Champions League

Hainer: "Sollten wir einmal Zweiter werden, ist bei uns akuter Gesprächsbedarf"

Bayern-Präsident spricht über die Erfolgsformel der Münchner

Hainer: "Sollten wir einmal Zweiter werden, ist bei uns akuter Gesprächsbedarf"

Erklärt, wie sich die Münchner gegen die reichen Klubs in Europa behaupten wollen: Bayern-Präsident Herber Hainer.

Erklärt, wie sich die Münchner gegen die reichen Klubs in Europa behaupten wollen: Bayern-Präsident Herber Hainer.

Im Sonderheft, das der kicker zur K.-o.-Phase der Champions League 2021/22 am Donnerstag herausgibt, wird neben vielen wichtigen Themen auch die Frage behandelt, wie es die Münchner anstellen, mit den finanziell überlegenen Klubs in Europa mitzuhalten oder gar zu überflügeln

Louis van Gaal macht den Anfang

Diese Superserie des deutschen Rekordmeisters begann 2009/10, als Trainer Louis van Gaal den FCB ins Finale gegen Inter Mailand führte (0:2). Seither erreichten die Münchner weitere drei Male das Endspiel, 2013 und 2020 gewannen sie den Henkelpott. Herbert Hainer, der FCB-Präsident, äußert sich zu den Gründen für diese internationale Konstanz seines Vereins und zu den Ambitionen sowie Plänen der Zukunft.

Herbert Hainer über ...

... die Gründe dafür, dass sich der FC Bayern an Europas Spitze behaupten kann:

"Es ist ein Mosaik aus vielen Teilen. Zentrale Schlagworte sind Kontinuität und Kompetenz. Hinzu kommen Wille und Herz. Der FC Bayern ist ein Klub, der einen hohen Identitätsfaktor hat und ein verlässlicher Partner ist, nicht zuletzt für seine Spieler - das schafft einen besonderen Zusammenhalt. All das kommt im "Mia san mia" zum Ausdruck. In der ganzen Fußballwelt ist bekannt, für was der FC Bayern steht."

... die handelnden Personen:

"Mit Abstand die größte Bedeutung für den langfristigen, auch internationalen sportlichen Erfolg haben die handelnden Personen, die beim FC Bayern mit einer unheimlichen Menge an fußballerischem Sachverstand ausgestattet sind, aber gleichzeitig wirtschaftlich enorme Kompetenz haben und somit für die Wettbewerbsfähigkeit des Vereins national sowie in der Champions League verantwortlich zeichnen. Die handelnden Personen bei uns haben immer wieder den Mut bewiesen, in die Mannschaft zu investieren, weil sie wussten, dass der sportliche Erfolg den Grundstein für alles bildet. Der sportliche Erfolg wurde dabei aber nie auf dem Altar der Wirtschaftlichkeit geopfert, die Verantwortlichen gingen in ein kalkulierbares Risiko, stets mit dem Ziel, die Mannschaft zu verstärken. Dasselbe gilt für die verpflichteten Trainer, große Namen, angefangen von Louis van Gaal über Carlo Ancelotti bis hin zu Jupp Heynckes und Pep Guardiola. Sie wurden geholt in der Überzeugung, dass für den Erfolg alles getan werden müsse. Jetzt haben wir in Julian Nagelsmann einen Trainer, mit dem Spieler aus ganz Europa zusammenarbeiten wollen. Sein Vertrag läuft über fünf Jahre, mit ihm wollen wir etwas Großes, Langfristiges aufbauen und die Geschichte des FC Bayern weiterschreiben."

Pep Guardiola und Kingsley Coman

Pep Guardiola und Kingsley Coman imago images/Sven Simon

"Allianz Arena lockt große Spieler und große Trainer"

... weitere Erfolgskriterien:

"Ein weiterer Punkt ist die Kontinuität. Sie bestimmt unsere Vereinspolitik. So ist gewährleistet, dass der FC Bayern stets langfristige Ziele umsetzen kann. Das nächste Kriterium: Auf- und Ausbau der Infrastruktur. Ich kann mich gut an die Diskussionen erinnern mit der Frage, wie der FC Bayern das Olympiastadion, diese historische Stätte, überhaupt verlassen könne. Doch das Olympiastadion war keine reine Fußballarena. Die Zuschauer konnten die Spieler nur mit dem Fernglas erkennen, auf der Gegengeraden froren die Leute und erstarrten im Winter zum Eisblock. Dieser Mut, die Allianz Arena zu bauen, weil nur mit der entsprechenden Infrastruktur große Spieler und große Trainer gelockt werden konnten, zeugt von der visionären Kraft der FCB-Führung. Auch der "FC Bayern Campus" ist eine extrem wichtige Weichenstellung gewesen."

Bayerns dickes Transfer-Minus: Die Zehnjahresbilanz der Bundesligisten

... die Mentalität:

"Bei uns herrscht eine positive Erfolgsbesessenheit. Der FC Bayern gibt sich nicht mit dem zweiten Platz zufrieden. Sollten wir einmal Zweiter werden, was passieren kann, ist bei uns akuter Gesprächsbedarf. Eigentlich reichen dafür schon zwei Niederlagen hintereinander. Dieser Erfolgshunger wird im gesamten Verein gelebt, das geht von der Vereinsspitze über die Trainer an die Spieler weiter. Wir gewinnen 4:0 in Köln und sind hinterher über ein paar Fehler verärgert. Das ist dieser unbedingte Wille, jeden Tag besser zu werden und Erfolg zu haben. Dieses Denken prägt den ganzen Verein.“

Sollten wir einmal Zweiter werden, was passieren kann, ist bei uns akuter Gesprächsbedarf.

Herbert Hainer

... das Entstehen der Bayern-Mentalität:

"Der Grundstein wurde in den 1970er Jahren gelegt, als Franz Beckenbauer spielte. Er war ein Perfektionist. Dann kam der absolut erfolgsbesessene Uli Hoeneß dazu, und in Kombination mit Karl-Heinz Rummenigge formte man den FC Bayern über die Jahrzehnte. Die heutigen Spieler werden natürlich zuallererst nach ihren sportlichen Fähigkeiten ausgesucht. Sie alle bringen in der Regel schon viel Überzeugung und Qualität mit, dann wird ihnen hier schnell vermittelt, was es heißt, das Trikot des FC Bayern zu tragen. Joshua Kimmich war sicher schon immer höchst ehrgeizig - Leon Goretzka genauso. Aber beide haben bei Bayern noch einmal viel dazugelernt, diesen Erfolgshunger und was nötig ist, um sich hier auf Topniveau zu behaupten."

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"Rundum-Wohlfühlpaket" für Ribéry, Robben, Lewandowski und Coman

... Identifikation der Profis mit dem FC Bayern:

"Identifikation ist das Schlüsselwort: Internationale Spitzenspieler wie Franck Ribéry, Arjen Robben, Robert Lewandowski oder jetzt Kingsley Coman bleiben länger, als sie es vielleicht zunächst geplant haben. Sie verbringen ihre besten Jahre bei uns, weil sie merken, was sie hier alles erreichen können. Lewandowski wurde zwei Mal in Serie Weltfußballer - das hat er hier, beim FC Bayern geschafft. Spieler auf der ganzen Welt wissen, was für eine Top-Adresse wir sind, und bleiben deshalb so lange, weil sie hier beste Perspektiven für großen sportlichen Erfolg und ihre persönliche Weiterentwicklung haben, weil sie sich wohl fühlen und immer pünktlich ihr Gehalt bekommen, sogar in Corona-Zeiten. Dazu ist München eine höchst attraktive Stadt, in der es sich für die Spieler und ihre Familien wunderbar leben lässt. Es ist ein Rundum-Wohlfühlpaket, das den Profis hier geboten wird."

Herbert Hainer und Robert Lewandowski.

"Weltfußballer wurde er zweimal mit Bayern": Herbert Hainer und Robert Lewandowski. imago images/Sven Simon

... die Bayern-Familie:

"Jeder gute Spieler will gewinnen und Titel holen. Lewandowski ist das beste Beispiel dafür, auch ein Kimmich will ständig noch besser werden. Zum einen ist es dieser Erfolgshunger, zum anderen dieser familiäre Gedanke, dieses Gefühl, dass die Spieler hier immer einen sicheren Rückhalt spüren. Auch die Spieler, die den FC Bayern verlassen, sprechen prinzipiell danach stets sehr positiv über diesen Klub. Bei uns ist es mehr, bei uns ist es auch Familie. Die Spieler wissen, was sie hier erwarten können, was sie bekommen: Einen Klub, auf den Verlass ist. So entsteht Identifikation mit dem Verein.“

... den Teamgeist:

"Die Konstanz, die wir in der Führung haben, zeichnet auch die Mannschaft aus. Wir haben einige Spieler, die beim DFB schon als Junioren zusammenspielten. Diese Spieler sind mehr als Kollegen, es sind Freunde: Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sané, Serge Gnabry. Wenn du eine so verschworene Gruppe hast, laufen die Spieler auch den Meter oder Kilometer extra für den anderen. Es herrscht ein ungemein großer Teamgeist bei uns. Das ist dieses Bayern-Gen, dieses Mia san mia. Es muss dieser Zusammenhalt sein, dieser Ehrgeiz, dieses Selbstbewusstsein. Wir glauben bis zur letzten Sekunde daran, dass wir ein Spiel gewinnen können. Die Gegner befürchten, und wir glauben bis zum Schluss daran, dass wir noch ein Tor schießen. Und wenn unsere Spieler merken, dass die anderen zittern, glauben sie noch viel stärker daran."

... internationale Ambitionen:

"Wir denken ständig nach, wie wir unseren Kader verbessern können. Die Planungen laufen permanent. Wir haben eine klare Philosophie, wo wir in Zukunft hinwollen, wie die Vertragsverlängerungen mit Kingsley Coman, Leon Goretzka, Joshua Kimmich oder Jamal Musiala in den vergangenen Monaten zeigten. Wir wollen auch in den kommenden Jahren um den Gewinn der Champions League mitspielen, dafür muss man die Mannschaft immer wieder aufs Neue verstärken. Wir wollen wieder eine Ära aufbauen."

Wenn du gefürchtet oder kopiert wirst, ist es ein Zeichen der Anerkennung.

Herbert Hainer

... die Reputation des Vereins:

"Die Wertschätzung, die der FC Bayern in der Fußballwelt genießt, ist enorm. Da sind Respekt und Bewunderung in der ganzen Fußballwelt zu spüren - das merken wir bei allen Begegnungen mit den Vertretern internationaler Top-Vereine."

... Bestia negra, wie der FC Bayern in Spanien genannt wird:

"Dieses Schlagwort bedeutet ein großes Lob. Wenn du gefürchtet oder kopiert wirst, ist es ein Zeichen der Anerkennung."

Karlheinz Wild