Nationalelf

Grillitsch im Interview über ehemaligen Trainer Nagelsmann

TSG-Rückkehrer über das Duell mit Deutschland und seine Karriere

Grillitsch im Interview: "Wenn es Julian so komplex angeht wie damals in Hoffenheim ..."

Nach einem Karriereknick ist Florian Grillitsch wieder auf dem Weg nach oben - in Hoffenheim und bei der Nationalelf Österreichs

Nach einem Karriereknick ist Florian Grillitsch wieder auf dem Weg nach oben - in Hoffenheim und bei der Nationalelf Österreichs IMAGO/pepphoto

Wie geht es denn Ihrem Oberschenkel, Herr Grillitsch?

Ich hatte es mir ehrlich gesagt weniger schlimm vorgestellt. Der gesamte Heilungsprozess war mühsam, aber jetzt bin ich wieder einsatzbereit. Mein Ziel ist ganz klar, beim Spiel gegen Deutschland wieder auf dem Rasen stehen zu können.

Wer ist am Dienstag in Wien Favorit?

Wenn es nach den letzten Ergebnissen geht, auf jeden Fall wir (lacht). Aber über die enorme Qualität im deutschen Kader brauchen wir nicht zu diskutieren. Zuletzt haben sie diese allerdings eher selten auf den Platz gebracht. Sie haben sich nach dem Trainerwechsel jedoch bereits verbessert. Es ist für den neuen Bundestrainer aber generell schwierig, neue Inhalte durchzusetzen, weil du nicht viel Zeit mit der Mannschaft hast.

Besonders für Ihren Ex-Trainer Julian Nagelsmann?

Wenn er es so detailliert und komplex angeht wie damals bei uns in Hoffenheim, dann wird es sicherlich schwer (grinst). Aber Julian ist ein sehr intelligenter Mensch und wird das sicher gut dosieren.

Auch Ihr ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick war sehr erfolgreich mit der TSG. Erkennen Sie Parallelen oder gravierende Unterschiede mit und zu Nagelsmann?

Inhaltlich ist das schon unterschiedlich. Bei Ralf Rangnick spielen wir Powerfußball, wir arbeiten sehr stark gegen den Ball, schalten schnell um und suchen das vertikale Spiel nach vorne. Das hat uns in der EM-Quali und auch gegen große Gegner in der Nations League ausgezeichnet. Deswegen haben wir uns verdient für die EM 2024 qualifiziert. Julian kenne ich nur aus dem Verein, da war unser Spiel komplexer strukturiert, sehr viel auf Prinzipien ausgelegt und an Systemen ausgerichtet. Das alles ist aber sehr schwer zu vergleichen. Im Klub hast du tausendmal mehr Zeit.

Ich werde jetzt aber sicher nicht sagen, dass wir Europameister werden.

Florian Grillitsch

Verfügt Österreich aktuell über seine stärkste Spielergeneration?

Schwer zu sagen. Sicher ist nur, dass wir einen sehr guten Kader haben mit vielen Spielern aus großen Klubs und einem guten Mix aus Alt und Jung. Wenn wir als Mannschaft so weitermachen, können wir auch bei der EM im kommenden Jahr eine gute Rolle spielen und weit kommen. Beim letzten Mal waren wir im Achtelfinale, und ich hoffe natürlich, dass es dieses Mal weiter geht. Ich werde jetzt aber sicher nicht sagen, dass wir Europameister werden. Wir brauchen uns jedoch nicht zu verstecken oder uns kleiner machen, als wir sind. Es wird ein Highlight, zumal viele aus unserem Kader ja in Deutschland spielen.

Sind Sie dort ebenso gesetzt auf der Sechs wie bei der TSG?

Nachdem ich nach meiner schwierigen letzten Saison bei Ajax sowie Verletzungen einige Male nicht dabei war, durfte ich nun wieder zweimal von Beginn an spielen. So will ich jetzt weitermachen. Ich will mich auch im Nationalteam durchsetzen und habe den klaren Anspruch an mich selbst, in der ersten Elf zu stehen.

Auch deshalb Ihre Rückkehr zur TSG?

Genau das war der entscheidende Faktor für meine Entscheidung. Ich wollte hier zurück zu alter Stärke und die Freude am Fußball zurück.

War es im Rückblick falsch, zu gehen?

Auf keinen Fall! Nach fünf Jahren war es der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt. Es hätte ja auch in die andere Richtung ausschlagen können, wenn gewisse Dinge anders gelaufen wären. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber ich würde es heute wieder so entscheiden.

Fiel Ihnen die Kurskorrektur schwer?

Für mich war nur wichtig: Wo passe ich sofort am besten in die Mannschaft, und wo kann ich direkt wieder Leistung bringen? In Hoffenheim kannte ich bereits sämtliche Strukturen und die handelnden Personen, und brauchte ich keine Eingewöhnung.

Deutschland gegen Österreich

Wie unterscheidet sich die TSG unter Matarazzo von der, die Sie verließen?

Nach dem schwierigen vergangenen Jahr war anfangs schon noch eine gewisse Verunsicherung zu spüren. Wir haben im Sommer gute Transfers getätigt und nun auch einen in der Breite starken Kader. Mir war also schnell klar, in welche Richtung es gehen kann, wenn wir alle zeigen, was wir können. Und genau diese Richtung haben wir bislang eingeschlagen. Jetzt gilt es dranzubleiben!

Sie haben sogar die Hoffenheimer Champions-League-Zeiten erlebt. Was fehlt aktuell noch zu diesem Niveau?

Die Konstanz. So, wie es auch damals schon in manchen Phasen der Fall war. Wenn wir als Mannschaft stabiler auf gutem Level performen und unsere Ausreißer nach oben statt nach unten haben, ist viel möglich. Von den Ergebnissen her sind wir in der aktuellen Saison ganz gut unterwegs. Aber was die Leistungen betrifft, war ich nicht immer zufrieden - selbst nach Spielen, die wir gewonnen haben. Da geht definitiv mehr. Aber auch bei den Niederlagen war längst nicht alles schlecht. Dennoch ist Fußball ein Ergebnissport. Deshalb ist es vielleicht besser, wir spielen schlechter, gewinnen aber alles (lacht). Im Ernst: Ein stabiler Mittelweg auf hohem Niveau ist unser klares Ziel.

Stabilität durch Variabilität?

So könnte man es sagen. Wir haben Phasen im Spiel, in denen wir tief verteidigen und auf Umschaltsituationen warten. Aber auch welche, in denen wir vorne aggressiv anlaufen. Du musst alles beherrschen, damit du auf hohem Niveau konstant bestehen und erfolgreich sein kannst. Das ist das Ziel unter Pellegrino Matarazzo.

Sie haben ihn schon als Nagelsmanns Assistent erlebt - und jetzt als Chef.

Der offensichtlichste Unterschied ist, dass er jetzt das alleinige Sagen hat. Er arbeitet sehr akribisch, hat einen guten Blick für das Spiel und erkennt Situationen sehr gut. Wir gehen immer mit einem guten Matchplan ins Spiel, wissen alle genau, was wir zu tun haben und wo die Räume im jeweiligen Spiel zu finden sind.

Ist der höhere Konkurrenzkampf ein Faktor, der der TSG lange gefehlt hat?

Das ist so. Man spürt einfach, dass immer jemand hinten dran ist und spielen will. Jedem Spieler ist bewusst: Ich muss Gas geben, sonst bin ich raus. Das pusht ungemein.

Ist Europacup also wieder möglich?

Möglich ist alles, aber es bringt nichts, groß darüber zu reden. Wir dürfen einfach nicht zufrieden sein, sondern müssen konstant unsere Leistung bringen und auch mal abgeklärt in der Spielweise sein, um gewisse Partien auf unsere Seite zu ziehen.

Was fehlt Ihnen persönlich noch zu Ihrem Top-Level?

Ich kann schon noch draufpacken, indem ich noch aktiver werde, noch mehr Aktionen nach vorne initiiere und noch mehr für defensive Stabilität sorge. Ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst. Ich will wieder einer der Besten der Liga auf dieser Position werden.

Grillitsch: "Ich bin als Spieler nie satt, will immer das Höchste erreichen"

Ist mit diesem "Ausflug" die Sehnsucht nach einem titelfähigen Großklub gesättigt?

Ich bin als Spieler nie satt, will immer das Höchste erreichen. Und genau das möchte ich jetzt mit der TSG.

Ein Jahr bevor Sie tatsächlich gingen, standen Sie unmittelbar vor einem Wechsel zur AC Mailand, was die TSG letztlich verhinderte. Tragen Sie das dem Klub nicht noch nach?

Nein, überhaupt nicht, wobei ich damals schon ein bisschen sauer war (lacht). Das war eine Kategorie Verein, von der wohl jeder Fußballer in seiner Karriere einmal träumt. Die Möglichkeit hat bestanden, aber der Verein hat anders entschieden, und ich hatte das zu akzeptieren. Es bringt ja auch nichts, so einer Situation jahrelang nachzutrauern.

Richtiger Klub, falscher Zeitpunkt - ein Jahr später war es umgekehrt?

Mein Wechsel zu Ajax Amsterdam kam damals relativ spät zustande, was viele verschiedene Gründe hatte, wofür ich natürlich die Verantwortung trage. Es gab auch Probleme mit meiner damaligen Berateragentur, das war alles nicht so einfach. Ich bin dann ja auch zu meinem alten Berater Thomas Böhm zurückgekehrt. Im Nachhinein kann ich sagen: Das war eine äußerst lehrreiche Zeit für mich.

Sie hatten nach dem Vertragsende mit vielen Klubs ergebnislos verhandelt, es machten Gerüchte und Beschwerden über Ihren nach Handgeld gierenden Vater die Runde. Wie war es wirklich?

Wenn mein Vater irgendwas fordern würde, was für mich nachteilig wäre, würde ich ihn ja fragen, ob er einen Vogel habe … Mein Vater hatte gar nichts damit zu tun. Ich weiß auch nicht, aus welchen Gründen genau er da mit reingezogen wurde. Jedenfalls wurde von angeblichen Verhandlungen mit Klubs geschrieben, die zwar Interesse an mir hatten, mit denen ich aber in Wirklichkeit nie verhandelt hatte. Wie schon mal gesagt: Auch von meiner Seite ist damals nicht alles glücklich gelaufen. Aber da ist mittlerweile Gras drüber gewachsen. Ich bin froh, wie es jetzt wieder läuft.

Was haben Sie sich also speziell fürs EM-Jahr vorgenommen?

Wenn ich fit bin, will ich alle Pflichtspiele machen. Zudem möchte ich mit der TSG konstant erfolgreich sein und bei der EM für Österreich auflaufen und mein Land bestmöglich vertreten.

Interview: Michael Pfeifer

VIENNA, AUSTRIA - NOVEMBER 20: Julian Nagelsmann, head coach of Germany talks to the media during a DFB Press Conference at Ernst Happel Stadion on November 20, 2023 in Vienna, Austria. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Nagelsmann: Wir sind nicht schlechter geworden, sondern Österreich besser

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