krakau, eine Weisung, die Kind auftrug, mit "Nein" zu stimmen.

Diese ließ die Anwaltskanzlei, die den e.V. vertritt, einem Mitglied der DFL-Geschäftsleitung sowie einem DFB-Direktor tags darauf zukommen mit dem Hinweis: "Unser Mandant hat die Erwartung, dass sowohl DFL als auch DFB die in ihren jeweiligen Satzungen verankerten Bestimmungen zur 50+1-Regel (nunmehr) umsetzen und daher sicherstellen, dass die Stimmabgabe der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA entsprechend der Weisung des Muttervereins vorgenommen bzw. gewertet wird. Sollte dies - z. B. weil die Stimmabgabe als geheime Abstimmung geplant sein sollte - nicht sichergestellt werden können, regt unser Mandant die Absage der Abstimmung an."

Die Kind-Seite reagiert über die Weisung mit Unverständnis

Kinds Anwalt wiederum reagierte über die Weisung mit Unverständnis. "Wie wir bereits mit Schreiben vom 04. Dezember 2023 deutlich gemacht haben, werden im Rahmen der anstehenden DFL-Mitgliederversammlung Belange des Profifußballs diskutiert und gegebenenfalls entschieden. Dieser Bereich unterfällt nach dem vertraglich vereinbarten 2-Säulen-Modell nicht Ihren Weisungen. Es bleibt festzustellen, dass Sie erneut vorsätzlich gegen die vertraglichen Absprachen verstoßen." Was den e.V.-Juristen dazu veranlasste, der DFL am Sonntag, also am Tag vor der MV, seine Sorge mitzuteilen: In dem angehängten Schrieb der Kind-Seite "kommt klar zum Ausdruck, dass Herr Kind die Weisung nicht beachten wird, weil (…) der Hannover-96-Vertrag ein solches Weisungsrecht angeblich ausschließt." Erneut regte man eine Aussetzung der Abstimmung an - was bekanntlich nicht geschah.

Die Sache an sich allerdings geht noch tiefer. Denn aus den E-Mails geht hervor, dass das Anhörungsverfahren der DFL mit Blick auf das Thema Weisung - die Verhältnisse zwischen Kapital- und Vereinsseite in Hannover sind seit rund zwei Jahren vollständig zerrüttet - nicht wirklich vorangetrieben wurde. Im Kern soll es dabei um die Frage gehen, "ob ein solcher Ausschluss des Weisungsrechts bei Abschluss des Hannover-96-Vertrages von den Parteien beabsichtigt war"? Was das ohnehin in Hannover mit Blick auf 50+1 offenkundig kaum mehr funktionierende Konstrukt aushebeln würde. Allerdings existieren auch Schreiben der DFL aus dem Jahr 2022, wonach der Liga-Verband Kind auf "das uneingeschränkte Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung" hinweist.

Der Vorwurf des Stammvereins in seinem offenen Brief lautet nun: "Die DFL hat die Abstimmung über den Investoreneinstieg dennoch vorsätzlich so durchführen lassen, dass eine Feststellung des Abstimmungsverhaltens von Martin Kind möglichst nicht nachvollziehbar ist. So hat die DFL die Abstimmung über einen möglichen Investorenstieg proaktiv, und noch nicht einmal auf Antrag eines Mitglieds hin, geheim durchgeführt, obwohl die DFL-Satzung gemäß §27 gar keine geheime Stimmabgabe für eine solche Abstimmung vorsieht." Nach kicker-Informationen soll im Dezember allerdings zumindest im Plenum gefragt worden sein, ob etwas gegen eine geheime Wahl spreche. Niemand soll sich daraufhin zu Wort gemeldet haben. Schon in den E-Mails im Dezember aus Hannover zur DFL mutmaßte der 96-Anwalt, "dass eine Entscheidung im o.g. Anhörungsverfahren deshalb nicht erfolgt ist, weil das offensichtlich beabsichtigte Abstimmungsverhalten von Herrn Kind im Zusammenhang mit der Investorenbeteiligung der DFL zupass kommen könnte".

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Die Liga stellte sich im Nachgang des Votums im Dezember, das mit 24 Ja-Stimmen für den Antrag ausfiel  - darunter sehr wahrscheinlich auch die von Kind - auf den Standpunkt, dass der Hörgeräte-Unternehmer außenvertretungsberechtigt gewesen, sie nicht für das Binnenverhältnis zwischen Stammverein und Geschäftsführer der Lizenzgesellschaft zuständig und das Votum damit rechtgültig sei. Ähnlich äußerten sich Befürworter der strategischen Partnerschaft der Liga mit einem Private-Equity-Unternehmen wie etwa Frankfurts Vorstandssprecher und DFL-Präsidiumsmitglied Axel Hellmann oder Leipzig-Geschäftsführer Johann Plenge. Rechtsexperten sehen den Sachverhalt differenzierter. Einerseits sei Kind außenvertretungsberechtigt, andererseits könnte gerade um das Wissen der vermuteten Widersetzung über die Weisung hinweg seitens der DFL der Beschluss nichtig sein. Dem Geiste der 50+1-Regel zu entsprechen jedenfalls scheint der Vorgang nicht.

In den Augen von Kramer, Krakau und Co. ist ein "struktureller und personeller Neuanfang in der DFL notwendig"

Die Vertreter des Stammvereins des Zweitligisten sehen darin einen "schwerwiegenden Vertrauensbruch der Mitglieder des Präsidiums und der Geschäftsführung der DFL, sich jetzt auf eine formell wirksame Außenvollmacht von Herrn Kind berufen zu wollen. Denn eine solche Berufung greift nicht, wenn sich jemand treuwidrig vor einer Kenntniserlangung verschließen will." Mit anderen Worten: Die Liga hätte Kinds Stimme aufgrund des Wissens um den mutmaßlichen Weisungsverstoß nicht anerkennen dürfen, dadurch aber wäre die nötige Zweidrittel-Mehrheit nicht zustande gekommen. In den Augen von Kramer, Krakau und Co. ist ein "struktureller und personeller Neuanfang in der DFL notwendig", sie fordern nun den Mutterverband DFB auf, "eine klare Führungsrolle einzunehmen (…), damit die 50+1-Regel tatsächlich umgesetzt und in ihrer Existenz nicht weiter bedroht wird".

Benni Hofmann

Thema
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  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen.